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01.01.2007 | Fallbeispiel

Der Patient als Pflegefall: Diagnose, Therapie und Abrechnung

Die Tendenz zur Überalterung ist in allen Industriestaaten – allen voran Deutschland – zu beobachten. Verbunden mit der wachsenden Zahl älterer Menschen ist auch die Zunahme von pflegebedürftigen Patienten. Bei deren Behandlung ist insbesondere der Hausarzt gefordert: Vor allem er hat sich um die Betreuung der Patienten zu kümmern – zum Beispiel in Form von Hausbesuchen oder Erörterungen mit Bezugspersonen, aber auch durch die Einschaltung des Pflegedienstes, die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln und vieles mehr.  

 

ICD-10-GM*

Diagnose  

ICD-10 

Pflegebedürftigkeit  

Z74.9  

Abhängigkeit von der Pflege  

Z74.0  

Probleme mit dem Gehen  

R26.1  

Probleme mit der Lebensführung  

Z 72.9  

* Zur Abrechnung ist die Zusatzkennung mit A = Ausschluss, G = Gesichert, V = Verdacht, Z = Zustand nach ... zwingend vorgeschrieben. Lokalisationsangabe ist fakultativ: R = rechts, L = links, B = beidseits.  

Der Fall

Ein alleinstehender, 76-jähriger multimorbider Patient (Hypertonie, Herzinsuffizienz, Polyarthrose mit TEP linke Hüfte, insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ2, Adipositas), kann die Praxis nicht mehr aufsuchen und bittet erstmals um einen Hausbesuch wegen Atemproblemen und massiven Gelenkschmerzen, die ihn an das Bett fesseln. Versorgt wird der Patient von seiner in der Nähe wohnenden Tochter, die für ihn einkauft. Mittagessen wird von einem speziellen Dienst (Essen auf Rädern) geliefert. Die Medikamenteneinnahme sowie die Insulininjektionen waren bisher zuverlässig.  

Diagnose, Therapie und Abrechnung

Beim Hausbesuch wird der Ganzkörperstatus erhoben. Dabei zeigen sich massive Beinödeme, Dyspnoe und ein beginnender Dekubitus am Steißbein. Der Blutdruck ist mit 155/90mmHg grenzwertig. Der Blutzucker vor dem Mittagessen beträgt 178 mg Prozent. Der Patient gibt an, starke Schmerzen in den Kniegelenken, dem nicht operierten Hüftgelenk sowie in der Wirbelsäule zu haben. Die großen Gelenke sind passiv, endgradig schmerzhaft und beweglich. Der Patient berichtet über Probleme mit der Tabletteneinnahme und mit der Applikation des Insulins.  

Die Situation wird mit dem Patienten ausführlich besprochen. Er erhält ein Diuretikum i. v. und ein NSAR wegen der Arthroseschmerzen wird verordnet. Auch wird die Medikamentenverordnung überarbeitet, besprochen und neu geschrieben. Der Dekubitus wird mit einem Salben-Druckverband versorgt. Außerdem wird mit dem Patienten der Einsatz der Sozialstation besprochen. Diese sollte die täglichen Insulininjektionen übernehmen, die Medikamente vorbereiten und den Dekubitus versorgen.  

 

1. Konsultation

EBM  

Legende  

GOÄ  

Ziffern  

Punkte  

 

Ziffern  

Punkte  

03112  

225  

Ordinationskomplex  

–*  

–  

01410  

400  

Hausbesuch  

50 !  

320  

40220**  

3,20 €  

Wegepauschale im Nahbereich  

2 km**  

3,58 €  

03311  

300  

Ganzkörperstatus  

8  

260  

–***  

–  

Injektion i. v.  

253  

70  

–***  

–  

Druckverband  

204  

95  

–****  

–  

Versorgung sekundär heilender Wunde  

2006  

63  

32057  

0,25 €  

Glucose  

3514  

70  

32089  

0,80 €  

Zuschlag für eigenes Labor  

–*****  

–  

32022  

–  

„Befreiungsziffer“ Diabetes  

–*****  

–  

03120  

150  

Beratung, Abklärung  

34 !  

300  

! Die mit einem Ausrufezeichen gekennzeichneten Leistungen wurden im Faktor gesteigert.  
* Die hier zu berechnende Beratung nach Nr. 1 ist in der GOÄ Bestandteil der Hausbesuchsleistung nach Nr. 50 und damit nicht daneben berechnungsfähig.  
** Wegegelder werden entsprechend der zwischen den Vertragspartnern regional vereinbarten Leistungspositionen abgerechnet und sind deshalb regional unterschiedlich. Sie finden sich unter anderem im Abschnitt „Kostenpauschalen“. Nach GOÄ sind zu den Hausbesuchen die Wegegelder nach dem Radius der Entfernung zwischen Praxis (oder ggf. der Arztwohnung) und Patientenwohnung anzugeben.  
*** I.v.-Injektionen finden sich im Anhang I zum EBM und sind nicht gesondert berechnungsfähig, sondern sind mit dem Ordinationskomplex abgegolten.  
**** Die hier entsprechende Nr. 02310 EBM ist erst nach drei Arzt-Patienten-Kontakten berechnungsfähig.  
***** Diese Leistungen sind nach GOÄ nicht gesondert berechnungsfähig. Für die im eigenen Labor erbrachten Leistungen gelten zum Teil gesonderte Leistungsziffern, die den erhöhten Aufwand berücksichtigen.  

 

Ein weiterer Hausbesuch zur Kontrolle wird für den nächsten Tag vereinbart. Da dann der Versorgungsumfang besprochen werden soll, sollen auch die Tochter sowie die Schwester von der Sozialstation anwesend sein. Am Nachmittag wird die Sozialstation verständigt und der Hausbesuch für den Folgetag terminiert, am Abend noch mit der Tochter gesprochen.  

 

Beim Hausbesuch am nächsten Tag sind die Beinödeme deutlich reduziert, die Gelenkschmerzen erträglich und der Blutzucker vor dem Mittagessen beträgt 84mg Prozent. Die Versorgungssituation wird mit der Tochter und der Schwester besprochen und die Hilfestellungen für den Patienten werden festgelegt. Eine Verordnung für die Notwendigkeit der häuslichen Krankenpflege wird ausgestellt; außerdem werden für die Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit und zur Wiederherstellung der Alltagstauglichkeit krankengymnastische Übungen mit Hausbesuch verordnet. Der Patient wird in die Liste der Routinehausbesuche aufgenommen und in 14-tägigen Abständen besucht.  

 

2. Konsultation

EBM  

Legende  

GOÄ  

Ziffern  

Punkte  

 

Ziffern  

Punkte  

03115  

35  

Konsultationskomplex  

–*  

–  

01410  

400  

Hausbesuch  

50 !  

320  

40220  

3,20 €  

Wegepauschale im Nahbereich  

2 km  

3,58 €  

–**  

–  

Thoraxuntersuchung  

7 !  

160  

–**  

–  

Druckverband  

204  

95  

–***  

–  

Versorgung sekundär heilender Wunde  

2006  

63  

01420  

250  

Verordnung häuslicher Krankenpflege  

–****  

–  

32057  

0,25 €  

Glucose  

3514  

70  

32089  

0,80 €  

Zuschlag für Eigenlabor  

–  

–  

03120  

150  

Beratung, Abklärung  

–*****  

–  

03001******  

835  

Koordination häuslicher Betreuung  

15 !  

300  

* Die hier zu berechnende Beratung nach Nr. 1 ist in der GOÄ Bestandteil der Hausbesuchsleistung nach Nr. 50 und damit nicht daneben berechnungsfähig.  
** Diese Leistung ist im EBM nicht gesondert berechnungsfähig, sondern ist mit dem Ordinationskomplex abgegolten.  
*** Die hier entsprechende Nr. 02310 EBM ist erst nach drei Arzt-Patienten-Kontakten berechnungsfähig.  
**** In der GOÄ existiert diese Leistung nicht.  
***** Die hier entsprechende Nr. 3 GOÄ ist nur als alleinige Leistung oder nur neben bestimmten Untersuchungsleistungen berechnungsfähig und entfällt.  
****** Die Nr. 30001 EBM ist erst nach zwei Arzt-Patienten-Kontakten berechnungsfähig, von denen mindestens ein Kontakt ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt sein muss. Als quartalsumfassender Leistungskomplex, der nicht an eine bestimmte Leistung gebunden ist, kann dieser Komplex irgendwann im Quartal angeschrieben werden – auch zum ersten Kontakt. Da der Patient bisher als Multimorbider mit chronisch-internistischer Erkrankung zählte, wurde in den vergangenen Quartalen hierfür der Komplex nach Nr. 03210 abgerechnet. Daneben schließt sich die Berechnung des Ganzkörperstatus jedoch aus. Da ab dem laufenden Quartal der Komplex nach Nr. 03001 abzurechnen ist, entfällt dieser Ausschluss.  

 

Nachdem die häusliche Betreuung durch die Tochter, die Sozialstation und die Krankengymnastin in Verbindung mit den 14-tägigen Hausbesuchen sichergestellt ist, sind nun noch der Antrag auf Pflegestufe einzuleiten und auch ein geriatrisches Basisassessment durchzuführen. Die Antragstellung zur Feststellung einer Pflegestufe wird mit der Tochter besprochen und das geriatrische Basisassessment wird im Rahmen des nächsten Hausbesuchs durchgeführt. Während der weiteren Hausbesuche werden regelmäßig Herz und Lunge untersucht, die Compliance sowie die Zuckereinstellung überprüft und die Heilungstendenz des Dekubitus beurteilt.  

 

3. Konsultation (weitere Hausbesuche)

EBM  

Legende  

GOÄ  

Ziffern  

Punkte  

 

Ziffern  

Punkte  

03115  

35  

Konsultationskomplex  

–*  

–  

01410  

400  

Hausbesuch  

50 !  

320 !  

40220  

3,20 €  

Wegepauschale im Nahbereich  

2 km  

3,58 €  

–**  

–  

Thoraxuntersuchung  

7 !  

160  

–**  

–  

Druckverband  

204  

95  

02310***  

555  

Versorgung sekundär heilende Wunde  

2006  

63  

32057  

0,25 €  

Glucose  

3514  

70  

32089  

0,80 €  

Zuschlag für eigenes Labor  

–  

–  

03120  

150  

Beratung, Abklärung  

–****  

–  

03341  

350  

Geriatrisches Basisassessment  

–*****  

–  

* Die hier zu berechnende Beratung nach Nr. 1 ist in der GOÄ Bestandteil der Hausbesuchsleistung nach Nr. 50 und damit nicht daneben berechnungsfähig.  
** Die Thoraxuntersuchung ist im EBM nicht gesondert berechnungsfähig, sondern ist mit dem Ordinationskomplex abgegolten.  
*** Die Nr. 02310 EBM ist erst nach drei Arzt-Patienten-Kontakten berechnungsfähig, von denen mindestens ein Kontakt ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt sein muss. Da die Arzt-Patienten-Kontakte nicht alle persönliche Kontakte sein müssen, können diese auch telefonisch erfolgt sein. Zudem müssen nicht alle drei Arzt-Patienten-Kontakte wegen der zu behandelnden Wunde stattgefunden haben.  
**** Die hier entsprechende Nr. 3 GOÄ ist nur als alleinige Leistung oder neben Untersuchungsleistungen berechnungsfähig und entfällt.  
***** Eine entsprechende Leistungsposition existiert in der GOÄ nicht. Als Ausgleich wurde die Untersuchung nach Nr. 7 GOÄ mit höherem Faktor abgerechnet.  

 

Für die umfangreichen Besprechungen mit der Tochter und der Sozialstation wird beim nächsten Hausbesuch noch die Fremdanamnese und die Unterweisung der Bezugsperson als Nr. 4 GOÄ abgerechnet. Dieses Vorgehen ist wegen der Ausschlussregelung „Nr. 4 GOÄ im Behandlungsfall nicht neben Nr. 15 GOÄ“ notwendig. Beim nächsten Besuch beginnt nach GOÄ nämlich der nächste Behandlungsfall, in dem dann diese Leistung zu berechnen ist.  

Quelle: Seite 17 | ID 84353