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· Fachbeitrag · Rechtsnachfolge

Abzugsfähigkeit nicht verbrauchter Erhaltungsaufwendungen bei Tod des Steuerpflichtigen

von RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen

| Die beim Tode des Erblassers nach § 82b EStDV noch nicht verbrauchten größeren Erhaltungsaufwendungen sind bei dessen ESt-Festsetzung als Werbungskosten anzusetzen und gehen nicht auf den Rechtsnachfolger über (FG Düsseldorf 11.10.19, 10 K 3350/18, Abruf-Nr. 213944 ). |

1. Sachverhalt

Der im Januar 2016 verstorbene Ehemann B der Klägerin hatte in den Jahren 2012, 2014 und 2015 jeweils größere Erhaltungsaufwendungen für ein vermietetes Zweifamilienhaus, die er auf fünf Jahre nach § 82b EStDV verteilte. Das Objekt ging auf die Erbengemeinschaft nach B über, zu der auch die Klägerin zu 6/12 gehörte. Die ab dem Todestag des B erzielten Vermietungseinkünfte der Erbengemeinschaft in 2016 wurden bestandskräftig einheitlich und gesondert festgestellt, ohne dass Abzugsbeträge nach § 82b EStDV berücksichtigt wurden. In der gemeinsamen Steuererklärung für 2016 ermittelte die Klägerin für ihren verstorbenen Ehemann die Einkünfte aus dem Objekt bis zu seinem Tod, indem sie u. a. die noch nicht durch die Verteilung nach § 82b EStDV verbrauchten Erhaltungsaufwendungen insgesamt als Werbungskosten geltend machte. Das FA erkannte jedoch nur den auf Januar 2016 entfallenden Teil des Jahresbetrags (1/12) des auf 2016 entfallenden Jahresbetrags der zu verteilenden Erhaltungsaufwendungen an und verwies darauf, dass die Restbeträge gem. R 21.1 Abs. 6 EStR bei der Erbengemeinschaft im Rahmen der dortigen Überschussfeststellung nach § 82b EStDV fortzuführen seien.

 

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrt die Klägerin den Ansatz der vollständigen nach § 82b EStDV noch nicht verbrauchten Restbeträge bei der ESt-Festsetzung für 2016.

2. Entscheidungsgründe

Das FG gib der Klage statt und erkennt die noch nicht durch die Verteilung verbrauchten Erhaltungsaufwendungen als Werbungskosten im Jahr des Todes des Ehemannes im Rahmen der Zusammenveranlagung mit der Klägerin an.

 

2.1 Anwendung des § 82b EStDV bei Tod des Steuerpflichtigen

Der BFH hat im Urteil vom 13.3.18, IX R 22/17, BFH/NV 2018, 824 entschieden, dass beim Tod des Vorbehaltsnießbrauchers der noch nicht verbrauchte Teil der von diesem getragenen Erhaltungsaufwendungen bei dessen Veranlagung als Werbungskosten anzusetzen und nicht von dessen Erben fortzuführen ist. Auch wenn der entschiedene Sachverhalt von dem des Streitfalls abweicht, hat der BFH in der Begründung des Urteils ausgeführt, dass ein solcher Übergang der nicht verbrauchten Restbeträge auf die Rechtsnachfolger nicht möglich sei, da § 82b EStDV keine solche Regelung enthalte. § 11d Abs. 1 S. 1 EStDV betreffe lediglich den Übergang von AfA-Beträgen, nicht aber von Erhaltungsaufwendungen i. S. v. § 82b EStDV und sei auch nicht analog anzuwenden, da die Verteilung der AfA-Beträge auf mehrere Jahre zwingend sei.

 

Demgegenüber entsteht der größere Erhaltungsaufwand wirtschaftlich sofort. Nur ausnahmsweise könne die Verteilung nach § 82b EStDV gewählt werden, um durch die Verteilung die Tarifprogression besser ausnutzen zu können. Das gebiete es nicht, verbliebene Erhaltungsaufwendungen übergehen zu lassen. Weiter führt der BFH aus, ein Übergang der nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen i. S. v. § 82b EStDV wäre auch mit dem der ESt zugrunde liegenden Grundsatz der Individualbesteuerung und dem Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit unvereinbar. Erblasser und Erbe seien verschiedene Rechtssubjekte, deren Einkünfte getrennt ermittelt werden. Die beim Erblasser bis zu seinem Tod nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen gehen folglich nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger über.

 

Das FG geht davon aus, dass der BFH die o. g. Folgen nicht nur bei einem Vorbehaltsnießbrauch annimmt, sondern auch bei Tod des Eigentümers, der größere Erhaltungsaufwendungen bis zu seinem Tod noch voll geltend gemacht hat. Auch dann gehen die noch nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen i. S. v. § 82b EStDV nicht auf den Erben über, sondern sind in voller Höhe beim Erblasser im Todesjahr abziehbar. Die anderslautende Bestimmung in den R 21.1 Abs. 6 EStR hält das FG nicht für zutreffend.

 

2.2 Bezüglich der Höhe der im Streitfall abziehbaren Beträge ergibt sich Folgendes

Der Senat geht davon aus, dass die nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen i. S. v. § 82b EStDV so zu ermitteln sind, dass es darauf ankommt, welche Abzugsbeträge sich in den bisherigen Veranlagungszeiträumen aus der vom Steuerpflichtigen gewählten Verteilung nach § 82b EStDV zutreffenderweise ergeben hätten. Soweit die in den bisherigen Veranlagungszeiträumen in Abzug gebrachten Beträge geringer sind, sind die Differenzbeträge gleichwohl „verbraucht“ im vorgenannten Sinne (vgl. BFH 27.10.92, IX R 152/89, BStBl II 93, 589; 24.11.92, IX R 99/89, BStBl II 93, 593, zur Möglichkeit, eine Verteilung nach § 82b EStDV auch im Folgejahr der Aufwandsentstehung zu wählen, und zu dem hierbei zu berücksichtigenden „Verbrauch“ des anteiligen Erhaltungsaufwands für das erste Jahr). Nach Auffassung des Senats bleibt es auch dann bei dieser Betrachtung, wenn die in den Vorjahren nach § 82b EStDV abgezogenen Beträge irrtümlich zu hoch berechnet wurden.

 

Des Weiteren geht der Senat davon aus, dass für die Frage, ob abziehbare Werbungskosten vorliegen, welche nach § 82b EStDV auf bis zu fünf Jahre gleichmäßig verteilt werden können, ausschließlich der Sachverhalt im ersten Jahr zu dem Zeitpunkt zu betrachten ist, in dem der Aufwand entsteht. Insbesondere kommt es darauf an, ob der Aufwand zu diesem Zeitpunkt durch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung veranlasst und als Erhaltungsaufwand zu beurteilen ist. Wird das Objekt in einem der Folgejahre i.  S. v. § 82b EStDV nicht mehr vermietet oder in ein Betriebsvermögen eingebracht, sieht § 82b Abs. 2 S. 2 EStDV vor, dass dann der nicht verbrauchte Erhaltungsaufwand im entsprechenden Jahr vollständig abzuziehen ist. Wird das Objekt im Entstehungsjahr noch nicht zur Einkünfteerzielung genutzt und liegen auch nicht die Voraussetzungen für abziehbare vorweggenommene Werbungskosten vor, liegen bereits keine nach § 82b EStDV verteilungsfähigen Erhaltungsaufwendungen vor. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn das Objekt in einem der Folgejahre erstmals zur Einkünfteerzielung genutzt wird.

 

Schließlich geht der Senat davon aus, dass für die Frage, in welchem Verhältnis die Erhaltungsaufwendungen bei einer verbilligten Vermietung ggf. nach § 21 Abs. 2 EStG aufzuteilen sind, es allein auf die Verhältnisse bei der Entstehung der Aufwendungen ankommt. Nur der abziehbare Anteil kann dann nach § 82b EStDV verteilt werden. Etwaige Änderungen der Entgeltlichkeitsquote i. S. v. § 21 Abs. 2 EStG in einem der Folgejahre haben keine Auswirkungen auf die abziehbaren Beträge.

 

2.2 Hiervon ausgehend ergeben sich im Streitfall die folgenden noch nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen

Von den im Jahr 2012 verausgabten Erhaltungsaufwendungen von zusammen 14.866 EUR entfielen 10.878 EUR ausschließlich auf die dort bereits vermietete untere Wohnung. Diese Wohnung war verbilligt vermietet, wobei im Jahr 2012 der entgeltliche Anteil i. S. v. § 21 Abs. 2 EStG 60 % betrug. Von dem vorgenannten Betrag waren damit 6.526,80 EUR verteilungsfähig i. S. v. § 82b EStDV (10.878 EUR × 60 %). Bei der gewählten Verteilung auf fünf Jahre ergibt sich ein jährlicher Abzugsbetrag von 1.305,36 EUR (6.526,80 EUR ÷ 5 Jahre). Im Streitjahr 2016 war dementsprechend ein ebensolcher Betrag von 1.305,36 EUR noch nicht verbraucht. Die weiteren Aufwendungen von 3.988 EUR entfielen auf die Haustür und damit auf beide Wohnungen. Da die obere Wohnung im Jahr 2012 noch unentgeltlich überlassen wurde, ergaben sich hieraus abziehbare Werbungskosten von 2.352,92 EUR (3.988 EUR × 59 %). Hieran ändert sich nach den o. g. Grundsätzen auch nichts dadurch, dass die obere Wohnung ab dem Jahr 2014 entgeltlich vermietet wurde. Der auf die untere vermietete Wohnung entfallende o. g. Anteil war entsprechend der vorgenannten Entgeltlichkeitsquote auf 1.411,75 EUR zu vermindern (2.352,92 EUR × 60 %). Ausgehend von diesem i. S. v. § 82b EStDV verteilungsfähigen Betrag ergab sich bei der gewählten Verteilung auf fünf Jahre ein jährlicher Abzugsbetrag von 282,35 EUR. Auch hier war im Streitjahr 2016 ebendieser Betrag von 282,35 EUR noch nicht verbraucht.

 

Das FA hat in den Veranlagungen der Jahre 2012 bis 2015 von den vorgenannten Erhaltungsaufwendungen des Jahres 2012 einen Betrag von zusammen 6.579 EUR nach § 82b EStDV als abziehbar behandelt (2012: 1.785 EUR, 2013: 1.503 EUR, 2014: 1.506 EUR, 2015: 1.785 EUR). Hierbei hat es offenbar jährlich unterschiedliche und nicht vollständig nachvollziehbare Berechnungen zugrunde gelegt. Nach den vorgenannten Berechnungen hätte für diese Jahre zutreffenderweise ein Betrag von nur 6.350,84 EUR als abziehbar behandelt werden dürfen (1.305,36 EUR × 4 Jahre und 282,35 EUR × 4 Jahre). Nach den o. g. Grundsätzen hält der Senat nur den letztgenannten Betrag, der bei zutreffender Ermittlung als abziehbar zu behandeln gewesen wäre, für i. S. v. § 82b EStDV verbraucht.

 

Die im Jahr 2014 verausgabten Erhaltungsaufwendungen von 36.439 EUR entfielen ausschließlich auf die obere Wohnung, welche ab diesem Jahr auch entgeltlich vermietet war. Bei der gewählten Verteilung nach § 82b EStDV auf fünf Jahre ergaben sich so jährliche Abzugsbeträge von 7.286 EUR. Im Streitjahr 2016 war damit ein Betrag von 21.858 EUR noch nicht verbraucht (36.430 EUR ./. 7.286 EUR ./. 7.286 EUR).

 

Die im Jahr 2015 verausgabten Erhaltungsaufwendungen von 11.603 EUR betrafen beide Wohnungen. Es entfiel damit ein Betrag von 6.845,77 EUR auf die untere Wohnung (11.603 EUR × 59 %). Unter Anwendung der für diese ab dem Jahr 2015 geltende Entgeltlichkeitsquote i. S. v. § 21 Abs. 2 EStG von 47,5 % ergibt sich ein verteilungsfähiger Betrag i. S. v. § 82b EStDV von 3.251,74 EUR (6.845,77 EUR × 47,5 %). Bei der gewählten Verteilung auf fünf Jahre ergeben sich ein jährlicher Abzugsbetrag von 650,35 EUR und für das Streitjahr 2016 noch nicht verbrauchte Erhaltungsaufwendungen von 2.601,39 EUR (3.251,74 EUR ./. 650,35 EUR). Auf die obere Wohnung entfiel ein Betrag von 4.757,23 EUR (11.603 × 41 %). Bei der gewählten Verteilung auf fünf Jahre ergeben sich ein jährlicher Abzugsbetrag von 951,45 EUR und für das Streitjahr 2016 noch nicht verbrauchte Erhaltungsaufwendungen von 3.805,78 EUR (4.757,23 EUR ./. 951,45 EUR).

 

Insgesamt ergeben sich so für das Streitjahr 2016 noch nicht verbrauchte Erhaltungsaufwendungen von 29.852,88 EUR (1.305,36 EUR + 282,35 EUR + 21.858 EUR + 2.601,39 EUR + 3.805,78 EUR). Das FA hat bislang einen Betrag von 981,92 EUR angesetzt. Es sind daher zusätzliche Werbungskosten von 28.870,96 EUR zu berücksichtigen (29.852,88 EUR ./. 981,92 EUR).

 

2.3 Zulassung der Revision

Das FG lässt die Revision zu, trotz Übereinstimmung mit dem Urteil des BFH wegen der Abweichung seiner Auffassung von R 21.1 Abs. 6 EStR und aufgrund der Tatsache, dass dieses Urteil zum Fall des Vorbehaltsnießbrauchers im Verhältnis zum Eigentümer und nicht zur vorliegenden Konstellation eines „einfachen“ Erbfalls ergangen ist.

 

FAZIT | Da der BFH in den Gründen seiner o. g. Entscheidung insgesamt den Übergang von nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen auf den Rechtsnachfolger abgelehnt hat, ist zu erwarten, dass im Falle der Revision durch das FA die Entscheidung des FG bestätigt wird. Entgegen R 21.1 Abs. 6 EStR ist also auch im Falle des unentgeltlichen Übergangs des Vermietungsobjekts durch Erbfolge oder Schenkung der noch nicht verbrauchte Erhaltungsaufwand beim bisherigen Eigentümer anzusetzen und nicht beim Rechtsnachfolger. Es gilt also das Gleiche wie bei entgeltlicher Übertragung oder Einbringung des Objekts in ein Betriebsvermögen: Auch in diesem Fall wird der noch nicht verbrauchte Restbetrag gem. § 82b Abs. 2 EStDV beim Veräußerer bzw. Einbringenden im Jahr der Veräußerung oder Einbringung als Werbungskosten angesetzt.

 
Quelle: ID 46296410