· Fachbeitrag · Sonderzahlungen
Unter diesen Voraussetzungen lässt sich eine Sonderzahlung bei Krankheitstagen kürzen
von Rechtsanwalt Otfrid Böhmer, Director bei der WTS Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München
| Häufig werden Arbeitnehmern neben dem Monatsgehalt auch Sonderzahlungen wie Weihnachtsgratifikationen, Boni oder Tantiemen gezahlt. Vielfach möchten Arbeitgeber die Möglichkeit haben, diese Sonderzahlungen bei Krankheitstagen zu kürzen. LGP beleuchtet, unter welchen Voraussetzungen das funktioniert. |
Kürzung ist rechtlich nach dem EFZG zulässig
Die rechtliche Zulässigkeit einer Kürzung aufgrund von Krankheitstagen war früher auch in der Rechtsprechung des BAG umstritten. Nunmehr ist seit längerem durch § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) der gesetzliche Rahmen für eine Kürzung wegen Krankheitstagen vorgegeben, der dies unter bestimmten Bedingungen erlaubt.
Eine Kürzungsvereinbarung muss somit die Voraussetzungen des § 4a EFZG beachten. Dieser lautet: „Eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), ist auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten.“
Eine wirksame Kürzungsvereinbarung kann demnach nur bei Sondervergütungen in diesem Sinne Anwendung finden. Zudem muss die Vereinbarung eindeutig formuliert sein und der Umfang der Kürzung darf den gesetzlichen Rahmen nicht überschreiten.
Kürzungsvereinbarung nur bei Sondervergütung möglich
Nach der gesetzlichen Definition sind Sondervergütungen im Sinne des § 4a EFZG jede Leistung, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt. Dabei ist der Begriff des laufenden Arbeitsentgelts nicht wie in der Lohnsteuer und der Sozialversicherung zu verstehen, also einer Gehaltszahlung, die einer Arbeitsleistung in einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum zugeordnet werden kann.
Vielmehr können auch jährlich gewährte Leistungen laufendes Arbeitsentgelt sein ‒ und sind daher keine Sondervergütung im Sinne des § 4a EFZG. Deshalb sind Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter wie Tantiemen, Boni, Provisionen, Erfolgsbeteiligungen, die ausschließlich für die Erbringung der Arbeitsleistung ‒ also gerade nicht „zusätzlich“ erbracht werden ‒, als laufendes Arbeitsentgelt einzuordnen.
Sondervergütung ist vom laufenden Arbeitsentgelt abzugrenzen
Ausschlaggebend für die Frage, ob eine Sondervergütung oder laufendes Arbeitsentgelt vorliegt, ist der Charakter der versprochenen Leistung. Sonderzahlungen im Sinne des § 4 a EFZG sind ausschließlich solche, die die Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnen, und solche mit Mischcharakter (z. B. Weihnachtsgeld).
§ 4a EFZG ist nicht anwendbar bei Zahlungen mit reinem Entgeltcharakter. Es ist daher immer zu prüfen, ob die Leistung sich als Teil der Gegenleistung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers darstellt, also in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung eingebunden ist. In diesem Fall liegt laufendes Arbeitsentgelt vor.
Das bedeutet: Liegt in diesem Sinne laufendes Arbeitsentgelt vor, darf es während einer festgeschriebenen Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit nicht gekürzt werden. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums (z. B. nach § 3 EFZG sechs Wochen) entfällt aber der Anspruch auf diese Vergütung, auch ohne gesonderte Vereinbarung; § 4a EFZG greift hier nicht.
Anwesenheitsprämie ist Form einer Sondervergütung
Die Sonderzahlung darf also nicht als laufendes Arbeitsentgelt zu klassifizieren sein. Ein typisches Beispiel für eine solche ‒ kürzbare ‒ Sondervergütung ist eine Anwesenheitsprämie. Diese Prämien werden nicht als Gegenleistung für Arbeitsleistungen erbracht, sondern als weitergehende zusätzliche Leistung (BAG, Urteil vom 25.07.2001, Az. 10 AZR 502/00, Abruf-Nr. 146436).
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Der Arbeitgeber zahlt an alle gewerblichen Arbeitnehmer pro Quartal eine freiwillige Sonderprämie in Höhe von 1.500 Euro. Voraussetzung für die Zahlung ist, dass im vorausgegangenen Quartal uneingeschränkt Arbeitsleistungen erbracht wurden. Bei Zeiten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zahlt der Arbeitgeber die Sonderprämie anteilig. |
Vereinbarung über Kürzung muss vorliegen
Um eine Sonderzahlung krankheitsbedingt kürzen zu können, muss das vertraglich vereinbart sein. Soweit dies nicht bereits im Tarifvertrag geregelt ist, kann eine Betriebsvereinbarung entsprechend gestaltet werden. Auch eine einzelvertragliche Kürzungsvereinbarung ist möglich. Sie muss aber eindeutig formuliert sein; sonst ist die Kürzungsvereinbarung unwirksam.
Wichtig | Arbeitgeber sollten von einer mündlichen Kürzungsvereinbarung aus Beweisgründen absehen.
Diese Fehlzeiten können Gegenstand der Kürzung sein
Die Kürzungsmöglichkeit nach § 4a EFZG betrifft nur krankheitsbedingte Fehlzeiten inkl. der Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen nach § 9 EFZG (Entgeltfortzahlung bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation). Das bedeutet: Eine Kürzung z. B. wegen Mutterschutzfristen oder Arbeitsverhinderungen aus persönlichen Gründen (§ 616 BGB) wird davon nicht umfasst.
In welchem Umfang kann gekürzt werden?
Liegt eine Sondervergütung mit einer Kürzungsvereinbarung vor, darf die Kürzung der Zahlungen nur im gesetzlichen Rahmen erfolgen.
Höchstgrenze für Kürzung ist definiert
Im Gesetz ist nur die Höchstgrenze der möglichen Kürzung festgelegt: Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten. Selbstverständlich sind auch Kürzungsvereinbarungen zulässig, bei denen diese Höchstgrenze nicht ausgeschöpft wird.
Zwei unbestimmte Begriffe sorgen für Unsicherheit
Allerdings ist ungeklärt, was die Begriffe Arbeitsentgelt und Jahresdurchschnitt genau bedeuten:
- Beim Jahresdurchschnitt wird meist auf die letzten zwölf Monate und nicht auf das laufende Kalenderjahr abgestellt.
- Strittig beim Begriff des Arbeitsentgelts ist, ob die Sondervergütung selbst mit einzubeziehen ist. Wohl überwiegend wird die ungekürzte Sondervergütung in die Bemessungsgrundlage einbezogen, sodass sich eine höhere Kürzungsmöglichkeit ergibt.
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Ein Arbeitnehmer hat in den letzten zwölf Monaten zwölf Monatsgehälter à 5.000 Euro, sowie einen Bonus in Höhe von 10.000 Euro erhalten. Zusätzlich erhält er ein Weihnachtsgeld, das die Betriebstreue belohnen soll. Ungekürzt betrüge dies 3.000 Euro. Das Weihnachtsgeld soll pro Krankheitstag um ein Viertel gekürzt werden. Der Arbeitnehmer hatte in den letzten zwölf Monaten zehn Krankheitstage und 260 Arbeitstage (52 Wochen x fünf Arbeitstage).
Das Arbeitsentgelt pro Arbeitstag errechnet sich wie folgt:
Ergebnis: Pro Krankheitstag darf der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld um maximal ein Viertel von 280,77 Euro, also 70,20 Euro kürzen. Bei zehn Krankheitstagen sind dies 10 x 70,20 Euro = 702,00 Euro. Dem Arbeitnehmer stehen von dem Weihnachtsgeld somit 2.298,00 Euro (3.000 Euro ./. 702,00 Euro) zu. |