· Fachbeitrag · Photovoltaikanlagen
Nach dem Auslaufen der Einspeisevergütung: Neue Möglichkeiten für „alte“ Photovoltaikanlagen
von Diplom-Finanzwirt (FH) Michael Heine, LL.M., Heidenau
| Im Jahr 2001 sind erstmals Photovoltaikanlagen in größerer Anzahl auf eigengenutzten Wohnimmobilien in Betrieb genommen worden. Für diese „Photovoltaik-Pioniere“ läuft 2021 der Zeitraum von 20 Jahren ab, bis zu dem die Einspeisevergütung garantiert war. Wie geht es nach dem Wegfall der staatlich garantierten Einnahmen für diese „Altanlagen“ weiter? SSP zeigt, welche einkommensteuerlichen Folgen die vier Optionen haben, die Anlagenbetreibern offenstehen. |
Option 1: Einspeisen mit Direktvermarktung
Wer mit seiner Photovoltaikanlage weiter Strom produziert und im Wege der Direktvermarktung ins Stromnetz einspeist, erzielt weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Absicht, mit der Anlage Gewinn zu erzielen, war bei diesen Altanlagen allein durch die Inbetriebnahme nachgewiesen worden.
Gewinnerzielungsabsicht immer noch gegeben?
Jetzt kann es ein, dass das Finanzamt erneut den Nachweis der Gewinnerzielungsabsicht in Gestalt einer Prognoseberechnung einfordert. Der Gewinn hängt maßgeblich von den Einnahmen ab, die über die Direktvermarktung des Stroms künftig erreicht werden können.
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Sie haben im Januar 2001 auf Ihrem Eigenheim eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 8 kWp in Betrieb genommen. Für den eingespeisten Solarstrom haben Sie 20 Jahre lang ‒ bis Ende 2020 ‒ eine garantierte Einspeisevergütung von ca. 44 Cent pro kWh bekommen. Mit der Anlage konnten Sie jährlich 800 kWh pro kWp erzeugen, d. h. 6.400 kWh. Bei vollständiger Einspeisung haben Sie dafür jedes Jahr 2.816 Euro eingenommen. Ab Januar 2021 fallen diese Einnahmen weg. Sie schließen deshalb einen Vertrag zur Direktvermarktung, der Ihnen nur noch fünf Cent pro kWh (= 320 Euro im Jahr) einbringt. Alternativ zur Direktvermarktung können Sie nach dem neugefassten EEG 2021 übergangsweise bis 2027 den Strom weiter direkt an den Netzbetreiber liefern. Sie erhalten dafür den Marktwert des Stroms abzüglich der Vermarktungskosten des Netzbetreibers. In 2020 waren das acht Cent pro kWh (= 512 Euro). Die Prognoseberechnung wird also, wenn überhaupt, dann nur einen geringen Gewinn ausweisen. |
Finanzamt mit neuer Rechtsprechung konfrontieren
Die Finanzverwaltung hat sich zum Zeitraum der Gewinnprognose bisher nicht geäußert. Dabei ist auf die Restnutzungsdauer der Photovoltaikanlage abzustellen. Aus Herstellerkreisen werden technologieabhängig Gesamtnutzungsdauern von 30 Jahren proklamiert. Nach Ablauf des Vergütungszeitraums könnte demnach eine Restnutzungsdauer von zehn Jahren geschätzt werden. Für diesen Zeitraum müssen Sie die Totalgewinnprognose erstellen.
Beziehen Sie sich auf eine Entscheidung des FG Thüringen, wenn diese Prognoserechnung einen Verlust ergibt. Danach spricht beim Betrieb einer Photovoltaikanlage der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass diese mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Mit anderen Worten: Sie betreiben diese Anlage nicht zum Spaß. Auch künftige Verluste können Sie daher mit anderen Einkünften steuermindernd ausgleichen (FG Thüringen, Urteil vom 11.09.2019, Az. 3 K 59/18, Abruf-Nr. 219632).
Option 2: Ergänzung der Anlage um Batteriespeicher
Ältere Photovoltaikanlagen sind oft ohne Batteriespeicher in Betrieb genommen worden, weil die Speichertechnologie damals noch nicht zur Verfügung stand. Ergänzen Sie die Anlage nach Ablauf der Einspeisevergütung um einen Batteriespeicher, unterstellt die Finanzverwaltung, dass der Erwerb des Batteriespeichers nur dazu dient, den Privatverbrauch des produzierten Stroms zu erhöhen. Folge: Der Batteriespeicher wird nicht Ihrem Betriebsvermögen zugeordnet. Seine Anschaffungskosten stellen keine Betriebsausgaben dar.
PRAXISTIPP | Die Arbeits- und Lieferkosten für den Einbau des Speichers stellen bei Ihnen aber abzugsfähige Handwerkerleistungen nach § 35a EStG dar. |
Option 3: Nachrüsten der „Altanlage“
Die Hersteller von Photovoltaikmodulen gehen in ihren Garantiebedingungen davon aus, dass sich die Leistung der Anlage nach 20 Betriebsjahren um 20 Prozentpunkte auf 80 Prozent mindert. Irgendwann stehen also Instandsetzungen an. Hier kommen aus steuerlicher Sicht zwei Maßnahmen in Frage:
1. Substanzerhaltende Maßnahme
Sie lassen die Anlage technisch überholen oder Teile austauschen, um den Leistungsabfall auszugleichen. Diese Kosten stellen sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen dar. Die neuen Bauteile erfüllen den Zweck der bisherigen Bestandteile. Die Photovoltaikanlage wird durch den Austausch weder erweitert noch über eine Substanzerhaltung hinaus verbessert.
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Nach Auslaufen der Einspeisevergütung tauschen Sie ein defektes Solarmodul der Anlage (Kosten: 600 Euro) und den Wechselrichter (Kosten: 700 Euro) aus. Die Aufwendungen sind sofort abzugsfähige Betriebsausgaben. |
2. Austausch führt zu neuem Wirtschaftsgut
Tauchen Sie aber wesentliche Bestandteile aus und erneuern die Anlage in wesentlichem Umfang, schaffen Sie dadurch steuerlich ein neues Wirtschaftsgut. Das müssen Sie neu abschreiben ‒ und können dafür sogar erneut
- den ‒ ab dem Jahr 2020 noch attraktiveren ‒ Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG und
- die 20-prozentige Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 6 EStG
in Anspruch nehmen.
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Bei Ihrer Anlage wird die garantierte Einspeisevergütung Ende 2021 auslaufen. Sie wollen deshalb im Jahr 2022 die Solarmodule durch neue Module ersetzen. Lediglich die Verankerung der Anlage im Hausdach und die Leitungen bleiben unverändert. Für diese Maßnahmen rechnen Sie im Jahr 2022 mit Aufwendungen in Höhe von 5.000 Euro.
Folge: Durch den vollständigen Austausch der Solarmodule als wesentlicher Bestandteil der Anlage schaffen Sie ein neues Wirtschaftsgut ‒ eine „neue“ Photovoltaikanlage. Steuerlich sind dies Herstellungskosten für ein neues, bisher nicht vorhandenes Wirtschaftsgut. Für die beabsichtigte Herstellung eines beweglichen, abnutzbaren Wirtschaftsguts können Sie nach § 7g Abs. 1 EStG bereits im Wirtschaftsjahr 2021 gewinnmindernd einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von maximal 50 Prozent der voraussichtlichen Herstellungskosten (50 Prozent von 5.000 Euro = 2.500 Euro) bilden. Ferner können Sie bei Herstellung im Wirtschaftsjahr 2022 neben der üblichen Abschreibung eine Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG in Höhe von 20 Prozent (= 1.000 Euro) vornehmen. |
PRAXISTIPP | Bei der Inbetriebnahme einer „neuen“ Photovoltaikanlage sollten Sie auch prüfen, ob Sie damit in die Förderung nach dem Erneuerbaren Energien-Gesetz (EEG) kommen. Dann kämen Sie ‒ wie zuvor ‒ in den Genuss fester Einspeisevergütungen. Bei einer Dachanlage bis zehn kWp, die Sie ab dem 01.01.2021 in Betrieb nehmen, gewährt der Gesetzgeber eine Einspeisevergütung von 8,16 Cent pro kWh. |
Option 4: Entfernen der „Altanlage“
Option vier besteht darin, die Photovoltaikanlage zu demontieren. Diese Maßnahme ist dann sinnvoll, wenn Ihre Kalkulation ergibt, dass der Weiterbetrieb wirtschaftlich nicht mehr rentabel ist und die Möglichkeiten zum privaten Verbrauch des erzeugten Stroms begrenzt sind.
Die Entsorgung der Module
Gängige Photovoltaikmodule haben im Durchschnitt eine Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren. Spätestens nach 30 Jahren stellt sich somit die Frage nach ihrer Entsorgung. Wichtig zu wissen ist, dass Sie dafür im Regelfall nicht mit Entsorgungskosten rechnen müssen. Die Entsorgung der Module einer typischen Photovoltaikanlage auf einer selbstbewohnten Immobilie fällt nämlich unter das Elektro- und Elektronikgerätegesetz. Das verpflichtet die Hersteller dazu, die Module auf eigene Kosten zurückzunehmen und zu recyclen.
Weiterverkauf der Module
Sind die Module noch funktionstüchtig, können Sie diese auch weiterverkaufen. Ein Zweitmarkt für „Ersatz“-Module entwickelt sich allmählich. Den Veräußerungserlös müssen Sie dann als Betriebseinnahme erfassen.
Kosten der Demontage der Anlage
Als Anlagenbetreiber werden Sie maximal mit Kosten für die eigentliche Demontage der Anlage belastet. Diese Kosten stellen Betriebsausgaben dar.
Demontage im Rahmen einer Dachsanierung
Oft ist es aber so, dass die Demontage mit einer Dachsanierung einhergeht. Sind solche Kosten (noch) der Photovoltaikanlage zuzurechnen und steuerlich abziehbar? Die Antwort des BFH lautet „nein“. Wird das Dach einer privat genutzten Immobilie saniert, sind die Kosten auch dann nicht abzugsfähig, wenn die Dachsanierung auch dazu dient, eine Photovoltaikanlage zu installieren. Die Kosten sind zwar teilweise auch durch den späteren Betrieb der Photovoltaikanlage veranlasst. Mangels eines Aufteilungsmaßstabs in private und betriebliche Kostenanteile bleiben diese aber insgesamt unberücksichtigt (BFH, Urteil vom 16.09.2014, Az. X R 32/12, Abruf-Nr. 174313).
Diese BFH-Entscheidung gilt auch für den umgekehrten Fall einer Dachsanierung im Zusammenhang mit dem Rückbau einer Photovoltaikanlage ‒ auch bei dachintegrierten Modulen.
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Für Ihre Anlage ist die garantierte Einspeisevergütung ausgelaufen. Sie lassen die Anlage deshalb entfernen und im gleichen Zug das gesamte Dach Ihres Einfamilienhauses neu eindecken. Bei den Abbauarbeiten werden einige Dachziegel beschädigt. Von den in Rechnung gestellten Gesamtkosten in Höhe von 30.000 Euro entfallen 2.000 Euro auf den Abbau der Module, der Dachverankerung der Anlage und der zugehörigen Leitungen. Als Betriebsausgaben können Sie lediglich diese Aufwendungen (für die eigentliche Demontage der Anlage) abziehen. Kosten, die auf den Teil der Dacheindeckung entfallen, die beim Rückbau der Anlage beschädigt worden waren, sind nicht abzugsfähig. Denn die erneuerte Dacheindeckung dient (auch) dem Schutz des ausschließlich privat genutzten Innenraums des Gebäudes. |
PRAXISTIPP | Achten Sie bei Dachsanierungen, die zeitlich mit der Errichtung oder Demontage einer Photovoltaikanlage bzw. dem Austausch von Modulen zusammenfallen, darauf, dass die einzelnen Leistungen in den Rechnungen detailliert aufgelistet sind. Leistungen, die direkt der Photovoltaikanlage zugeordnet werden können, sind als Betriebsausgabe ‒ ggf. im Wege der Abschreibung der Anlage ‒ abzugsfähig. Für die übrigen Handwerkerleistungen, die nicht der Photovoltaikanlage zugeordnet werden können, können Sie eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG beanspruchen. |
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Investitionsabzugsbetrag und Sonderabschreibungen: Verbesserungen gelten schon ab 2020“, SSP 1/2021, Seite 28 → Abruf-Nr. 47047134