02.02.2011 | Honorarpraxis
Anwaltliche Vergütung für Abwehr einer Zwangsvollstreckung
von RA Norbert Schneider, Neunkirchen
Wird der Anwalt vom Schuldner beauftragt, eine drohende Zwangsvollstreckung abzuwehren, ist umstritten, welche Gebühren er hierfür erhält. Der folgende Beitrag gibt hierzu einen Überblick.
Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG
Das OLG Düsseldorf (AGS 02, 53 = OLGR 01, 214, zur BRAGO) geht davon aus, dass eine Geschäftsgebühr (damals § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) nicht entsteht, sondern dass es sich um eine Vorbereitungstätigkeit im Rahmen der Zwangsvollstreckung handele. In dem entschiedenen Fall hatte der Gläubiger die Zwangsversteigerung angedroht. Der Anwalt des Schuldners war beauftragt, eine Stundung auszuhandeln. Das Gericht hat insoweit eine Gebühr in Höhe von 3/10 nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zugesprochen. In einer weiteren Entscheidung (AGS 07, 450) hat das LG Düsseldorf diese Auffassung bestätigt und eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG zugesprochen. In dem dortigen Fall war dem vermeintlichen Schuldner die Zwangsvollstreckung angedroht worden. Der Anwalt hatte dann klargestellt, dass hier eine Namensverwechslung vorliege und der Mandant nicht der richtige Adressat sei.
Ebenso entschieden hat das OLG Hamm (JurBüro 96, 249) für den Fall, dass der Beklagte nach Zustellung eines Versäumnisurteils und Einspruch um Abstandnahme von der Vollstreckung bittet. Gleicher Auffassung ist Müller-Rabe (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., Nr. 3309 Rn. 24). Er will ebenfalls die Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG zusprechen, wenn der Anwalt den Schuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren mit dem Ziel vertritt, die Durchführung der Zwangsvollstreckung zu verhindern.
Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG
Das OLG Celle (AGS 09, 63) hingegen spricht für die Abwehr einer drohenden Zwangsvollstreckung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu. Auch hier ging es darum, eine Stundung und einen Vollstreckungsaufschub auszuhandeln. Diese Ansicht ist vorzuziehen.
So müssen Sie konkret vorgehen
Wie so oft kommt es entscheidend auf den Auftrag an: Wie soll der Anwalt des Schuldners die „drohende Vollstreckung“ verhindern? Dabei muss gleichzeitig auf die möglichen gerichtlichen Schritte geblickt werden:
- Soll der Anwalt Einwendungen gegen die Art und Weise der Vollstreckung geltend machen, wären also im Fall einer gerichtlichen Inanspruchnahme zwangsvollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe zu ergreifen, insbesondere die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO, ist die Tätigkeit des Anwalts bereits der Zwangsvollstreckung zuzuordnen, sodass die Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG anfällt. Ebenso wie die Vollstreckungsandrohung für den Gläubigeranwalt als Vorbereitungshandlung i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG bereits die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG auslöst (BGH AGS 03, 561), muss auch die Abwendung als Vorbereitungshandlung i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG angesehen werden.
Beispiel: Vollstreckungsabwehr (Einwand gegen die Voraussetzungen der Vollstreckung) |
Gläubiger G. droht die Zwangsvollstreckung an. Schuldner S. beauftragt daraufhin den Anwalt R., der die Zwangsvollstreckung abwehren soll, weil es bislang an der Vollstreckungsklausel fehlt.
Lösung: Diese Einwendung des Schuldners wäre im gerichtlichen Verfahren mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend zu machen, die nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 RVG mit zur Vollstreckungsangelegenheit zählt. Daher ist die Abwehrtätigkeit bereits eine der Zwangsvollstreckung zuzuordnende Maßnahme und löst eine die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG aus. |
Beispiel: Vollstreckungsabwehr (Durchsetzung eines Schutzrechts) |
Das Girokonto des Schuldners S. ist gepfändet. Es geht eine Gehaltszahlung ein, deren Freigabe der Anwalt R. außergerichtlich erreichen soll.
Lösung: Im gerichtlichen Verfahren wäre ein Antrag nach § 850l ZPO zu stellen. Die außergerichtliche Vertretung zählt daher bereits zur Zwangsvollstreckung und löst die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG aus. |
Beispiel: Vollstreckungsabwehr (Vollstreckungsaufschub) |
Gegen den Schuldner S. ist ein Räumungsurteil ergangen. Der Anwalt R. soll einen Vollstreckungsaufschub erreichen, da sich der Bezug der neu angemieteten Wohnung verzögert.
Lösung: Im gerichtlichen Verfahren wäre ein Antrag nach § 765a ZPO zu stellen. Die außergerichtliche Vertretung zählt daher bereits zur Zwangsvollstreckung und löst die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG aus. |
- Materiell-rechtliche Einwände: Anders verhält es sich, wenn der Anwalt für den Schuldner materiell-rechtliche Einwände geltend machen soll. Dann handelt es sich nicht um eine vollstreckungsrechtliche Tätigkeit, sodass nicht Nr. 3309 VV RVG, sondern Nr. 2300 VV RVG greift.
Beispiel: Vollstreckungsabwehr (Aufrechnung) |
Gläubiger G. droht Schuldner S. die Zwangsvollstreckung an. Anwalt R. des S. soll die Vollstreckung abwehren, weil die titulierte Forderung inzwischen durch Aufrechnung erloschen sei.
Lösung: Hier wendet sich S. nicht gegen die Art und Weise der Vollstreckung, sondern gegen den titulierten Anspruch. Im gerichtlichen Verfahren wäre hier die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) gegeben, nicht aber ein vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelf. Daher greift nicht die Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG. Hier kommt es also auf den Auftrag an:
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Beispiel: Vollstreckungsabwehr (Stundung) |
Gläubiger G. droht Schuldner S. die Zwangsvollstreckung an. Der Anwalt R. des S. soll eine Stundung aushandeln.
Lösung: Auch hier wendet sich S. nicht gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, sondern gegen den titulierten Anspruch, sodass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG anfällt. |