Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Umsatzsteuer

Musterprozess beim BFH: Kann Personalüberlassung steuerfrei sein?

| Die entgeltliche Überlassung von Personal fällt unter keine Steuerbefreiungsregelung des § 4 UStG und ist in der Regel auch nicht nach Art. 132 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) von der Umsatzsteuer befreit. Diese Auffassung vertritt das FG Münster für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Letztlich entscheiden muss aber der BFH. Bei ihm ist vor kurzem die Revision anhängig geworden. |

Geschäftsführer eines Verbands war für Förderverein tätig

Im konkreten Fall hatte ein gemeinnütziger Kinder- und Jugendverband die Trägerschaft für die Betreuung in der Offenen Ganztagsschule (OGS) für zwei Schulen übernommen. Um Lehrer und Eltern mit in die Verantwortung zu nehmen, gründete er für beide Schulen je einen Förderverein (Trägerverein), die von den jeweiligen Schulkonferenzen mit der Trägerschaft für die OGS beauftragt wurden.

 

In beiden Trägervereinen übernahm der Geschäftsführer des Kinder- und Jugendverbands jeweils als Vorstandsmitglied die Geschäftsführung. Er stellte seine Leistungen den Fördervereinen der OGS monatlich in Rechnung, ohne darin Umsatzsteuer auszuweisen. Das Finanzamt leitete deswegen ein Strafverfahren ein und ordnete eine Umsatzsteuersonderprüfung an.

 

Die Prüfung kam zum Ergebnis, dass die Umsätze aus der Tätigkeit des Geschäftsführers für die Fördervereine als Personalgestellung umsatzsteuerpflichtig seien. Gegen den Prüfbescheid legte der Verband Einspruch ein. Das Finanzamt wies ihn zurück. Also ging es vor Gericht.

FG Münster: Leistungen sind klassische Personalgestellung

Das FG Münster kam zum Ergebnis, dass es sich bei den berechneten Verwaltungsleistungen um eine klassische Personalgestellung handelt, die nach § 3 Abs. 9 S. 1 UStG als sonstige Leistung steuerbar ist. Die Leistungen bestanden darin, dass der Verband den Trägervereinen seinen Geschäftsführer für die Ausführung von Geschäftsführungs- und Verwaltungsaufgaben überließ (FG Münster, Urteil vom 15.07.2019, Az. 5 K 460/17 U, Abruf-Nr. 217946).

 

Keine Befreiung nach § 4 Nr. 25 UStG

§ 4 Nr. 25 UStG befreit eine Reihe von Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII von der Umsatzsteuer. Die Verwaltungsleistungen fallen nach Auffassung des FG aber unter keine der in § 4 Nr. 25 UStG genannten Tätigkeiten

 

Wichtig | Das Urteil bezieht sich auf die Fassung des § 4 Nr. 25 UStG von 2007. Es ist zwischenzeitlich mehrfach geändert worden. Die Entscheidung gilt aber auch für die heutige Rechtslage.

 

Keine Befreiung nach Gemeinschaftsrecht

Die Umsätze aus der Personalgestellung waren auch nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL steuerbefreit. Diese Befreiungsregelung enthält zwei Voraussetzungen, die beide erfüllt sein müssen. Es muss

  • sich um eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen handeln, und
  • das leistende Unternehmen muss eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder eine andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung sein.

 

Diese Voraussetzungen waren für das FG nicht erfüllt. Zwar sei der Begriff der mit der Kinder- und Jugendbetreuung „eng verbundenen“ Dienstleistung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL nicht näher definiert. Leistungen seien aber dann nicht eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbunden, wenn sie nicht gegenüber den Kindern und Jugendlichen, sondern gegenüber einem Dritten erbracht werden, der diese benötigt, um die begünstigte Leistung im Bereich der Kinder- und Jugendbetreuung zu erbringen.

Sieht der BFH die Sache anders?

Die Sache ist noch nicht zu Ende. Der Verband hat gegen die Nichtzulassung der Revision nämlich Beschwerde beim BFH eingelegt ‒ und das mit Erfolg. Der BFH hat die Revision zugelassen. Das Verfahren wird in München unter dem Az. V R 21/20 geführt. Fälle mit Personalgestellungen, bei denen die unmittelbare Anwendung einer Steuerbefreiungsnorm nach der MwStSystRL streitig ist, sollten deshalb offengehalten werden.

 

Ein Blick in die Rechtsprechung zeigt aber, dass die Erfolgsaussichten nicht überschätzt werden sollten:

 

  • BFH, Urteil vom 14.01.2016, Rs. V R 56/14, Abruf-Nr. 184497: Hier hatte ein gemeinnütziger Verein aus dem Bereich der Jugend- und Drogenberatung mit dem Landschaftsverband einen Abordnungsvertrag geschlossen, mit dem er eine Mitarbeiterin zur fachlichen Koordinierung eines Projekts zur Verfügung stellte. Bei dieser Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich nicht um eine nach Art. 132 Abs. 1g MwStSystRL begünstigte Dienstleistung.

 

  • EuGH, Urteil vom 12.03.2015, Rs. C-594/13, Abruf-Nr. 144435: Auch für den Fall der Personalgestellung von Pflegefachkräften an stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen ist keine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zu gewähren.

 

  • EuGH, Urteil vom 14.06.2007, Az. Rs C-434/05, Abruf-Nr. 218581: Für den Fall der Gestellung von Lehrkräften ist eine Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1i MwStSystRL ausnahmsweise möglich. Voraussetzung ist aber, dass die Gestellung von einer Art oder Qualität ist, dass ohne sie kein gleichwertiger Unterricht gewährleistet wäre.

 

Weiterführender Hinweis

  • Sonderausgabe „Umsatzsteuer sparen im Verein: Die Steuerbefreiungen von A bis Z“ unter Berücksichtigung der Steueränderungen 2020 → vb.iww.de t→ Abruf-Nr. 46453025
Quelle: Seite 8 | ID 46956339