· Fachbeitrag · Fluggastrechte
Abtretung muss beachtet werden
| Wird die Forderung vom Ursprungsgläubiger an einen neuen Gläubiger abgetreten, steht dem neuen Gläubiger objektiv die abgetretene Forderung zu. In der Praxis setzt dies aber voraus, dass der Schuldner Kenntnis von der Abtretung hat. Gerade in Massenprozessen kann jedoch nicht immer gewährleistet werden, dass die richtige Stelle zum richtigen Zeitpunkt von der Abtretung Kenntnis nimmt. Das hat Folgen, wie ein ganz alltäglicher Fall aus der Praxis des AG Bremen zeigt. |
Sachverhalt
Der Fluggast A. buchte bei der Beklagten einen Flug von Bremen nach Istanbul via Shiraz mit Rückflug. Beide Flüge wurden annulliert. Bei der Buchung war der Ticketgesamtpreis in Höhe von rund 830 EUR an die Beklagte geleistet worden. Den Rückzahlungsanspruch hat der Fluggast an die Klägerin abgetreten.
Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagten die Abtretung der Ansprüche des Fluggastes an sie mit Schreiben vom 12.5.20 angezeigt worden sei. Die Beklagte trägt vor, dass der ‒ unbestrittene ‒ Anspruch am 24.7.20 durch Rückzahlung des Ticketpreises auf die Kontoverbindung des Fluggastes erfüllt worden sei und bestreitet die Anzeige der Abtretung mit Nichtwissen. Zu einer Abtretungserklärung gehöre zudem die Angabe der Adresse des Zedenten, damit diesem ggf. der Streit verkündet werden könne.
Entscheidungsgründe
Das AG hat der Zahlungsklage stattgegeben.
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(Abruf-Nr. 222247) |
Der Rückzahlungsanspruch gemäß Art. 8 Abs. 1a der Verordnung EG Nr. 261/04 ist gegenüber der Klägerin durch etwaige Rückzahlung vom 24.7.20 an den Zedenten gegenüber der Klägerin als Zessionarin nicht erloschen.
Das AG war der Auffassung, dass die Beklagte den Zugang der Abtretungsanzeige (§§ 409, 130 BGB) nicht mit Nichtwissen bestreiten (§ 138 Abs. 4 ZPO) durfte. Es handele sich insofern um einen Umstand in der Sphäre der Beklagten. Das Wissen ihrer Mitarbeiter müsse sich die Beklagte zurechnen lassen (vgl. Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 138, Rn. 13, 16).
Das Gericht hatte auf diesen Umstand im Termin hingewiesen und der Beklagten insofern nachgelassen, binnen drei Wochen ergänzend vorzutragen. Innerhalb dieser Frist erklärte die Beklagte weder ein konkretes Bestreiten (Fax ist nicht zugegangen), noch erläuterte sie, welche (ergebnislosen) Informationsbemühungen sie innerhalb ihrer Organisationssphäre unternommen hatte, um den Vortrag der Klägerseite zu verifizieren bzw. zu falsifizieren. Das Gericht hat deshalb an seiner Auffassung festgehalten, dass ein unzulässiges Bestreiten vorliege. Entsprechend sei davon auszugehen, dass die Abtretungsanzeige per Fax nebst Anschreiben am 12.5.20 bei der Beklagten eingegangen sei.
Dass in der Abtretung der Name des Zedenten nicht aufgeführt gewesen sei, stehe deren Bestimmtheit nicht entgegen. Die Anschrift des Zedenten müsse in einem ‒ sogar formlos zulässigen ‒ Abtretungsvertrag nicht bezeichnet werden (Palandt, BGB, 80. Aufl., § 398, Rn. 14).
Im Übrigen könne die Beklagte die Adressdaten des Fluggastes über den (mit Personalausweiskopie) mitgeteilten Namen des Passagiers leicht ermitteln, zumal die Klägerin im Anschreiben vom 12.5.20 den Buchungscode mit den weiteren Flugdaten konkret bezeichnet hatte.
MERKE | Aufgrund dieser Angaben war es der Beklagten auch ohne Weiteres möglich, dem Fluggast prozessual den Streit zu verkünden, um ihren eigenen Bereicherungsanspruch zu untermauern. |
Die Rechtsfolge der Nichtbeachtung der Abtretung ist eindeutig: Der neue Gläubiger muss eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, nach § 407 Abs. 1 BGB nur gegen sich gelten lassen, wenn der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht kennt.
Da aber von der Kenntnis der Abtretungsanzeige auszugehen ist, muss die Beklagte als Schuldnerin noch einmal leisten. Sie hat dann ihrerseits einen Rückgriffsanspruch gegen den ungerechtfertigt bereicherten Fluggast. Das Risiko, diesen Anspruch realisieren zu können, trägt die Beklagte.
Die Klägerin hatte noch eine ganz andere Vermutung: Die Beklagte sei erst aufgrund ihres Schreibens tätig geworden, da sie entgegen der europarechtlichen Vorgabe während der Coronapandemie unstreitig nicht binnen sieben Tagen die Kostenerstattung an den Fluggast leistete. Die Leistungen an den Fluggast habe nur dem Zweck gedient, die Rechtsverfolgungskosten zu vermeiden ‒ vergeblich.