· Fachbeitrag · Einkommensteuer
Steuerfalle: Verkauf eines Teil-Mitunternehmeranteils nach Anwachsung durch Tod
von StB Dipl.-Finw. (FH) Lars Mayer, Düsseldorf
| Eine aktuelle Entscheidung des BFH (6.8.19, VIII R 12/16) zeigt, wie wichtig es ist, durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung zu bestimmen, welche Folgen beim Tod eines Gesellschafters eintreten sollen. Nachfolgend wird zunächst die Entscheidung anhand eines vereinfachten Sachverhalts dargestellt. Sodann wird gezeigt, wie das ungewollte Ergebnis der Gewinnrealisation durch vorher getroffene gesellschaftsvertragliche Regelungen hätte vermieden werden können. |
1. Sachverhalt und Entscheidung des BFH
Anmerkung: Im Vergleich zur BFH-Entscheidung wird insbesondere die Sachverhaltsanpassung vorgenommen, dass statt einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG eine Bilanzierung dargestellt wird. Die Grundsätze gelten bei beiden Gewinnermittlungen gleichermaßen; an die Stelle der Ergänzungsbilanzen tritt bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG lediglich eine Ergänzungsrechnung (Anlage ER zur Anlage EÜR).
1.1 Ausgangssituation
An einer Personengesellschaft sind vier Gesellschafter beteiligt. Einer der Gesellschafter verstirbt und scheidet wegen einer gesellschaftsvertraglichen Fortsetzungsklausel aus der Gesellschaft aus. Die anderen Gesellschafter zahlen eine Abfindung an die Erben dafür, dass ihnen der Anteil des Verstorbenen quotal anwächst. Einer der Alt-Gesellschafter veräußert danach den erworbenen Teil-Anteil an einen Neu-Gesellschafter zu dem gleichen Kaufpreis weiter.
| |||||
Ursprung | Tod des D | neuer Stand | Verkauf | neuer Stand | |
A | 40 % | + 10 % | 50 % | ./. 10 % | 40 % |
B | 20 % | + 5 % | 25 % | ‒ | 25 % |
C | 20 % | + 5 % | 25 % | ‒ | 25 % |
D | 20 % | ./. 20 % | ‒ | ‒ | ‒ |
E | ‒ | ‒ | ‒ | + 10 % | 10 % |
In der Personengesellschaft wird ein Dreikontenmodell geführt, bei dem das
- Kapitalkonto I die Beteiligungsquote widerspiegelt,
- Kapitalkonto II ein Verlustsonderkonto ist, in dem wegen der dauerhaften Gewinnsituation der Gesellschaft noch nie gebucht wurde und
- Kapitalkonto III ein Verrechnungskonto mit Fremdkapitalcharakter darstellt.

1.2 Situation nach dem Tod des Gesellschafters D
Nach dem Tod des D wächst dessen Anteil nach der Quote 40 : 20 : 20 (bzw. 50 : 25 : 25) den drei anderen Gesellschaftern an. Den Erben des D steht eine Abfindung i. H. des Verkehrswerts des Anteils zu.
Es besteht Einigkeit, dass nur der Firmenwert stille Reserven i. H. von 900.000 EUR enthält, sodass den Erben des D eine Abfindung i. H. der Summe aus dem Kapitalkonto I (60.000 EUR) und den anteiligen stillen Reserven (20 % von 900.000 EUR = 180.000 EUR), also insgesamt 240.000 EUR zusteht. Diese Abfindung erhalten die Erben, indem sie die Verbindlichkeit aus dem Verrechnungskonto des D von 80.000 EUR nicht begleichen müssen und die Personengesellschaft 160.000 EUR überweist.
Die Personengesellschaft hat die Abfindung beglichen, obwohl A, B und C Schuldner waren. Daher werden die anteiligen Beträge deren Verrechnungskonten belastet, sodass sich danach folgende Gesamthandsbilanz ergibt:

Die neue Gesamthandsbilanz resultiert aus zwei Buchungen. In der ersten Buchung wird das Kapitalkonto I von D auf die anderen drei Gesellschafter verteilt:
Kapitalkonto I D | 60.000 EUR | an | Kapitalkonto I A | 30.000 EUR |
Kapitalkonto I B | 15.000 EUR | |||
Kapitalkonto I C | 15.000 EUR |
Ferner wendet die Personengesellschaft einen Teil des Bankguthabens (160.000 EUR) und die Forderung gegen D (80.000 EUR) auf, um die Verbindlichkeiten von A, B und C gegen die Erben zu begleichen. Dadurch erwirbt die Personengesellschaft anteilig Forderungen gegen A, B und C bzw. tilgt Verbindlichkeiten gegen diese:
Verrechnungskonto A | 120.000 EUR | an | Verrechnungskonto D | 80.000 EUR |
Verrechnungskonto B | 60.000 EUR | Bank | 160.000 EUR | |
Verrechnungskonto C | 60.000 EUR |
Durch die Abfindung werden die stillen Reserven in dem Anteil des D aufgedeckt und als Veräußerungsgewinn i. S. des § 16 EStG i. V. mit § 18 Abs. 3 EStG versteuert. Dieser Veräußerungsgewinn entsteht noch bei D und nicht erst bei den Erben (BMF 14.3.06, IV B 2 - S 2242 - 7/06, Rz. 69).
| ||
Abfindung / Veräußerungserlös | 240.000 EUR | |
./. | Kapitalkonto | 60.000 EUR |
= | Veräußerungsgewinn § 16 EStG | 180.000 EUR |
Da A, B und C die stillen Reserven vergütet haben, in der Gesamthandsbilanz aber nur das Kapitalkonto I des D übernehmen, dürfen sie die anteiligen stillen Reserven in Ergänzungsbilanzen aktivieren.
| |||
Kaufpreis | übernommenes EK | Mehrkapital | |
A | 120.000 EUR | 30.000 EUR | 90.000 EUR |
B | 60.000 EUR | 15.000 EUR | 45.000 EUR |
C | 60.000 EUR | 15.000 EUR | 45.000 EUR |
Als Gegenposition zum Mehrkapital in der Ergänzungsbilanz wird ein Mehr-Firmenwert ausgewiesen. Da A die Hälfte der 20 % von D erworben hat, weist A in seiner Ergänzungsbilanz einen Mehrwert von 10 % der gesamten stillen Reserven des Firmenwerts (900.000 EUR) aus.

Beachten Sie | Dadurch erhält A für den seinem Verrechnungskonto belasteten Betrag von 120.000 EUR ein steuerliches Eigenkapital von 120.000 EUR. Er übernimmt nämlich das Kapitalkonto I des D i. H. von 30.000 EUR und erhält ein Mehrkapital von 90.000 EUR in der Ergänzungsbilanz.
1.3 Situation nach dem Verkauf des Teil-Mitunternehmeranteils
Unmittelbar nach dem Ausscheiden des D veräußert A die hinzuerworbenen 10 % an den Neu-Gesellschafter E für den gleichen Kaufpreis von 120.000 EUR. Da A diese 10 % für 120.000 EUR erworben und veräußert hat, ging er davon aus, dass er keinen Veräußerungsgewinn versteuern muss. Der BFH führt in o. g. Entscheidung aber aus, dass das Mehrkapital der Ergänzungsbilanz nicht disquotal nur dem verkauften Anteil zugeordnet werden kann, sondern dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns wegen der Veräußerung von 10/50 des Anteils des A 10/50 des Eigenkapitals ‒ folglich auch nur 10/50 des Mehrkapitals aus der Ergänzungsbilanz ‒ abgezogen werden.
| ||
Veräußerungserlös | 120.000 EUR | |
./. | 10/50 des Kapitalkontos I (150.000 EUR) | 30.000 EUR |
./. | 10/50 des Mehrkapitals (90.000 EUR) | 18.000 EUR |
= | Veräußerungsgewinn | 72.000 EUR |
A war ursprünglich zu 40 % an der Personengesellschaft beteiligt, sodass auf ihn 40 % der stillen Reserven von 900.000 EUR (= 360.000 EUR) entfielen. Der neue Anteil von 10 % enthält keine stillen Reserven, da er voll entgeltlich erworben wurde. Durch den Verkauf von 10/50 des Anteils werden 10/50 der stillen Reserve des A von 360.000 EUR (also eben jene 72.000 EUR) aufgedeckt.

In der Ergänzungsbilanz des A sind der Mehr-Firmenwert und das Mehrkapital je um 10/50 bzw. je 18.000 EUR zu mindern.

E hat den Anteil voll entgeltlich für 120.000 EUR erworben, übernimmt aber in der Gesamthand nur ein Kapitalkonto I von 30.000 EUR. Den Mehr-Kaufpreis von 90.000 EUR darf E in einer Ergänzungsbilanz aktivieren.

2. Gestaltungsüberlegungen
2.1 Kurzzeitiger Eintritt der Erben
Vorliegend ergibt sich die ungewünschte Gewinnrealisation für A, da er den Teil-Anteil erwirbt und sofort weiterverkauft. Diese Folge wäre nicht eingetreten, wenn E direkt von D bzw. dessen Erben erworben hätte. Hierzu hätte ‒ sofern berufsrechtlich zulässig ‒ statt der klassischen Fortsetzungsklausel eine Regelung getroffen werden sollen, die besagt, dass die Erben den Anteil des Verstorbenen zunächst erhalten und sodann entweder an die überlebenden Gesellschafter oder an einen von diesen benannten Dritten veräußern müssen.
2.2 Übertragung an Komplementär-GmbH
Bei einer personenidentischen GmbH & Co. KG ‒ Kommanditisten sind in gleichem Umfang an der KG und an der Komplementär-GmbH beteiligt, Komplementär-GmbH ist zu 0 % an der KG beteiligt ‒ bietet sich auch an, dass der Anteil des Verstorbenen an der Komplementärin auf die anderen Kommanditisten übergeht, während der Kommanditanteil gegen Abfindung auf die Komplementärin übergeht (und dann dort zu einem Komplementäranteil wird).
In diesem Anteil befinden sich dann wegen des entgeltlichen Erwerbs gegen die Abfindungszahlung keine stillen Reserven, sodass der Anteil danach von der Komplementärin ohne Entstehung eines Gewinns weiterverkauft werden kann.
MERKE | Hier wäre allerdings eine Zusatzregelung erforderlich, die sicherstellt, dass die verbleibenden Gesellschafter für die Abfindungsverpflichtung der Komplementärin bürgen oder sich verpflichten, diesen Kaufpreis zu finanzieren, damit die Komplementärin im Zweifelsfall tatsächlich fähig ist zu zahlen. |
Beachten Sie | Da im tatsächlichen BFH-Fall eine Rechtsanwalts-Partnerschaft Klägerin war, schied diese Variante allerdings alleine schon deshalb aus, dass dadurch eine Gewerblichkeit eingetreten wäre.
2.3 Beitritt des E statt Veräußerung an E
Statt der Veräußerung an E hätte E durch Einzahlung in die Gesellschaft beitreten können. Bei dieser Gestaltung hätte A keine Anteile verkauft und nach § 24 UmwStG eine negative Ergänzungsbilanz aufstellen dürfen, die im Ergebnis die positive Ergänzungsbilanz neutralisiert hätte.
Beachten Sie | Dies hätte aber zur Folge gehabt, dass die Einlage des E in der Gesamthand verbleiben müsste, sodass dort ggf. liquide Mittel unnötig „herumliegen“ würden. Ferner ist zu bedenken, dass E dann mittelbar an seiner eigenen Einlage beteiligt wäre, sodass diese um 1/9 höher sein müsste als der Kaufpreis und E folglich mehr hätte finanzieren müssen.