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· Fachbeitrag · Vollstreckungsrecht

Vorsorgebevollmächtigter darf Schuldner in der Zwangsvollstreckung vertreten, muss es aber nicht

von RA Thomas Stein, FA Erb- und Familienrecht, Limburg an der Lahn

| Bisher ist umstritten gewesen, ob ein nicht prozessfähiger Schuldner bei der Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung auch durch einen Vorsorgebevollmächtigten vertreten werden kann oder nicht. Diesen Meinungsstreit hat der BGH jetzt entschieden. |

 

Sachverhalt

Gläubigerin war die geschiedene Ehefrau des zwischenzeitlich verstorbenen Schuldners. Dieser hatte sich in einem Vergleich zur Unterhaltszahlung von monatlich 500 EUR verpflichtet. Wegen rückständiger Unterhaltsforderungen betrieb die Gläubigerin aus dem Vergleich die Zwangsvollstreckung. Der späteren Rechtsbeschwerdegegnerin hatte der Schuldner eine Vorsorgevollmacht zur umfassenden Vertretung in allen Vermögensangelegenheiten erteilt.

 

Im Rahmen der Zwangsvollstreckung hatte der Gerichtsvollzieher die Bevollmächtigte zur Abgabe der Vermögensauskunft über das Vermögen des Schuldners geladen. Die dagegen von ihr eingelegte Erinnerung blieb ohne Erfolg. Auf die sofortige Beschwerde wies das Beschwerdegericht den Gerichtsvollzieher an, von einer Ladung der Bevollmächtigten in Vertretung des Schuldners abzusehen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde strebte die Gläubigerin die Zurückweisung der Erinnerung und damit die weitere Zwangsvollstreckung gegen die Bevollmächtigte als Vertreterin des Schuldners an.

 

Damit blieb sie vor dem BGH jedoch erfolglos.

 

  • 1. Ein nicht prozessfähiger Schuldner kann bei der Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 51 Abs. 3 ZPO auch durch einen Vorsorgebevollmächtigten vertreten werden.
  • 2. Ein Vorsorgebevollmächtigter ist anders als ein gerichtlich bestellter Betreuer nicht verpflichtet, für einen nicht prozessfähigen Schuldner die Vermögensauskunft und die eidesstattliche Versicherung abzugeben.

(Abruf-Nr. 213753)

 

Entscheidungsgründe

Der BGH stützt seine Entscheidung auf § 51 Abs. 3 ZPO.

 

Wenn eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.

 

Diese Voraussetzungen sind in der Praxis von Amts wegen zu prüfen.

 

Hierzu stellt der BGH die bisher vertretenen, divergierenden Meinungen im Einzelnen dar. Er kommt zu dem Ergebnis, dass diejenige Auffassung vorzugswürdig ist, nach der ein Vorsorgebevollmächtigter in den einschlägigen Fällen durchaus berechtigt ist, die Vermögensauskunft samt eidesstattlicher Versicherung abzugeben. Wesen und Zweck dieses Verfahrens stehen, so der BGH ausdrücklich, dem nicht entgegen.

 

Ausführlich legt der BGH sodann die Konsequenzen dar, welche die Anwendung von § 51 Abs. 3 ZPO in der Zwangsvollstreckung für den Gerichtsvollzieher als zuständiges Vollstreckungsorgan hat. Er muss prüfen, ob der Schuldner zum Zeitpunkt der Errichtung der Vollmacht geschäftsfähig war, die Vollmacht schon und noch in Kraft ist, es sich nicht um eine Vollmacht handelt, mit der Heim- oder Pflegepersonal bevollmächtigt wurde (dann wäre die Vollmacht unwirksam), die Vollmacht die Vertretung im gerichtlichen Verfahren erfasst, der Schuldner aktuell nicht prozessfähig und die Vollmacht geeignet ist, die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.

 

Den darauf sicherlich ungläubig reagierenden Gerichtsvollziehern gibt der BGH sodann praktische Empfehlungen mit auf den Weg, wie sie dieses Programm bewältigen sollen. Nämlich notfalls mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens, aber auch mit vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen, Gutachten oder dem eigenen Augenschein. Die eigene Rechtsprechung des BGH soll den Gerichtsvollziehern die Arbeit erleichtern. Danach ist die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht zu vermuten, solange deren Unwirksamkeit nicht positiv festgestellt werden kann. Ein bloßer Verdacht, die Vollmacht könne aus irgendeinem Grunde nicht wirksam sein, dürfen die Gerichtsvollzieher beiseite tun. Zur Prüfung, ob etwa ein Erteilungsverbot für die Vollmacht aus § 1897 Abs. 3 BGB vorliegen könnte, soll der Gerichtsvollzieher die berufliche Stellung des Vorsorgebevollmächtigten erfragen. Im Übrigen könnten die Gerichtsvollzieher bei Zweifeln an der Wirksamkeit der Vollmachtserteilung das Verfahren aussetzen und über § 22a Abs. 1 FamFG das Betreuungsgericht zur Überprüfung der Eignung der Vollmacht veranlassen.

 

Kurz fällt im Weiteren die Feststellung des BGH aus, dass die Abgabe einer Vermögensauskunft in den Bereich der Vermögenssorge fällt. Dann kommt die eindeutige und klare Feststellung, dass Vorsorgebevollmächtigte aber zur Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung rechtlich nicht verpflichtet sind. Damit ist im Ausgangsfall die Ladungsverfügung des Gerichtsvollziehers an die Bevollmächtigte rechtswidrig und nicht verpflichtend. Dies begründet der BGH damit, dass der Bevollmächtigte stets selbst entscheiden kann und darf, ob und inwieweit er von einer erteilten Vollmacht Gebrauch macht. Beim gerichtlich bestellten Betreuer verhält sich dies anders. Er ist gesetzlicher Vertreter und damit verpflichtet, den Schuldner auch in der Zwangsvollstreckung zu vertreten und dann für ihn die Vermögensauskunft und eidesstattliche Versicherung abzugeben.

 

Ganz am Schluss der Entscheidung kommt dann der Hinweis für Gerichtsvollzieher, wie mit dieser Erkenntnis umzugehen ist, nämlich formlos zu klären, ob ein Vorsorgebevollmächtigter freiwillig zur Abgabe der Vermögensauskunft und eidesstattlichen Versicherung für einen Schuldner bereit ist.

 

Relevanz für die Praxis

Für Gerichtsvollzieher ist die Entscheidung ganz starker Tobak. Was sie alles prüfen und feststellen sollen, außerhalb und ohne die Mittel eines Richters im Zivilprozessverfahren, geht mit Sicherheit an die Grenze des Machbaren. Wer sich mit den Sorgen und Nöten von Gerichtsvollziehern in der täglichen Vollstreckungspraxis auseinandersetzt, wird dem nur zustimmen können. Es sei die Prognose für die Praxis gewagt, wenn es keine ganz gravierenden Zweifel an der Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht gibt und der Vorsorgebevollmächtigte bereit ist, die Vermögensauskunft und eidesstattliche Versicherung für seinen Vollmachtgeber als Schuldner abzugeben, dann wird sie ihm vom Gerichtsvollzieher auch abgenommen werden.

 

Bei den Gläubigern wird man wohl am ehesten erwarten dürfen, dass ihnen gleichgültig ist, ob ein Vorsorgebevollmächtigter oder ein gerichtlich bestellter Betreuer die Vermögensauskunft und die eidesstattliche Versicherung abgibt. Nur wenn beim Vorsorgebevollmächtigten von vornherein gravierende Verdachtsmomente in Richtung der Bereitschaft auch zu unredlicher Verhaltensweise vorliegen, wird ein Gläubiger die Abgabe durch einen Betreuer favorisieren. Ansonsten wird es wohl eher umgekehrt sein, denn die Betreuerbestellung, initiiert durch den Gerichtsvollzieher, wird eine Verzögerung in der Zwangsvollstreckung von mindestens einigen Monaten mit sich bringen. In der Zwischenzeit könnten andere, besser informierte Gläubiger erfolgversprechende Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten nutzen.

 

Vorsorgebevollmächtigte sollten die Möglichkeit nutzen, die ihnen der BGH in der besprochenen Entscheidung eröffnet. Wenn eine Vorsorgevollmacht erteilt worden ist, kann man in aller Regel davon ausgehen, dass die Beteiligten dies bewusst und mit der Intention getan haben, dass der Bevollmächtigte für den Vollmachtgeber die Vollmacht auch nutzt und für ihn handelt. Fremde sollen nach Möglichkeit draußen vorbleiben.

 

Außerdem darf der Kostenaspekt nicht vernachlässigt werden. So belaufen sich beispielsweise bei einem nicht untergebrachten und nicht mittellosen Betreuten die Kosten für einen qualifizierten Berufsbetreuer auf monatlich 486 EUR netto (Mehrwertsteuer wird im Zweifel hinzukommen) für die ersten drei Monate. Es ist sicherlich mit Aufgabe eines Bevollmächtigten, derartige Kosten zu vermeiden. Wenn ein Bevollmächtigter vor diesem Hintergrund ohne Weiteres in der Lage wäre, die Vermögensauskunft mit eidesstattlicher Versicherung zu erteilten, dies aber nicht tut und eine Betreuung allein dafür erforderlich wird, könnte der Bevollmächtigte sogar in der Haftung für die Kosten sein.

 

Weiterführender Hinweis

  • Hierauf müssen Sie achten, wenn der Betreuer die Bezugsberechtigung ändern will: BGH SR 20, 10
Quelle: Ausgabe 06 / 2020 | Seite 96 | ID 46477109