· Fachbeitrag · Schuldrechtlicher VA
Abfindung eines ausländischen Anrechts
von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle
| Ausländische Anrechte gelten im Wertausgleich bei der Scheidung als nicht ausgleichsreif und bleiben dem schuldrechtlichen VA vorbehalten. Eine schuldrechtliche Ausgleichsrente kann erst verlangt werden, wenn beim Ausgleichspflichtigen der Versorgungsfall eingetreten ist. Der Berechtigte kann aber schon im Scheidungsverbund oder im abgetrennten VA-Verfahren eine Abfindung geltend machen, wenn diese dem Ausgleichspflichtigen wirtschaftlich zumutbar ist. Dies hat der BGH klargestellt. |
Sachverhalt
In der Ehezeit erwarben M und F Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung, F daneben ein Anrecht in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. M hat darüber hinaus zwei Anrechte in der Schweiz erworben, ein Anrecht in der Altersrentenversicherung und ein Anrecht bei einer Pensionskasse. Auf den Antrag der F hat das AG den M im abgetrennten VA-Verfahren verpflichtet, sein Anrecht bei der Pensionskasse in Höhe des Ausgleichswerts auf F zu übertragen. Im Übrigen hat es ausgesprochen, dass ein VA bei der Scheidung nicht stattfinde, und hat der F Ausgleichsansprüche nach der Scheidung vorbehalten. Mit seiner Beschwerde hat sich M dagegen gewandt, der F sein Anrecht bei der Pensionskasse übertragen zu müssen. Das OLG hat diese Verpflichtung aufgehoben und dem M aufgegeben, zum teilweisen Ausgleich seines Anrechts bei der Pensionskasse einen bestimmten Betrag in eine Lebensversicherung der F einzuzahlen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der F. Sie erstrebt die Wiederherstellung der Entscheidung des AG, hilfsweise die Verpflichtung des M, sein Anrecht bei der Pensionskasse vollständig abzufinden. Der BGH hat die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache zurückverwiesen (BGH 22.6.16, XII ZB 514/15, Abruf-Nr. 187738).
Entscheidungsgründe
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war nur der Ausgleich des ausländischen Anrechts des M bei der Schweizer Pensionskasse. Insoweit hat das OLG zu Recht nicht nur geprüft, ob M verpflichtet ist, eine Abfindung zu zahlen. Mit der Beschwerde ist dem OLG auch die Vorfrage, ob das ausländische Anrecht bereits in den Wertausgleich bei der Scheidung einzubeziehen ist, zur Prüfung angefallen. Die Auswirkungen des Wertausgleichs wären für M erst im Versorgungsfall spürbar. Die Abfindungspflicht stellt keinen tatsächlich und rechtlich selbstständigen Teil des Streitgegenstands dar, auf den der Beschwerdeführer seine Beschwerde beschränken könnte.
Keine Einbeziehung des Anrechts in den Wertausgleich
Sachlich zutreffend hat das OLG das Anrecht aber nicht intern oder extern geteilt. Voraussetzung für die Einbeziehung in den Wertausgleich bei der Scheidung ist, dass das Anrecht ausgleichsreif ist, § 19 Abs. 1 VersAusglG. Ausländische Anrechte gelten aber generell als nicht ausgleichsreif, § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG. Damit soll berücksichtigt werden, dass ein ausländischer Versorgungsträger nicht verpflichtet werden kann, den Ausgleichsberechtigten in sein Versorgungssystem aufzunehmen oder das Anrecht extern auszugleichen. Zwar könnte das Anrecht des M nach schweizerischem Recht unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund der Entscheidung eines deutschen Gerichts geteilt werden. Bei § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG kommt es jedoch auf die Rechtslage des ausländischen Staats nicht an, in dem ein Anrecht erworben wurde. Der Gesetzgeber durfte eine typisierende Regelung treffen, wonach ausländische Anrechte ohne Rücksicht auf die konkreten Verhältnisse generell als nicht ausgleichsreif zu behandeln sind.
Keine Pflicht, schuldrechtliche Ausgleichsansprüche abzufinden
Es war daher weiter zu prüfen, ob und ggf. inwieweit M verpflichtet ist, schuldrechtliche Ausgleichsansprüche abzufinden. Zu Recht hat das OLG entschieden, dass M nicht dazu verpflichtet werden kann, im Wege der Abfindung den Ausgleichswert seines Anrechts unmittelbar auf F zu übertragen. § 23 Abs. 1 VersAusglG sieht nur vor, dass der Ausgleichsberechtigte verlangen kann, dass eine zweckgebundene Abfindung gezahlt wird. Diese Zahlung ist an einen Versorgungsträger zu leisten, bei dem ein bestehendes Anrecht ausgebaut oder ein neues Anrecht begründet werden soll. Unschädlich ist, dass das OLG den Gesamtabfindungsbetrag nicht in inländischer Währung ausgedrückt hat. Zwar muss bei einer Teilabfindung der durch die Abfindung abgegoltene Teil klar bestimmt sein. Der Wechselkurs im Zeitpunkt der Entscheidung steht jedoch fest. Deshalb kann im Nachhinein ohne Weiteres berechnet werden, welcher Teil des Anrechts durch die Ausgleichszahlung erledigt ist.
Gem. § 23 Abs. 2 VersAusglG besteht der Abfindungsanspruch aber nur, soweit die Zahlung dem Ausgleichspflichtigen zumutbar ist. Ist er nur teilweise leistungsfähig, kommt eine Teilabfindung und auch eine Ratenzahlung in Betracht. Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist die wirtschaftliche Belastbarkeit des Ausgleichspflichtigen gegen das Sicherungsbedürfnis des Ausgleichsberechtigten abzuwägen. Bedeutsam ist dabei, ob der Berechtigte über den verlängerten schuldrechtlichen VA nach § 25 VersAusglG für den Fall abgesichert ist, dass der Verpflichtete vor ihm stirbt. Dies ist beim Ausgleich ausländischer Anrechte nicht der Fall. Denn nach § 26 VersAusglG richtet sich der Anspruch auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung in diesem Fall nur gegen die Witwe oder den Witwer des Ausgleichspflichtigen.
Dem Ausgleichspflichtigen kann grundsätzlich zugemutet werden, seinen Vermögensstamm anzugreifen. Es kommt aber auf das Alter des Verpflichteten und darauf an, ob er noch in der Lage ist, den Vermögensverlust wieder auszugleichen. Ihm ist in jedem Fall ein angemessener Schonbetrag zu belassen. Auch seine laufenden Einkünfte können für die Leistung der Abfindung herangezogen werden, vor allem im Wege der Ratenzahlung, wenn die Zahlung eines Einmalbetrags unzumutbar ist. Es ist jedoch darauf zu achten, dass der eigene angemessene Unterhalt des Verpflichteten und der anderer Personen, die ihm gegenüber unterhaltsberechtigt sind, nicht beeinträchtigt wird. Eine Ratenzahlung darf auch nicht so weit gestreckt werden, dass sie im Ergebnis zu einer vorzeitigen schuldrechtlichen Ausgleichsrente führt.
Hier hat das OLG nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte in die Abwägung einbezogen. Dem M kann aber nicht auferlegt werden, das Anrecht vollständig abzufinden, um ihn dadurch mittelbar zu zwingen, der F einen Teil seines Anrechts zu übertragen. Denn die §§ 20 ff. VersAusglG sehen eine Realteilung eines Anrechts durch Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht vor. Ebenso wenig ist es dem M zuzumuten, die vollständige Abfindung durch Aufnahme eines Kredits zu finanzieren. Denn schon die nach § 23 Abs. 3 VersAusglG mögliche Festsetzung von Ratenzahlungen stellt eine Kreditierung der Abfindung bis auf das wirtschaftlich zumutbare Maß dar. Das OLG hat auch nicht versäumt, ausreichende Ermittlungen über das einzusetzende Vermögen des M anzustellen. Zwar ermittelt das Gericht im VA-Verfahren von Amts wegen, § 26 FamFG. Es kann sich dabei aber auf Tatsachen beschränken, die die Beteiligten vorgebracht haben. Daher durfte sich das OLG hier damit begnügen, auf die im ZGA-Verfahren getroffenen Feststellungen zurückzugreifen, und musste nicht von sich aus aufklären, ob sich die Vermögenslage des M seitdem verbessert hat.
Das OLG hat jedoch bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen Folgendes nicht ausreichend berücksichtigt: Falls M vor der F verstirbt, kann diese keinen Anspruch auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung gegen den Versorgungsträger nach § 25 VersAusglG erlangen. Ihr verbleibt allenfalls ein Anspruch nach § 26 VersAusglG gegen die Witwe des M, soweit der ausländische Versorgungsträger an diese eine Hinterbliebenenversorgung leistet. Voraussetzung dafür wäre, dass M erneut heiratet und seine Ehefrau ihn überlebt. Es ergäbe sich damit eine wesentliche Sicherungslücke für die F. Das rechtfertigt es, auf ihre Interessen stärker Rücksicht zu nehmen als auf die des M. Es muss deshalb genauer geprüft werden, ob M ein Schonvermögen zu belassen und Ratenzahlung zu bewilligen ist. Weiter ist von Bedeutung, ob das schweizerische Recht der F ‒ auch unter Berücksichtigung des bereits rechtskräftig gewordenen Teilausgleichs ‒ einen isolierten Anspruch auf dingliche Teilung des Anrechts bei der Pensionskasse gewährt. Dies wäre im Rahmen der Billigkeitserwägungen mitzuberücksichtigen.
Relevanz für die Praxis
Anrechte, die bei der Scheidung noch nicht ausgleichsreif sind, können gem. § 9 Abs. 1, § 19 Abs. 1 VersAusglG nicht intern oder extern geteilt werden, sondern bleiben dem schuldrechtlichen VA vorbehalten, § 19 Abs. 4 VersAusglG. Praktisch bedeutsam sind insofern insbesondere verfallbare betriebliche Anrechte und ausländische Versorgungen, § 19 Abs. 2 Nr. 1 und 4 VersAusglG. Der schuldrechtliche VA kommt grundsätzlich erst in Betracht, wenn die Fälligkeitsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 VersAusglG erfüllt sind, d. h. wenn bei beiden geschiedenen Ehegatten der Versorgungsfall eingetreten ist. Die §§ 23, 24 VersAusglG eröffnen jedoch die Möglichkeit, schon vorher ‒ auch bereits im Scheidungsverbund ‒ eine (Teil-)Abfindung in Form eines Geldbetrags geltend zu machen. Soweit dies erfolgreich ist, kann der Ausgleichsberechtigte bereits frühzeitig eine eigene Versorgung erwerben und ist nicht mehr darauf angewiesen, später eine schuldrechtliche Ausgleichsrente gegen den geschiedenen Ehegatten geltend zu machen. Auch für den Ausgleichspflichtigen hat die Abfindung den Vorteil, dass ihm ein späteres weiteres Verfahren über den VA erspart bleibt.
Für verfallbare betriebliche Anrechte scheidet eine Abfindung jedoch aus. Denn Voraussetzung für einen Abfindungsanspruch ist, dass das auszugleichende Anrecht dem Grund und der Höhe nach feststeht. Das ist bei einem Anrecht nicht der Fall, das sich erst mit dem Eintritt der Unverfallbarkeit endgültig realisiert, (Wick, Der Versorgungsausgleich, 4. Aufl., Rn. 712).
Für die Praxis bedeutsam ist die Abfindung aber hinsichtlich ausländischer Anrechte. Allerdings muss es möglich sein, deren Ausgleichswert ‒ zumindest annähernd ‒ festzustellen. In Betracht kommen neben schweizerischen Anrechten insbesondere Anrechte, die in EU-Staaten erworben worden sind, sowie Anrechte bei zwischen- oder überstaatlichen Versorgungsträgern (z. B. der EU), die ebenfalls von § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG erfasst werden.
Die Abfindung muss ausdrücklich beantragt werden, § 223 FamFG. Der Antrag muss im Verbundverfahren bis zum Schluss der ersten Instanz gestellt werden. Er braucht zwar nicht beziffert zu werden. Der Berechtigte muss jedoch einen konkreten Versorgungsträger bezeichnen, an den der Verpflichtete die Abfindung zahlen soll, § 23 Abs. 1 S. 2 VersAusglG, die Zustimmung dieses Versicherungsträgers beibringen und das Versicherungskonto bzw. den Vertrag benennen, auf dem die Gutschrift erfolgen soll.
Gem. §§ 23, 24 VersAusglG wird beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, eine Abfindung für sein schuldrechtlich auszugleichendes Anrecht bei ... (Versorgungsträger des Verpflichteten) für die Antragsgegnerin an ... (Zielversorgungsträger) zugunsten des mit der Antragstellerin bestehenden Vertrages Nr. ... zu zahlen.
Für den Fall, dass dem Antragsgegner die Zahlung eines Einmalbetrags nicht zumutbar sein sollte, wird beantragt, ihm Ratenzahlungen aufzuerlegen. |
Soweit möglich, sollte zur Begründung des Antrags zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Ausgleichspflichtigen vorgetragen oder auf Parallelverfahren Bezug genommen werden, aus denen sich diese ergeben (z. B. Unterhalt, ZGA). Denn nach Auffassung des BGH beschränkt sich die Amtsermittlungspflicht des Gerichts auf Tatsachen, die die Beteiligten vorgebracht haben oder die sonst für das Gericht ersichtlich sind.
Checkliste / Prüfung einer Abfindung nach § 23 VersAusglG |
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Weiterführender Hinweis
- Wick, Der Versorgungsausgleich, 4. Aufl., Rn. 711 ff.