· Fachbeitrag · Testamentsauslegung
Unklare Erbfolge bei Testament durch Ehegatten
von RA Ernst Sarres, FA Erbrecht und FA Familienrecht, Düsseldorf
| Das OLG München hatte auf Grundlage eines Testaments zu entscheiden, ob der überlebende Ehegatte nach dem ersten Erbfall Alleinerbe wird. |
Sachverhalt
Die am 22.8.18 verstorbene E hinterlässt den Ehemann M und die gemeinsamen Kinder B2 und B3. Die Ehegatten hatten am 10.8.02 ein eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Testament errichtet, in dem es u. a. heißt: „Wir (Ehemann) geb. am (…) und (Ehefrau) geb. am (…) wollen, dass nach unserem Tod das Haus unser Sohn B2 bekommt. Er muss aber unserer Tochter 35 Prozent ausbezahlen. Wenn noch Geld vorhanden ist, bekommt jedes die Hälfte. B2 bekommt die Münzen und Vaters Sachen. B3 bekommt Schmuck, Puppen, Handarbeiten, Kaffee- und Speiseservice, Silber-Besteck (Unterschriften).“
Auf Grundlage dieses Testaments beantragte M beim Nachlassgericht vergeblich einen Alleinerbschein. Das Gericht vertrat die Ansicht, das Testament enthalte keine Regelung für den ersten Erbfall. Das OLG hatte nun über dieBeschwerde von M zu entscheiden (OLG München, 12.11.19 ‒ 31 Wx 183/19).
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Entscheidungsgründe
Bei einer Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB kommt es auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Ist eine Erbeinsetzung im Testament nicht einmal angedeutet, fehlt es an der gesetzlich vorgeschriebenen Form, sodass die Erbeinsetzung gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig ist. Auch wenn Ehegatten sich üblicherweise gegenseitig selbst bedenken, ist dies kein ausreichender Anhaltspunkt für eine gegenseitige Erbeinsetzung. Diese kann daher nicht allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments angenommen werden. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze teilt der Senat die Ansicht des Nachlassgerichts, wonach das Testament für den ersten Erbfall keine Erbeinsetzung des Beschwerdeführers enthält.
Dabei bedurfte es zunächst auch nicht einer Beweisaufnahme durch das Nachlassgericht zur Klärung der Frage, ob die Ehegatten den jeweils Überlebenden als Alleinerben einsetzen wollten. Das Nachlassgericht durfteeinen entsprechenden Willen unterstellen und zugleich im Wege der Testamentsauslegung ermitteln, ob dieser Wille im Testament angedeutet ist oder nicht. Auch nach Auffassung des Senats findet sich in der Verfügung indes keine hinreichende Andeutung für einen solchen Willen.
Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, eine solche Auslegung ergebe sich aus dem Wortlaut, da die Ehegatten von „unserem Tod“ gesprochen haben, trägt dieser Einwand nicht. Die Formulierung kann ebenso dafürsprechen, dass die Eheleute (gerade nur) den Tod des Letztversterbenden regeln wollten. Dann wäre die Formulierung „nach unserem Tod“ im Sinne von „wenn wir beide tot sind …“ passend für die Formulierung eines entsprechenden Willens. Dass die Abwicklung des ersten Erbfalls dadurch schwierig ist, rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung. Es ist weder die Aufgabe der Nachlassgerichte noch der diesen nachfolgenden Beschwerdegerichte, im Wege der Auslegung unterbliebene Verfügungen zu kreieren, um eine praktisch erscheinende Abwicklung von Erbfällen zu ermöglichen.
Relevanz für die Praxis
Die Bewertung des OLG führt zu dem wohl denkbar schlechtesten Ergebnis der Vermögensnachfolge. Denn der überlebende Ehegatte wäre nach dem ersten Erbfall nicht uneingeschränkt neuer Vermögensinhaber, sondern er müsste den Nachlass ‒ entgegen jeder Planung ‒ mit den Abkömmlingen teilen (der Nachlassanteil für den überlebenden Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft beträgt grundsätzlich 1/2). Die Benachteiligung des überlebenden Ehegatten wäre durch „übliche“ Formulierungen vermeidbar gewesen. Die nachstehenden (beispielhaften) Grundformeln in einem Ehegattentestament gewährleisten, dass der überlebende Ehegatte nach dem ersten Erbfall in der Regel Alleinerbe wird.
Musterformulierung 1 / |
„Wir (...) setzen uns hiermit gegenseitig zum alleinigen und unbeschränkten Alleinerben ein.“ (...) (Ggf. Schlusserbeneinsetzung, Wechselbezüglichkeit) |
Musterformulierung 2 / |
„Wir setzen uns hiermit, also der Zuerstversterbende den Längerlebenden von uns, zum alleinigen und unbeschränkten Erben ein.“ (...) ( Ggf. Schlusserbeneinsetzung, Wechselbezüglichkeit) |
PRAXISTIPP | Das OLG orientiert sich bei seiner Entscheidung zwar an der überwiegenden Meinung von Rechtsprechung und Schrifttum. Hierbei wäreallerdings zu beachten gewesen, dass es sich bei dem umstrittenen Testament um ein „Laientestament“ handelt. Daher war nicht von Anfang an auszuschließen, den wahren Erblasserwillen durch eine Beweisaufnahme zu erforschen. |
Weiterführende Hinweise
- A. Möller, EE 17, 92 zur hinreichenden Bestimmung einer Erbeinsetzung
- FGPrax 2019, 280 (mit Anmerkung Bestelmeyer)