· Fachbeitrag · PROVISIONSANSPRUCH
Provision des Versicherungsvertreters von A bis Z: Das sind die wichtigsten Spielregeln
| In punkto Provisionsansprüche müssen Sie auf der Höhe der Zeit sein und die aktuellen Spielregeln kennen. Denn nur wer seine Rechte kennt, kann diese gegenüber „seinem“ Versicherer fundiert geltend machen bzw. dessen Forderungen qualifiziert abwehren. Der WVV erläutert Ihnen die wichtigsten Provisionsregeln von A bis Z. |
Aktuelle Rahmenbedingungen
Die Vergütung des Versicherungsvertreters für die von ihm erbrachten Vermittlungs- und Betreuungsleistungen ist zentraler Bestandteil des Handelsvertretervertrags. Die Pflicht zur Zahlung einer Vergütung ist Hauptpflicht des Versicherers. Nach dem gesetzlichen Leitbild der §§ 84 ff. HGB ist die Provision für die Vermittlung von Versicherungsverträgen die typische Vergütung (§ 92 Abs. 2 bis 4 HGB). Die Parteien des Vertrags sind allerdings frei darin, auch andere Vergütungsformen zu vereinbaren.
Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren wiederholt Einfluss genommen auf die Provision des Versicherungsvertreters. Meist geschah dies in Form von aufsichtsrechtlich vorgesehenen Deckelungen der Provisionen in einzelnen Sparten, etwa in § 50 VAG zu substitutiven Krankenversicherungen, oder durch die Festlegung einer Mindest-Stornohaftungszeit. Flankierend bestehen Informationspflichten über Vergütungen gegenüber den Kunden.
Die reformierte Versicherungsvermittlerrichtlinie IDD, die bis zum 23.02.2018 in nationales Recht umzusetzen ist, gestattet prinzipiell sogar ein Verbot der Provisionsvergütung in den einzelnen Mitgliedstaaten. Gegenwärtig wird darum gerungen, wie die Richtlinie in Deutschland umzusetzen ist.
Grund genug also, das Thema Provision im Hinblick auf die geltenden bzw. von der Rechtsprechung ausgeformten Grundsätze zu beleuchten.
Inhalt und Anwendungsbereich der gesetzlichen Vorschriften
§ 92 Abs. 2 HGB ordnet an, dass auf das Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsvertreter und Versicherer die Vorschriften über das Handelsvertretervertragsverhältnis anzuwenden sind. Zu diesen Vorschriften gehören auch die Provisionsregelungen in den §§ 87 bis 87c HGB. Allerdings gelten beim Versicherungsvertreter einige Besonderheiten:
- Der Versicherungsvertreter hat ‒ wenn es keine abweichende vertragliche Regelung gibt ‒ nur Anspruch auf Provision für solche Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind (§ 92 Abs. 3 HGB).
- Der Provisionsanspruch wird erst fällig, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision berechnet (§ 92 Abs. 4 HGB).
Ratierliche Fälligkeit die gesetzliche Norm ‒ Vorschüsse die tägliche Praxis
Das Gesetz geht also von einer ratierlichen Provisionsfälligkeit aus, wenn sich die Provision nach mehreren Prämieneingängen bemisst. In der Praxis verbreitet sind allerdings Vereinbarungen, nach denen die volle Provision bereits bei Abschluss oder Beginn des vermittelten Vertrags vorschüssig (diskontiert) ausgezahlt wird. Daraus resultiert die Stornohaftung der Provisionsvorschüsse einschließlich aller damit zusammenhängenden Themenkreise wie Nacharbeit, Stornoreserve etc.
Provisionsregelungen können auch für Angestellte gelten
Es ist ein Trugschluss zu denken, die gesetzlichen Provisionsregelungen würden nur für selbstständige Versicherungsvertreter gelten. Auch im Vertrag eines angestellten Versicherungsvermittlers können sich typische Regelungen zu Provisionen und Provisionsvorschüssen finden. Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Regelungen kann ergeben, dass auf die Grundregel des § 92 Abs. 4 HGB zur Provisionsfälligkeit Bezug genommen werden sollte, so das BAG (Urteil vom 21.01.2015, Az. 10 AZR 84/14, Abruf-Nr. 176593).
Die Regelungen für selbstständige Vermittler können auch für Angestellte gelten, die (Differenz- oder Super-)Provisionen auf die Vermittlung von Versicherungsverträgen erhalten. Und zwar, auch wenn § 65 HGB nur auf die §§ 87 Abs. 1 und 3 sowie 87a bis 87c HGB verweist.
Begriff, Erscheinungsformen und Abgrenzungen
Die §§ 87 ff., 92 HGB gelten nur, wenn und soweit eine Provision als Vergütung vereinbart ist. Nicht notwendig ist, dass das Wort „Provision“ verwendet wird (BGH, Beschluss vom 25.10.2000, Az. VIII ZB 30/00, Abruf-Nr. 188729).
Begriff „Provision“
Die Provision wird nach dem Umfang vergütungspflichtiger Einzelgeschäfte bemessen. Nach Art. 6 Abs. 2 Handelsvertreter-Richtlinie 86/653/EWG, die zwar nicht für Versicherungsvertreter gilt, aber Vorbild der §§ 87 ff. HGB war, unterfällt jeder Vergütungsteil, der nach Zahl oder Wert der Geschäfte schwankt, dem Anwendungsbereich der Richtlinie. Typischerweise wird eine Provision
- als prozentualer Anteil (Provisionssatz, etwa 10 % oder 25 ‰)
- einer einzelgeschäftsbezogenen (nicht: Unternehmensumsatz/-gewinn)
- Bemessungsgrundlage (Beitrag, Jahresbeitrag, Beitrags- oder Versicherungssumme) angegeben.
Möglich sind aber auch „Stückprovisionen“ in Form einer festen Summe, etwa ... Euro für die Vermittlung eines Kfz-Versicherungsvertrags.
Wesen der Provision
Ihrem Wesen nach ist die Provision eine Erfolgsvergütung. Der Provisionsanspruch hängt vom Abschluss und von der Ausführung eines Geschäfts ab.
Für die Entstehung des Anspruchs genügt es nicht, dass der Vertreter seiner Hauptpflicht zur Bemühung um die Vermittlung von Geschäften vollumfänglich nachkommt. Denn diese Bemühungen können auch erfolglos bleiben (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.04.2011, Az. 10 Sa 584/10, Abruf-Nr. 168227).
Die Entstehung des Provisionsanspruchs hängt von einem Umstand ab, dessen Herbeiführung außerhalb der Vertragsbeziehung Versicherungsvertreter/Versicherer steht: Dem freien Willensentschluss eines Dritten (Kunden), ein Geschäft einzugehen.
Bezeichnungen, Erscheinungsformen und Sonderformen bei Provisionen
In der Praxis haben sich bei den Provisionen diverse Bezeichnungen, Erscheinungs- und Sonderformen herausgebildet, die zum Teil gesetzlich geregelt wurden. Nachfolgend ein kleiner Überblick:
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Bezeichnung | Erläuterung |
Vermittlungsprovision | Originärer Regelungsgegenstand der §§ 87 ff., § 92 HGB ist zunächst die Vermittlungsprovision, d. h. diejenige Vergütung, die der Vertreter als Gegenleistung für seine Vermittlungsbemühungen erhält. Die Vermittlungsprovision wird in der Praxis auch als Abschlussprovision (AP) bezeichnet. |
Verwaltungs-/Bestandspflegeprovisionen | Provisionen können auch für weitere Leistungen des Vertreters vereinbart werden. Gesetzlich geregelte Fälle sind die Delkredereprovision (§ 86b HGB) sowie die Inkassoprovision (§ 87 Abs. 4 HGB). Daneben werden ‒ in Abgrenzung zur Vermittlungstätigkeit ‒ für Verwaltungstätigkeiten Verwaltungsprovisionen gezahlt. Zu diesen Verwaltungsprovisionen gehören üblicherweise Bestandspflegeprovisionen (für allgemeine Pflege- und Betreuungstätigkeiten sowie die Mitwirkung in etwaigen Schadensfällen). |
Die Abgrenzung zwischen Vermittlungs- und Verwaltungsprovisionen ist wichtig:
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Super-, Beteiligungs- oder Differenzprovisionen | Super-, Beteiligungs- oder Differenzprovisionen sind Provisionen, die im mehrstufigen Vertrieb vornehmlich mit unechten Haupt- und Untervermittlern auf diejenigen Geschäfte gezahlt werden, die für den organisatorisch zugeordneten Untervermittler provisionspflichtig sind. Der Hauptvertreter partizipiert in Form von Superprovisionen an dem Geschäft, das vom Untervermittler vermittelt und/oder betreut wird. Auch Superprovisionen können vermittelnde Vergütung darstellen und damit prinzipiell ausgleichsfähig sein (BGH, Urteil vom 23.11.2011, Az. VIII ZR 203/10, Abruf-Nr. 120027). |
Bezeichnung | Erläuterung |
Laufende Provisionen bzw. Folge-provisionen | Nach der Häufigkeit ihrer Entstehung werden bei einem zugrunde liegenden Dauerschuldverhältnis mit mehreren, wiederkehrenden Leistungen des Kunden (typisch: Versicherungsvertrag) laufende Provisionen bzw. Folgeprovisionen (jede Leistung des Kunden löst eine weitere Provision aus) und Einmalprovisionen unterschieden. Ob eine laufende Provision Vermittlungs- oder Verwaltungsvergütung ist bzw. zumindest Vermittlungsanteile enthält, ist durch rechtliche Bewertung der vergüteten Leistungspflichten des Handelsvertreters zu ermitteln. |
Stückprovision | Nach Art ihrer Bemessung wird als Stückprovision eine Provision bezeichnet, die betragsmäßig festgelegt ist („50 Euro pro vermittelter Vertrag“), in ihrer Höhe also nur hinsichtlich der Zahl vermittelter Verträge, nicht jedoch des Wertes des Einzelgeschäfts schwankt. Auch die Stückprovision unterfällt den §§ 87 ff. HGB. |
Provisions-anwartschaft | Als Provisionsanwartschaft wird das Stadium bezeichnet, in dem sich der Vermittlungsprovisionsanspruch bei Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 92 Abs. 3, 87 HGB befindet: Er ist dann bedingt entstanden, d. h. nach Grund und Berechnungsfuß festgelegt (BGH, Urteil vom 21.10.2009, Az. VIII ZR 286/07, Abruf-Nr. 093823). Es handelt sich um eine gefestigte Rechtsposition, die nicht mehr vom weiteren Bestand des Vertretervertragsverhältnisses abhängt. |
Provisions-vorschuss | Ein Provisionsvorschuss ist eine Leistung des Unternehmers, die in Erwartung des Entstehens künftiger Provisionsansprüche bzw. des Erstarkens von Provisionsanwartschaften zum Vollrecht erbracht wird.
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Garantie- oder Mindest-provision | Eine Garantie- oder Mindestprovision ist ähnlich einem Provisionsvorschuss in der Regel ein Anspruch auf eine monatlich gleichbleibende Zahlung in bestimmter garantierter Höhe. Die Zahlung wird mit tatsächlich verdienten Provisionen verrechnet. Ein Überschuss ist zusätzlich auszuzahlen, ein verbleibender Unterschuss kann vom Unternehmer grundsätzlich nicht zurückgefordert werden (BAG, Urteil vom 09.06.2010, Az. 5 AZR 332/09, Abruf-Nr. 167217; Auslegungsfrage im Einzelfall). |
Andere Vergütungsformen neben oder statt der Provision
Neben oder statt der Provision können für die Versicherungsvermittlung auch andere Vergütungsarten vereinbart werden. Die drei wichtigsten sind:
Variable Vergütungsarten
Bei anderen variablen Vergütungsarten kann sich die Abgrenzung als schwierig erweisen, weil eine Provision nicht notwendig als solche bezeichnet werden muss.
Beispielsweise ist eine allgemeine Umsatz- oder Gewinnbeteiligung eng mit der Provision verwandt, unterscheidet sich jedoch von der Provision durch fehlenden Einzelgeschäftsbezug. Deshalb sind nach Ansicht des LAG Thüringen (Urteil vom 21.07.2009, Az. 1 Sa 211/08, Abruf-Nr. 188732) bei Provisionen auf erwirtschaftete Geldeingänge („Umsatzprovisionen“) die Kontrollrechte des § 87c HGB nicht einschlägig.
Mit Zielvereinbarungen oder Bonuszusagen wird die Erreichung besonderer Vertriebsziele honoriert. Die Bemessung ist Vereinbarungssache und in der Praxis denkbar vielgestaltig (Stückprämien, Festbeträge, Zusatzprämien bei Erreichen bestimmter Volumina etc.).
Zu beachten ist jedoch bereits jetzt, dass in Umsetzung der IDD die Zulässigkeit solcher Bonussysteme künftig wesentlich kritischer gesehen werden wird. So regelt Artikel 17 Abs. 3 IDD, dass keine Anreize durch Vergütung, Verkaufsziele oder in anderer Weise geschaffen werden dürfen, den Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl der Versicherungsvertreiber ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt anbieten könnte.
Fixum
Der Vertreter kann neben Provisionen auch eine feste Vergütung erhalten, insbesondere ein Fixum. Das Fixum mindert das unternehmerische Risiko des Vertreters. Oft werden auch einzelne festgelegte Zuschüsse für bestimmte Kosten des Vertreters gezahlt, um ihn beim Aufbau und dem Unterhalt einer Agentur zu unterstützen (etwa Bürokostenzuschuss). Die Einstellung solcher Zahlungen während einer lang laufenden Kündigungsfrist kann eine unzulässige Kündigungserschwernis darstellen (BGH, Urteil vom 05.11.2015, Az. VII ZR 59/14, Abruf-Nr. 182090).
Vergütung vom Kunden
Nach bisheriger Rechtsprechung des BGH konnte der Vertreter neben der Vergütung vom Unternehmer kein (weiteres) Entgelt vom Kunden verlangen (BGH, Urteil vom 23.11.1973, Az. IV ZR 34/73, Abruf-Nr. 188733).
In neuerer Zeit halten es mehrere Senate des BGH jedoch für zulässig, dass auch ein Vertreter sogenannte Nettopolicen ohne einkalkulierte Vergütung vermitteln und zugleich eine gesonderte Vergütungsvereinbarung mit dem Kunden abschließen kann. Das hat der BGH zu wettbewerbsrechtlichen Fragen (BGH, Urteil vom 06.11.2013, Az. I ZR 104/12, Abruf-Nr. 133893) und für das Verhältnis Kunde-Vertreter (BGH, Urteil vom 25.09.2014, Az. III ZR 440/13, Abruf-Nr. 143066) entschieden.
Wichtig | Offen geblieben ist allerdings bisher, ob ein solches „Modell“ überhaupt zivilrechtlich wirksam zwischen einem Produktgeber/Versicherer/Unternehmer und einem Handelsvertreter vereinbart werden kann (so BGH, Urteil vom 25.09.2014, Az. III ZR 440/13, Abruf-Nr. 143066).
Provision ist Vereinbarungssache
Die Vertragsparteien vereinbaren, welche Geschäfte in welcher Form auf welcher Basis und in welcher Höhe provisionspflichtig sind. Haben die Parteien keine ausdrückliche Regelung getroffen, gilt für Versicherungsvertreter, dass nur ein Provisionsanspruch für Geschäfte besteht, die auf ihre Tätigkeit zurückzuführen sind (§ 92 Abs. 3 HGB). Ist auch die Höhe der Provision nicht geregelt, so gilt der übliche Satz als vereinbart (§ 87b HGB).
PRAXISHINWEIS | Im Interesse der Rechtsklarheit sollte die Vereinbarung schriftlich fixiert sein, auch wenn sie formlos oder durch schlüssiges Handeln möglich ist. |
Schranken bzw. Grenzen von Provisionsvereinbarungen
Die Vereinbarung kann grundsätzlich frei getroffen werden. Schranken ergeben sich nur aus den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen (§§ 134, 138, 226 BGB, aufsichtsrechtliche Bestimmungen, etc.) sowie bei Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) aus den §§ 305 ff. BGB.
- Bei der Überprüfung einer Provisionsvereinbarung auf Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) kann nicht zu Lasten der Vereinbarung gewertet werden, dass es sich bei der Provision um eine Erfolgsvergütung handelt, deren Entstehung (auch) von außervertraglichen Umständen abhängt und in ihrer künftigen Höhe ungewiss ist. Denn das ergibt sich bereits aus dem Wesen der Provision. Die Provisionsvereinbarung an sich ist daher im Rahmen eines Vertretervertrags weder sittenwidrig noch ist sie unangemessen benachteiligend (BAG, Urteil vom 09.06.2010, Az. 5 AZR 332/09, Abruf-Nr. 167217).
- Bei der Inhaltskontrolle von Provisionsvereinbarungen anhand des AGB-Rechts ist zunächst zu beachten, dass die vertragliche Festlegung der Provisionshöhe an sich als Preisabsprache kontrollfrei bleibt (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB; BGH, Urteil vom 25.09.2002, Az. VIII ZR 253/99, Abruf-Nr. 021741; Ausnahme: Transparenzgebot, § 307 Abs. 3 S. 2 BGB).
- Wichtig | Preisnebenabreden wie auch Klauseln, die nur vordergründig den Anschein einer Vergütungsregelung erwecken, tatsächlich jedoch einen anderen Zweck verfolgen, unterliegen aber der Inhaltskontrolle (insbesondere die Regelung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB, BGH, Urteil vom 25.09.2002, Az. VIII ZR 253/99, Abruf-Nr. 021741).
Provisionsvereinbarung maßgeblich für Provisionskontrollrechte
Die Provisionsvereinbarung bestimmt auch den Umfang bzw. Inhalt der dem Versicherungsvertreter gemäß § 87c HGB zustehenden Provisionskontrollrechte. Insbesondere ergibt sich aus der Vereinbarung, was provisionsrelevant und daher in einen Buchauszug aufzunehmen ist (BGH, Urteil vom 21.03.2001, Az. VIII ZR 149/99, Abruf-Nr. 010575).
Entstehung des Provisionsanspruchs
Grundlegend für die Entstehung des Provisionsanspruchs ist der Abschluss eines Geschäfts. Das Geschäft muss also wirksam zustande kommen. Sprich: Es bedarf übereinstimmender Willenserklärungen des Kunden und des Versicherers ‒ in der Versicherungswirtschaft im Regelfall dokumentiert durch Antrag und Versicherungsschein. Nur ein abgeschlossenes Geschäft bildet die Grundlage für den Versicherer, den erstrebten Vorteil vom Kunden (Zahlung der Prämie) fordern zu können, an dem der Versicherungsvertreter in Form von Provisionen partizipiert.
Lehnt der Versicherer vor Vertragsschluss das Geschäft ab, so fehlt es bereits an der Voraussetzung für die Entstehung eines Provisionsanspruchs. Der Versicherer ist grundsätzlich frei darin, ein angetragenes Geschäft anzunehmen oder abzulehnen (vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2006, Az. VIII ZR 384/04, Abruf-Nr. 061497). Die Grenze bildet allerdings das Willkürverbot. In der Praxis entscheiden Versicherer oft nach Annahmerichtlinien anhand der Angaben des (künftigen) Versicherungsnehmers darüber, ob sie das angetragene Risiko in Deckung nehmen möchten.
Ficht der Versicherer den Versicherungsvertrag wirksam an, ist das Geschäft von Anfang an nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB). Das würde auch außerhalb von Stornohaftzeiten eigentlich zu einer Rückabwicklung des Vertrags einschließlich Prämienerstattung führen. Abweichend davon ordnet § 39 Abs. 1 S. 2 VVG allerdings für die Sonderfälle eines Rücktritts aufgrund des § 19 Abs. 2 VVG und einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung an, dass dem Versicherer die Prämie bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zusteht. Es spricht viel dafür, dass der Versicherungsvertreter in diesem Fall auch den entsprechenden Provisionsteil behalten darf, auch wenn es an einem wirksamen Geschäft fehlt (näher dazu Christoph/Effenberger, VersR 2007, 593).
Fälligkeit des Provisionsanspruchs
Nach der Grundregel des § 92 Abs. 4 HGB wird der Provisionsanspruch fällig, wenn und soweit der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision berechnet.
In der Praxis werden oft abweichende Fälligkeitszeitpunkte vereinbart, etwa Policierung oder Vertragsbeginn. Das geschieht insbesondere dann, wenn die Abschlussprovision diskontiert ausgezahlt wird.
Verspätete oder ausbleibende Provisionszahlung
Über die fälligen Provisionen und Vorschüsse muss der Versicherer in der Regel monatlich abrechnen (§ 87c Abs. 1 HGB). Versäumt es der Versicherer gegenüber der Agentur, rechtzeitig abzurechnen und/oder die sich aus der Abrechnung ergebenden Provisionen auszuzahlen, so stellt dies eine Vertragspflichtverletzung dar.
Eine solche Vertragspflichtverletzung kann den Versicherungsvertreter nach den Umständen des Einzelfalls zur fristlosen Kündigung berechtigen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.09.2008, Az. I-16 U 217/06, Abruf-Nr. 189272). Der Vertreter muss den Versicherer zuvor aber abgemahnt haben.
Daneben kann der Vertreter seine Provisionsansprüche auch gerichtlich verfolgen. Soweit fällige Ansprüche für ihn bereits bezifferbar sind, weil sie sich beispielsweise aus einer Abrechnung des Versicherers ergeben, kann die Klage auf Zahlung des ausstehenden Betrags gerichtet werden.
Hilfsrechte des § 87c HGB
Oft herrscht jedoch Unklarheit darüber, ob und, wenn ja, in welcher Höhe dem Vertreter noch Provisions(nachforderungs)ansprüche zustehen. Der Gesetzgeber hat dem Vertreter daher mehrere unabdingbare Hilfsrechte zur Seite gestellt, die es ihm erleichtern sollen, seine Ansprüche zu prüfen und durchzusetzen. Der Vertreter hat danach Anspruch
- auf Erteilung einer Provisionsabrechnung (§ 87c Abs. 1 HGB),
- auf Erteilung eines Buchauszugs über alle Geschäfte, für die ihm Provision gebührt (§ 87c Abs. 2 HGB),
- ggf. auf ergänzende Auskünfte (§ 87c Abs. 3 HGB) und
- bei Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnungen oder des Buchauszugs ein Recht auf Bucheinsicht (§ 87c Abs. 4 HGB).
Provisionsabrechnung
Durch die Provisionsabrechnung soll der Vertreter in die Lage versetzt werden, unter Vergleich mit seinen eigenen Unterlagen zu prüfen, ob ihm alle verdienten Provisionen gutgeschrieben sind. Ein Anspruch auf Abrechnung steht dem Vertreter daher auch dann zu, wenn er aus eigenen Unterlagen allein feststellen könnte, welche Provisionsansprüche ihm zustehen (BGH, Urteil vom 13.03.1961, Az. VII ZR 35/60).
Die Provisionsabrechnung ist die Mitteilung des Versicherers, in welcher Höhe dem Vertreter nach Auffassung des Versicherers ein Provisionsanspruch zusteht und wie sich dieser Provisionsanspruch zusammensetzt und errechnet (BGH, Urteil vom 07.02.1990, Az. IV ZR 314/88, Abruf-Nr. 189273). Sie muss deshalb in klarer und übersichtlicher Weise alle für die Berechnung der Provision wesentlichen Angaben enthalten.
Die Provisionsabrechnung ist ein abstraktes Schuldanerkenntnis des Versicherers (§ 781 BGB; vgl. BT-Drucks. 1/3856, 29). Der Versicherer muss deshalb nur diejenigen Provisionsansprüche in die Abrechnung aufnehmen, die er glaubt, anerkennen zu können, und die er erfüllen will. Ist er der Meinung, der Vertreter habe im Abrechnungszeitraum keine Provisionen verdient, genügt er der Abrechnungspflicht durch eine Mitteilung, dass kein Provisionsanspruch entstanden sei (BGH, Urteil vom 07.02.1990, Az. IV ZR 314/88, Abruf-Nr. 189273).
PRAXISHINWEIS | Hält der Vertreter die ihm zugegangene Abrechnung für falsch, kann er keine neue verlangen. Er muss vielmehr die weiteren Kontrollrechte des § 87c HGB und letztlich den nach seiner Ansicht geschuldeten Differenzbetrag geltend machen (BGH, Urteil vom 07.02.1990, Az. IV ZR 314/88, Abruf-Nr. 189273; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.1999, Az. 16 U 250/97, Abruf-Nr. 189274). |
Die Parteien können sich über die dem Vertreter zustehenden Provisionsansprüche einigen. Das hat zur Folge, dass die Kontrollrechte des § 87c HGB entfallen. An die Feststellung einer solchen Einigung werden aber strenge Anforderungen gestellt. Es bedarf einer eindeutigen Willenserklärung des Vertreters. In der widerspruchslosen Hinnahme der Abrechnung durch den Vertreter liegt in aller Regel keine Einigung über Provisionsansprüche bzw. eine Verwirkung oder ein Verzicht auf weitergehende Kontrollrechte (BGH, Urteil vom 29.11.1995, Az. VIII ZR 293/94, Abruf-Nr. 96388). Dies gilt auch, wenn der Vertreter über mehrere bzw. viele Jahre untätig geblieben ist.
Wichtig | Nach wie vor finden sich in Versicherungsvertreterverträgen vielfach sogenannte Anerkenntnisfiktionen. Diese lauten sinngemäß: Wenn der Vertreter nicht binnen einer bestimmten Frist Widerspruch gegen die Abrechnung erhebt, gilt diese als anerkannt. Solche Fiktionen sind wegen der Unmöglichkeit eines Vorausverzichts nach § 87c Abs. 5 HGB unwirksam (BGH, Urteil vom 29.11.1995, Az. VIII ZR 293/94, Abruf-Nr. 96388).
Buchauszug
Der Buchauszug dient dazu, dem Vertreter Klarheit über seine Provisionsansprüche zu verschaffen und ihm eine Nachprüfung der vom Versicherer erteilten Provisionsabrechnungen zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 21.03.2001, Az. VIII ZR 149/99, Abruf-Nr. 010575).
Der Buchauszug dient hingegen nicht der Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB (BGH, Urteil vom 03.04.1996, Az. VIII ZR 54/95, Abruf-Nr. 189275).
Wichtig | Einzige Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Vertreter vom Versicherer einen Buchauszug verlangt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.10.2001, Az. 16 U 44/01, Abruf-Nr. 020549). Das ist jederzeit vor und nach Vertragsende möglich. Der Buchauszug muss jedoch nicht unaufgefordert erteilt werden (BGH, Urteil vom 13.03.1961, Az. VII ZR 35/60).
Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung sind nicht notwendig, um einen Buchauszug verlangen zu können. Darin unterscheidet sich der Anspruch auf Buchauszug vom Anspruch auf Bucheinsicht (BGH, Urteil vom 31.01.1979, Az. I ZR 8/77).
Der Buchauszug muss die im Zeitpunkt seiner Aufstellung für die Berechnung, die Höhe und die Fälligkeit der Provisionen relevanten Geschäftsverhältnisse vollständig widerspiegeln, soweit sie sich aus den Büchern des Versicherers entnehmen lassen. Welche Angaben im Einzelfall für die Provision von Bedeutung sind, hängt von der zwischen den Parteien des Vertretervertrags geltenden Provisionsregelung ab.
Diese ergibt sich wiederum aus
- der zwischen den Parteien getroffenen Provisionsvereinbarung,
- den dispositiven gesetzlichen Vorschriften, soweit eine besondere Vereinbarung nicht getroffen wurde.
Alle danach für die Provision bedeutsamen Umstände sind in den Buchauszug aufzunehmen. Dies gilt allerdings nur für solche Umstände, die die Geschäftsbeziehung zwischen Versicherer und Kunden betreffen. Nicht wiederzugeben sind Tatsachen, die allein dem Vertragsverhältnis zwischen Versicherer und Vertreter entspringen, z. B. Provisionssatz und Provision (BGH, Urteil vom 21.03.2001, Abz. VIII ZR 149/99, Abruf-Nr. 010575).
Ist die Provisionsberechtigung für ein bestimmtes Geschäft streitig, ist dieses Geschäft zunächst im Buchauszug aufzuführen (OLG Bamberg, Urteil vom 16.05.2003, Az. 6 U 62/02, Abruf-Nr. 189276; OLG Hamburg, Urteil vom 11.10.2000, Az. 4 U 36/00, Abruf-Nr. 189277; OLG München, Urteil vom 04.05.2006, Az. 23 U 5886/05, Abruf-Nr. 189278). Nur zweifelsfrei nicht provisionspflichtige Geschäfte dürfen unberücksichtigt bleiben.
Wichtig | Entsprechend enthält der Buchauszug keine Vorwegnahme der Entscheidung darüber, ob ein bestimmtes aufgeführtes Geschäft provisionspflichtig ist (BGH, Urteil vom 23.02.1989, Az. I ZR 203/87).
Der Versicherer kann sich gegenüber einem Buchauszugsverlangen nicht darauf berufen, Daten zu Geschäftsvorfällen befänden sich nur bei einem Schwesterunternehmen. Ist der Vertreter kraft vertretervertraglicher Regelungen berechtigt, auch Produkte dieses Schwesterunternehmens zu vermitteln, rechnet der Versicherer hierfür Provisionen ab und zahlt sie aus, muss er sich diese entsprechenden Unterlagen vom Produktpartner beschaffen (BGH, Urteil vom 21.03.2001, Az. VIII ZR 149/99, Abruf-Nr. 010575).
Der Anspruch auf Buchauszug besteht neben dem Anspruch auf Provisionsabrechnung. Abrechnungen können einen Buchauszug nur dann ersetzen, wenn sie sich lückenlos über den gesamten Vertragszeitraum erstrecken und
- alle in einen Buchauszug aufzunehmenden Angaben enthalten oder
- der Versicherer mit ihrer Überlassung alle Angaben macht, die für einen ordnungsgemäßen Buchauszug erforderlich sind (BGH, Urteil vom 23.10.1981, Az. I ZR 171/79).
Wichtig | Das ist in der Praxis kaum einmal der Fall (so etwa BGH, Urteil vom 21.03.2001, Az. VIII ZR 149/99, Abruf-Nr. 010575: Es fehlten Angaben zur Stornierung von Verträgen).
Der Buchauszug ist Sache des Versicherers und von diesem auf eigene Kosten zu erbringen. Es ist nicht Sache des Vertreters, sich aus der Gesamtheit der ihm übermittelten Abrechnungen und Belege einen Buchauszug zusammenzustellen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.05.1996, Az. 16 U 172/95, Abruf-Nr. 189279; OLG Köln, Urteil vom 19.03.1999, Az. 4 U 42/98, Abruf-Nr. 000972; OLG München, Urteil vom 04.05.2006, Az. 23 U 5886/05, Abruf-Nr. 189278).
Auch die Online-Anbindung eines Vertreters an Systeme und Datenbanken des Versicherers entbindet den Versicherer in aller Regel nicht von der Erstellung und Überlassung eines Buchauszugs. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Buchauszug erst nach Vertragsende verlangt wird und die Verbindung nicht mehr besteht (OLG Köln, Urteil vom 19.03.1999, Az. 4 U 42/98, Abruf-Nr. 000972).
Ergänzende Auskunft
Der ‒ praktisch wenig bedeutsame ‒ Auskunftsanspruch des § 87c Abs. 3 HGB ergänzt die Regelungen zur Provisionsabrechnung und zum Buchauszug. Er greift, wenn trotz Abrechnung und Buchauszug noch provisionsrelevante Fragen offen bleiben (BT-Drucks. 1/3856, 29). Das ist der Fall, wenn sich provisionsrelevante Umstände nicht aus den schriftlichen Geschäftsunterlagen des Versicherers ergeben und daher nicht Gegenstand des Buchauszugs sein können (BGH, Urteil vom 21.03.2001, Az. VIII ZR 149/99, Abruf-Nr. 010575).
Bucheinsicht
Das Recht auf Bucheinsicht ist das am weitesten gehende Kontrollrecht des Vertreters (BGH, Urteil vom 13.07.1959, Az. II ZR 192/57). Die Voraussetzungen aus § 87c Abs. 4 HGB müssen erfüllt sein, um einen Anspruch auf Bucheinsicht erfolgreich durchsetzen zu können:
- Der Versicherer verweigert den Buchauszug, oder
- es bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der Abrechnungen oder des Buchauszugs. Die Zweifel müssen dabei objektiv begründet sein (BGH, Urteil vom 01.12.1978, Az. I ZR 7/77). Es reichten begründete Zweifel in einem Punkt (OLG Celle, Urteil vom 20.10.1961, Az. 11 U 46/61; vgl. auch BT-Drucks. 1/3856, 29).
Daraus folgt wiederum: Der Anspruch auf Bucheinsicht kann nicht gleichzeitig neben den Kontrollrechten der Absätze 1 bis 3 des § 87c HGB geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 24.06.1971, Az. VII ZR 223/69).
PRAXISHINWEIS | In der Praxis empfiehlt sich in aller Regel die Geltendmachung der Kontrollrechte in der Reihenfolge des § 87c HGB. Grund dafür ist, dass der Buchauszug auf Kosten des Versicherers zu erstellen ist. Die Kosten der Bucheinsicht trägt hingegen zunächst der Vertreter; sie können lediglich als Schadenersatz zu erstatten sein, wenn die Bucheinsicht ein positives Ergebnis hat (BGH, Urteil vom 13.07.1959, Az. II ZR 192/57; Urteil vom 01.12.1978, Az. I ZR 7/77). |
Verjährung
Seit der Streichung des § 88 HGB gilt auch für Provisionsansprüche des Handelsvertreters die regelmäßige, allgemein-zivilrechtliche Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem
- der Anspruch entstanden ist und
- der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB).
Ohne das Vorliegen von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis verjähren die Ansprüche erst in zehn Jahren von ihrer Entstehung an (§ 199 Abs. 4 BGB).
Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von Provisionsansprüchen
Wann Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von Provisionsansprüchen vorliegt, hat die Rechtsprechung noch nicht umfangreich herausgearbeitet.
- Man wird Kenntnis bejahen können, soweit über Provisionsansprüche bereits abgerechnet wurde, oder wenn sich der Vertreter selbst weiterer Ansprüche berühmt, die bislang nicht oder nicht ordnungsgemäß abgerechnet wurden (OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 18.11.2013, Az. 11 U 130/13, Abruf-Nr. 189771).
- Mit Blick auf § 92 Abs. 4 HGB könnte Kenntnis bzw. zumindest grob fahrlässige Unkenntnis auch darauf gestützt werden, dass der Versicherungsvertreter das provisionspflichtige Geschäft selbst vermittelt und vom Versicherer beispielsweise eine Policenkopie erhalten hat. Der Abschluss des zugrunde liegenden Geschäfts wäre selbst dann bekannt, wenn dieses Geschäft in der Provisionsabrechnung nicht auftaucht.
- Eher zu verneinen wäre Kenntnis z. B., wenn der Vertreter (auch) Differenzprovisionen auf vermittelte Geschäfte der organisatorisch zugeordneten Untervermittler erhält.
Provisionskontrollrechte und Verjährung
Praktisch wichtig ist aber auch die Vorfrage, inwieweit die dem Handelsvertreter zustehenden Provisionskontrollrechte ihrerseits verjähren. Insoweit ist anerkannt, dass die Hilfsrechte des § 87c HGB jeweils selbstständig verjähren (BGH, Urteil vom 01.12.1978, Az. I ZR 7/77, Abruf-Nr. 189772; OLG Stuttgart, Urteil vom 17.02.2016, Az. 3 U 118/15, Abruf-Nr. 187109).
Wichtig | Seit der Streichung des § 88 HGB war allerdings umstritten, wann die Verjährung insbesondere des Buchauszugsanspruchs beginnt. Diese Streitfrage hat der BGH entschieden: Der Anspruch des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs verjährt selbstständig in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs beginnt regelmäßig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die diesem zustehende Provision erteilt hat (BGH, Urteil vom 03.08.2017, Az. VII ZR 32/17, Abruf-Nr. 196065).
Das wesentliche Argument für den BGH: Eine abschließende Abrechnung über die dem Vertreter zustehende Provision ohne Einschränkungen und Vorbehalte enthält auch die stillschweigende Erklärung, dass keine weiteren Provisionsansprüche des Vertreters bestehen. Ist der Vertreter anderer Ansicht bzw. möchte er dies prüfen, kann er den Buchauszug geltend machen. Den BGH überzeugten folgende Argumente von Vertreterseite nicht:
- Dass der Vertreter dann regelmäßig gezwungen ist, im laufenden Vertragsverhältnis einen Buchauszugsanspruch geltend zu machen, bei Vorliegen von Verjährungsabkürzungsklauseln sogar in kurzen Abständen, und dass der Vertreter davon regelmäßig absehen wird, um den Vertrag nicht zu gefährden;
- Dass es so zu der folgenden absurden Situation kommen kann:
- Der Vertreter erfährt von Provisionsansprüchen z. B. zufällig erst später. Sie sind nicht abgerechnet worden. Daher unterfallen diese Ansprüche mangels vorheriger Kenntnis der zehnjährigen Verjährungsfrist.
- Er kann sie aber nicht mehr mit Hilfe eines Buchauszugs genau beziffern und durchsetzen, weil der Buchauszugsanspruch verjährt ist.
Das OLG München hat die Rechtsprechung des BGH auf den Buchauszugsanspruch des Versicherungsvertreters übertragen. Entsprechend hat das OLG den Anspruch auf Buchauszug auf die dreijährige Verjährungsfrist zum Jahresende begrenzt. Ausschlaggebend für die Fälligkeit und Kenntnis war, dass der Versicherer abschließende Provisionsabrechnungen erteilt hatte. Weiter zurückreichende Buchauszugsansprüche des Vertreters hat es abgewiesen (OLG München, Urteil vom 21.12.2017, Az. 23 U 1488/17, Abruf-Nr. 199942).
PRAXISHINWEISE |
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Abtretung der Provisions- und Hilfsansprüche
Provisionsansprüche können abgetreten und/oder verpfändet bzw. gepfändet werden. Das Recht zur Abtretung oder Verpfändung kann allerdings vertretervertraglich eingeschränkt werden.
Eine weitere wichtige Beschränkung ergibt sich auch aus Strafvorschriften: Die Abtretung von Provisionsansprüchen eines Versicherungsvertreters, der Personenversicherungen vermittelt, ist gemäß §§ 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB, 134 BGB unzulässig und damit nichtig. Hintergrund ist folgender: Der Abtretende müsste dem Empfänger eigentlich nach § 402 BGB die zur Geltendmachung der abgetretenen Forderung nötigen Auskünfte erteilen. Diese unterliegen jedoch ‒ auch für den Versicherungsvermittler ‒ der strafbewehrten Geheimhaltung gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB (BGH, Urteil vom 10.02.2010, Az. VIII ZR 53/09, Abruf-Nr. 100804).
Wichtig | Die Hilfsansprüche des § 87c HGB, also Ansprüche auf Abrechnung, Buchauszug, ergänzende Auskunft und Bucheinsicht, können nicht isoliert abgetreten werden. Das geht nur gemeinsam mit den zugrunde liegenden Provisionsforderungen (OLG Hamm, Urteil vom 21.03.1997, Az. 35 U 24/96, Abruf-Nr. 190059).
Provisionsverzicht
Versicherungsvertreterverträge enthalten in der Regel eine sogenannte Provisionsverzichtsklausel.
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Mit Beendigung des Vertragsverhältnisses erlischt jeder Anspruch des Vertreters gegen das Unternehmen auf Provisionen ‒ auch im Hinblick auf künftige Dynamikerhöhungen ‒ oder sonstige Vergütungen. Ausgenommen hiervon sind etwaige Ansprüche aus § 87 Abs. 3 und § 89b HGB. |
Ohne eine solche Klausel könnten insbesondere Vermittlungsfolgeprovisionen auch nach Vertragsende weiter zu zahlen sein. Die Vereinbarung einer Provisionsverzichtsklausel wurde daher in der Rechtsprechung als Bedingung für das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs angesehen (ohne Klausel keine Verluste an ausgleichsrelevanten Vermittlungsprovisionen: vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2002, Az. VIII ZR 211/01, Abruf-Nr. 030027; Details zur Abgrenzung zwischen Vermittlungs- und Verwaltungsprovisionen siehe oben).
PRAXISHINWEIS | Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat Provisionsverzichtsklauseln im Bereich der Versicherungsvermittlung jahrzehntelang als wirksam angesehen. Allerdings wird man nach einer Entscheidung des BGH vom 21.10.2009 (Az. VIII ZR 286/07, Abruf-Nr. 093823) heute kritischer prüfen müssen, ob die Klausel dem Vertreter zwingende Provisionsansprüche, die aus den Absätzen 2 und 3 des § 87a HGB resultieren können, belässt oder ebenfalls abschneiden kann. Ist letzteres der Fall, könnte eine solche Klausel gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen und damit unwirksam sein (vgl. aber OLG Köln, Urteil vom 12.02.2010, Az. 19 U 105/09, Abruf-Nr. 189776: Das OLG bejaht die Wirksamkeit auch nach der Entscheidung des BGH). |
Provisionsverzichtsklausel und Dynamikprovisionen
Enthält eine Provisionsverzichtsklausel keine ausdrückliche Regelung zum Ausschluss von Dynamikprovisionen, können diese auch nach Vertragsende fortzuzahlen sein, wenn die Auslegung der Klausel das ergibt (bejahend etwa OLG Köln, Urteil vom 01.08.2003, Az. 19 U 39/02, Abruf-Nr. 032007 und OLG Köln, Urteil vom 28.05.2004, Az. 19 U 247/01, Abruf-Nr. 189778; verneinend OLG Nürnberg, Urteil vom 10.09.2003, Az. 12 U 896/03, Abruf-Nr. 189779).
LVRG ‒ Verluste an ratierlich auszubezahlenden Abschlussprovisionen
Bei einigen Gesellschaften wurden infolge der LVRG-Vorgaben Provisionssysteme im Lebensversicherungsbereich neu eingeführt. Diese neuen Provisionssysteme können dazu führen, dass Verluste an ratierlich auszubezahlenden Abschlussprovisionen durch das Ende des Handelsvertretervertrags entstehen, wenn die Provisionsverzichtsklausel angewendet wird.
PRAXISHINWEIS | Vertretern, die mit Ende des Handelsvertretervertrags Verluste an ratierlich auszubezahlenden Abschlussprovisionen erleiden, sollten überlegen, die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs im Lebensversicherungsbereich auf diese Provisionsverluste zu stützen ‒ statt auf die „Grundsätze Leben“. |
Grundsätze zur Stornohaftung
Das gesetzliche Leitbild hinsichtlich des Provisionsanspruchs des Versicherungsvertreters geht davon aus, dass der Anspruch erst besteht, wenn und soweit der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision berechnet (§ 92 Abs. 4 HGB).
Da die Provision aber oft diskontiert ausgezahlt wird, haftet der Vertreter im Grundsatz für die Rückzahlung von vorschüssig ausgezahlten Provisionsanteilen, wenn Störungen im vermittelten Versicherungsvertragsverhältnis auftreten.
Enge gesetzliche Regeln für Provisionsrückbelastungen
Allerdings sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Berechtigung zu Provisionsrückbelastungen eng. Gemäß § 87a Abs. 3 HGB besteht auch dann Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Der Anspruch auf Provision entfällt nur, wenn und soweit dies auf Umständen beruht, die der Versicherer nicht zu vertreten hat.
Mit Rücksicht auf Besonderheiten, die sich aus der Natur des Versicherungsverhältnisses ergeben, ist anerkannt, dass der Versicherer im Regelfall nicht gehalten ist, im Klagewege gegen säumige Versicherungsnehmer vorzugehen, wenn außergerichtliche Maßnahmen erfolglos geblieben sind.
Die Nichtausführung (Stornierung) des Vertrags hat der Versicherer vielmehr schon dann nicht zu vertreten, wenn er notleidende Verträge im gebotenen Umfang nachbearbeitet hat (BGH, Urteil vom 01.12.2010, Az. VIII ZR 310/09, Abruf-Nr. 110310).
Pflicht zur Nachbearbeitung ‒ Wahlrecht des Versicherers
Art und Umfang der dem Versicherer obliegenden Nachbearbeitung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Versicherer kann
- entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen,
- oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten.
Eigene Maßnahmen des Versicherers zur Stornoabwehr
Ergreift das Unternehmen eigene Maßnahmen, müssen diese nach Art und Umfang ausreichend sein. Das bloße Versenden einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger etwa ist keine ausreichende Maßnahme.
Stornogefahrmitteilungen an den Abschlussvermittler müssen diesen inhaltlich in die Lage versetzen, seinerseits Stornogefahrabwehrmaßnahmen zu ergreifen. Sie müssen so rechtzeitig versandt werden, dass bei normalem Verlauf mit deren rechtzeitigem Eingang zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 28.06.2012, Az. VII ZR 130/11, Abruf-Nr. 122324; OLG Köln, Beschluss vom 13.11.2014, Az. 19 U 99/14, Abruf-Nr. 189781 zu Stornogefahrmitteilungen in der Anlage zu Provisionsabrechnungen).
Ausnahme von der Pflicht zur Nachbearbeitung
Nachbearbeitungsmaßnahmen sind ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine ordnungsgemäße Bearbeitung von vorneherein nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn
- der VN zahlungsunfähig ist oder
- wenn sein versichertes Interesse wegfällt, z. B., weil er das versicherte Gewerbe aufgegeben hat (OLG Zweibrücken, Urteil vom 24.05.2011, Az. 8 U 158/08, Abruf-Nr. 140137; OLG Brandenburg, Urteil vom 07.10.2010, Az. 12 U 96/09, Abruf-Nr. 103644).
Nachbearbeitung bei „Kleinstornos“
Streitig ist das Bestehen und der Umfang von Nachbearbeitungspflichten bei „Kleinstornos“, also bei Verträgen mit geringfügigen Prämien- oder Provisionsrückbelastungsbeträgen (vgl. hierzu etwa (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017, Az. I-16 U 32/16, Abruf-Nr. 192124, BAG, Urteil vom 21.01.2015, Az. 10 AZR 84/14, Abruf-Nr. 176593; OLG Brandenburg, Urteil vom 07.10.2010, Az. 12 U 96/09, Abruf-Nr. 103644; OLG Zweibrücken, Urteil vom 24.05.2011, Az. 8 U 158/08, Abruf-Nr. 140137; LG Hannover, Urteil vom 18.08.2010, Az. 10 O 15/09, Abruf-Nr. 192184).
Wichtig | Auch hinsichtlich dieses Themenkreises steht eine klarstellende Entscheidung des BGH noch aus.
Versicherer muss Rückforderungsverlangen darlegen und beweisen
Wesentlich für eine streitige Auseinandersetzung um Provisionsrückforderungen ist auch, wie die Darlegungs- und Beweislast im Prozess verteilt ist.
Der rückfordernde Versicherer muss die Berechtigung der Rückforderung im Einzelnen darstellen und im Bestreitensfall nachweisen (BGH, Urteile vom 28.06.2012, Az. VII ZR 130/11, Abruf-Nr. 122324 und 01.12.2010, Az. VIII ZR 310/08, Abruf-Nr. 110310).
Das BAG hat die Anforderungen, wie ein schlüssig begründetes Rückforderungsverlangen aussehen sollte, noch einmal zusammengefasst (BAG, Urteil vom 21.01.2015, Az. 10 AZR 84/14, Abruf-Nr. 176593). Der Versicherer muss demnach darlegen,
- für welchen Vertrag
- Provision/Superprovision in welcher Höhe
- als Vorschuss gezahlt wurde,
- für welche Prämie der Provisionsanspruch entsteht,
- inwieweit es nicht zur Prämienzahlung durch den Versicherungsnehmer gekommen ist und
- welche Auswirkungen dies
- nach welchen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien
- auf den Provisionsanspruch des Vermittlers hat, und zwar
- für Rückforderungen in jeder Höhe (auch bei Kleinstorni) und unter Darlegung der
- ordnungsgemäßen
- Nachbearbeitung
- des einzelnen notleidenden Versicherungsvertrags.
Vorgerichtlich sollten die vorstehenden Umstände bereits aus einem Buchauszug ersichtlich bzw. anhand der vertraglichen Regelungen überprüfbar sein.
Wichtig | Umso wichtiger ist es, klare und nachvollziehbare, schriftliche Regelungen zur Provision und zur Stornohaftung zu vereinbaren, damit zumindest die Regeln, nach denen sich die Rückbelastungshöhe errechnet, dem Streit entzogen werden. Dies gilt auch und gerade in Handelsvertreterver-tragsverhältnissen zwischen Untervertretern und Agenturen.