· Fachbeitrag · Mitbestimmung
Twitter-Accounts des ArbG ‒ der Betriebsrat bestimmt mit
von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA ArbR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen
| Unterhält der ArbG einen Twitter-Account, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, da die Antwort-Funktion eine Beurteilung der Leistung und des Verhaltens der ArbN ermöglicht. Das Mitbestimmungsrecht setzt nicht voraus, dass die technische Einrichtung auf die Überwachung der Leistung und des Verhaltens der ArbN ausgerichtet ist oder dass der ArbG eine solche beabsichtigt. |
Sachverhalt
Die Parteien streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats für einen durch den ArbG unterhaltenen Twitter-Account. Er betreibt als Konzerngesellschaft durch verschiedene Tochtergesellschaften zahlreiche Lichtspielbetriebe im gesamten Bundesgebiet.
Beim ArbG ist unternehmensübergreifend ein Gesamtbetriebsrat gebildet, der allein für die Kinobetriebe der Tochtergesellschaften zuständig ist. Der Twitter-Account des ArbG wird unternehmensübergreifend für alle Kinobetriebe genutzt. Konkret wird der Account durch ein Social Media-Team bestehend aus eigenen ArbN des ArbG in der Zentralverwaltung betreut. Das Social Media-Team stellt nach den Regularien von Twitter telegrammartige Kurznachrichten von bis zu 140 Zeichen Länge ins Internet (Tweet). Diese können durch ebenfalls bei Twitter angemeldete Nutzer entsprechend beantwortet werden (Retweet). Die Reichweite der Tweets des ArbG geht über die angemeldeten Nutzer von Twitter hinaus, diese sind für jedermann sichtbar. Die Retweets sind zumindest für alle Twitter-Nutzer zu lesen. Nach den Vorgaben des Dienstanbieters Twitter kann der ArbG weder Retweets eigenständig löschen, noch die Antwort-Funktion als solche von vornherein deaktivieren.
Der Gesamtbetriebsrat meint, dass der Betrieb des Twitter-Accounts mitbestimmungspflichtig sei. Dieser wäre nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geeignet, die Leistung oder das Verhalten der ArbN zu überwachen. Er verlangt daher die Deaktivierung, bis nicht seine Zustimmung oder die ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle vorliegt. Der ArbG lehnte das ab.
Entscheidungsgründe
Das LAG Hamburg (13.9.18, 2 TaBV 5/18, Abruf-Nr. 206140) ist der Argumentation des Gesamtbetriebsrats gefolgt und gab dem Unterlassungsbegehren statt. Da die gegenständliche Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, wurde die Beschwerde zugelassen.
Der Betrieb eines Twitter-Accounts sei nach § 81 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Danach habe der Betriebsrat stets mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der ArbN zu überwachen. Der Wortlaut der Norm sei insoweit weit auszulegen. Das Mitbestimmungsrecht sei darauf gerichtet, ArbN vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu schützen.
Twitter sei aufgrund der o. g. unveränderbaren Funktionen eine solche technische Einrichtung. Die Antwort-Funktion ermögliche den Twitter-Nutzern, auf die Tweets des ArbG auch Antworten zum Verhalten und zur Leistung der ArbN auf Twitter einzustellen, weil die Nutzer in dem Abfassen von Retweets inhaltlich frei wären und der ArbG die Retweets nicht einmal löschen könne.
Der ArbG könne den Inhalt von Retweets je nach deren Inhalt namentlich und situationsbedingt einem bestimmten ArbN oder einer Gruppe von ArbN zuordnen. Folglich könnten die entsprechenden Informationen auch zur Verhaltens- und Leistungskontrolle verwendet werden. Da bereits die Geeignetheit der Überwachung das Mitbestimmungsrecht auslöse, komme es auf tatsächliche Auswertungen durch die ArbG nicht an. Die Nutzung eines eigenen Twitter-Accounts als Kommunikationsmittel durch den ArbG sei das gezielte Angebot einer Plattform für die Kunden, sich über ihre Unternehmen, deren Leistungen und ihre Mitarbeiter öffentlich zu äußern.
Relevanz für die Praxis
Das LAG Hamburg hat seine Argumentationslinien erkennbar auf die Facebook Entscheidung des BAG (13.12.16, 1 ABR 7/15) ausgerichtet. Der 1. Senat hatte dort für das Betreiben eines Facebook Accounts mit Kommentarfunktionen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats festgestellt.
Umso praxisrelevanter wäre es gewesen, wenn das BAG auf die eingelegte Beschwerde des ArbG auch inhaltlich hätte entscheiden können. Der 1. Senat des BAG hat indes keine Entscheidung in der Sache getroffen, da das gegenständliche Verfahren von dem aus tarifrechtlichen Gründen nicht wirksam eingerichteten unternehmensübergreifend gebildeten Gesamtbetriebsrat eingeleitet worden war (BAG 25.2.20, 1 ABR 40/18, Abruf-Nr. 214858). Das Begehren des Gesamtbetriebsrats war damit bereits unzulässig.
Wie eine Sachentscheidung ausgefallen wäre, kann nur gemutmaßt werden. In Fortführung der o. g. Facebook-Entscheidung dürfte jedoch der Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG eröffnet sein, sodass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats vorliegt. Dafür reicht allein die Möglichkeit, dass der ArbG durch die Nutzung technischer Einrichtungen eine Überwachung von Leistung oder Verhalten der ArbN durchführt. Dass ein Twitter-Account wie eine Facebookseite eine solche technische Einrichtung ist, liegt auf der Hand. Auch die Vorgaben des BAG zu einer vorhandenen Überwachungsmöglichkeit dürften durch das Betreiben eines Twitter-Accounts erfüllt sein. Jeder Twitter-Nutzer kann alle möglichen Dinge posten, die sich auch auf einzelne ArbN beziehen können. Damit hat es der ArbG in der Hand, die insoweit gewonnenen Informationen gegenüber benannten ArbN auch leistungs- oder verhaltenssteuernd zu verwerten. Bei solchen potenziellen Nutzungen von technischen Überwachungsmöglichkeiten muss der Betriebsrat vorher zustimmen. Es spricht daher einiges dafür, dass das BAG den Beschluss des Berufungsgerichts in der Sache bestätigt hätte.