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· Perspektiven

Alterszahnheilkunde: Herausforderungen für privat liquidierende Zahnärzte

Bild: ©rh2010 - stock.adobe.com

von Manuela Grossmann, BFS health finance GmbH, Dortmund

| Die Bundesbürger werden immer älter. Und damit auch die Patienten in Deutschlands Zahnarztpraxen. Wer das Umsatzpotenzial dieser stetig wachsenden Patientenklientel voll ausschöpfen will, muss sich beizeiten auf deren Bedürfnisse einstellen. Im Fokus steht dabei der Faktor Zeit. Bei der Termin- und Behandlungsplanung müssen größere Zeitspannen einkalkuliert werden, um Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter gerecht werden zu können. Dieser Beitrag zeigt, was das für Anamnese, Prothetik und Prophylaxe in der privat liquidierenden Zahnarztpraxis bedeutet. |

Bevölkerungsentwicklung bis 2050

Bei einer nahezu identischen Bevölkerungszahl wird sich verglichen mit 1950 der Altersaufbau der Bundesbevölkerung im Jahr 2050 umgekehrt haben. D. h., es wird mehr als doppelt so viele ältere wie jüngere Menschen geben. Zzt. leben 80 Prozent der Senioren selbstständig in einer eigenen Wohnung. Die Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen, die zu Hause versorgt werden, wird voraussichtlich von heute 1,2 Mio. auf ca. 1,6 Mio. im Jahr 2050 ansteigen.

 

Bild: IWW Institut

Anamnese: altersbedingte Funktionsdefizite berücksichtigen

Für die meisten Praxen gehört sie einfach nur dazu, für andere rückt sie immer stärker in den Fokus und nur für wenige Praxen ist sie der Goldstandard: die Anamnese. Eine ausführliche Anamnese klärt nicht nur über den allgemeinen Gesundheitszustand auf, sie kann Patienten und Praxisteam auch vor unangenehmen Überraschungen während und nach der Behandlung schützen.

 

Im Rahmen einer optimalen Anamnese bei älteren Menschen sollte ‒ neben den üblichen Fragen nach Medikamenten und Erkrankungen ‒ ebenfalls geklärt werden, ob altersbedingte Funktionseinschränkungen, die Mundgesundheitsprobleme hervorrufen können, vorliegen. Dazu zählen u. a. verminderte Mobilität (möglicherweise wären Hausbesuche eine Alternative) und eine eingeschränkte Feinmotorik. Letztere kann dazu führen, dass die eigene Mundhygiene nicht mehr vollumfänglich möglich ist. Leider steht der Aufwand einer ausführlichen Anamnese nicht in Relation zur Honorierung. Für die Besprechung weiterer Behandlungsmaßnahmen bzw. -alternativen ist i. d. R. eine ausführliche Beratung zwingend erforderlich.

 

  • Beispiel mit möglichen Begründungen für die Überschreitung des Schwellenwerts
Datum
Zahn
Geb.-Nr.
Leistungsbeschreibung
Faktor
Anzahl
Euro

23.01.20

0010

Eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen einschließlich Erhebung des Parodontalbefundes sowie Aufzeichnung des Befundes

 

Begründung für die Überschreitung des 2,3-fachen Satzes: Überdurchschnittlicher Zeitaufwand aufgrund einer aufwendigen (Erst-)Anamneseerhebung (ggf. zusätzlich „in Verbindung mit schwerer Vorerkrankung“)

3,5

1

19,68

23.01.20

Ä1

Beratung ‒ auch mittels Fernsprecher

 

Begründung für die Überschreitung des 2,3-fachen Satzes: „Erhöhter Zeitaufwand aufgrund ausführlicher Durchsprache von Behandlungsalternativen.“

3,5

1

16,31

 

Merke | Unter bestimmten Umständen ist die Nr. Ä4 zusätzlich berechnungsfähig (PA 03/2019, Seite 6). Die Ä4 sollte berechnet werden, sobald im Rahmen der Beratung eine Betreuungsperson hinzugezogen werden muss, um sicherzustellen, dass die Anamnese des Patienten vollständig ist und/oder zusätzlich eine besondere Unterweisung und Führung der Bezugsperson erforderlich ist.

Prothetik: Knochenabbau erschwert Implantatversorgung

Das Gefühl von festsitzendem Zahnersatz ist für viele Menschen das Höchstmaß an Komfort. Inzwischen möchten auch deutlich weniger ältere Menschen darauf verzichten und ersetzen die üblichen Klammer- oder Totalprothesen durch implantatgetragenen Zahnersatz. Allerdings führt ein altersbedingter Knochenabbau in den meisten Fällen dazu, dass verloren gegangener Knochen vor der Implantation zunächst wieder aufgebaut werden muss, um eine medizinisch sinnvolle Therapie einzuleiten. Für den Aufbau des Alveolarfortsatzes ist die Nr. 9100 GOZ anzusetzen.

 

  • Nr. 9100 Inhalt (ohne Abrechnungsbestimmungen) und Bewertung (* Beträge in Euro)
Leistung
Punkte
1,0-fach*
2,3-fach*
3,5-fach*

Aufbau des Alveolarfortsatzes durch Augmentation ohne zusätzliche Stabilisierungsmaßnahmen, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich Mit der Leistung nach der Nr. 9100 sind folgende Leistungen abgegolten: Lagerbildung, Glättung des Alveolarfortsatzes, ggf. Entnahme von Knochen innerhalb des Aufbaugebiets, Einbringung von Aufbaumaterial (Knochen und/oder Knochenersatzmaterial) und Wundverschluss mit vollständiger Schleimhautabdeckung, ggf. einschließlich Einbringung und Fixierung resorbierbarer oder nicht resorbierbarer Barrieren

2.694

151,52

348,49

530,31

 

Wichtig | Maßnahmen, die über den o. g. Leistungsinhalt hinaus durchgeführt werden (z. B. die Einbringung von Knochen aus getrenntem OP-Gebiet nach Nr. 9140 GOZ), können zusätzlich liquidiert werden (Bundeszahnärztekammer [BZÄK] Ausschuss Gebührenrecht, Knochenmanagement, online unter iww.de/s3386; siehe dazu auch PA 10/2013, Seite 5).

Prophylaxe bleibt wichtige Präventionsleistung

Gerade bei älteren Patienten besteht wegen Funktionseinschränkungen und Erkrankungen ein höherer zahnmedizinischer Versorgungbedarf. Gleichzeitig sind sie mit ihrer Mundgesundheit zufriedener und nutzen z. B. zahnärztliche Präventionsangebote wie die Prophylaxe weniger häufig als andere Patienten (BZÄK, Leitfaden „Präventionsorientierte ZahnMedizin unter den besonderen Aspekten des Alterns“, Berlin 2002, online unter iww.de/s3387). Hier kommt es auf die Motivation der Patienten an, da gerade die Prophylaxe nicht nur für schöne Zähne sorgt, sondern auch chronischen Erkrankungen vorbeugt.

 

  • Beispiel: Abrechnung einer Prophylaxesitzung bei älterem Patienten mit teilbezahntem Gebiss
Datum
Zahn
GOZ
Leistungsbeschreibung
Faktor
Anzahl
Euro

04.02.20

4005

Erhebung mindestens eines Gingivalindex und/oder eines Parodontalindex

2,3

1

10,35

4000

Erstellen und Dokumentieren eines Parodontalstatus

2,3

1

20,70

1000*

Erstellung eines Mundhygienestatus und eingehende Unterweisung zur Vorbeugung gegen Karies und parodontale Erkrankungen, Dauer mindestens 25 Minuten

2,3

1

25,87

1010*

Kontrolle des Übungserfolges einschließlich weiterer Unterweisung, Dauer mindestens 15 Minuten

2,3

1

12,94

44‒35,23‒13

1040

Professionelle Zahnreinigung

2,3

15

54,30

44, 45, 23

2130

Kontrolle, Finieren/Polieren einer Restauration in separater Sitzung, auch Nachpolieren einer vorhandenen Restauration

1,0

3

17,55

44‒35,23‒13

2010

Behandlung überempfindlicher Zahnflächen, je Kiefer

2,3

2

12,94

 

* Wichtig | Eine Nebeneinanderberechnung der Nrn. 1000 GOZ und 1010 GOZ ist nur erlaubt, wenn der Patient nach einer Unterweisung gemäß Nr. 1000  GOZ die Umsetzung des Gelernten übt und anschließend in derselben Sitzung eine Kontrolle nach Nr. 1010 GOZ erfolgt (vgl. BZÄK, GOZ-Kommentar, Stand: Oktober 2018). Die Zeitvorgaben der Nrn. 1000 und 1010 GOZ sind einzuhalten (PA 06/2019, Seite 11).

Quelle: Seite 9 | ID 46393985