· Fachbeitrag · Corona-Krise
Unterhalt in Zeiten von Corona
von VRiOLG i.R., RA Dieter Büte, Bad Bodenteich
| Die Folgen der Corona-Pandemie sind allgegenwärtig. (Drohende) Insolvenzen, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit führen dazu, dass das Einkommen sinkt und Unterhalt nicht mehr oder nur eingeschränkt gezahlt werden kann. Dauer und Ausmaß der negativen Folgen sind trotz der milliardenschweren Hilfspakete seitens der Bundesregierung nicht absehbar, was die Prognose der Einkommensentwicklung erschwert. Dies wirkt sich auf Unterhaltstitel und auf die Regelung künftiger Unterhaltsansprüche aus. |
1. Auswirkung auf die Berechnung bei Selbstständigen
Infolge der Schließungen von Gewerbebetrieben können deren Inhaber ‒ Gleiches gilt auch für Künstler Z‒ keine Gewinne mehr erzielen, aus denen sich das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen ermittelt. Grundlage dessen ist eine Prognose (BGH FamRZ 05, 101) für die Zukunft anhand des Durchschnitts der dem Unterhaltszeitraum vorausgehenden drei Kalenderjahre, um konjunkturelle und sonstige Schwankungen und auch steuerlich zulässige Einkommensverlagerungen auszugleichen (BGH FamRZ 04, 1177). Bei einer Unterhaltsregelung in 2020 würden sich coronabedingte Einkommenseinbußen auf das Durchschnittseinkommen nicht auswirken, da nur 2017 bis 2019 zu beachten sind. Unterhalt für 2020 könnte nicht herabgesetzt werden. Lässt sich aber aus dem Durchschnittswert aus der Vergangenheit keine zuverlässige Prognose ableiten, kann dieses Jahr bei der Durchschnittsberechnung unbeachtet bleiben, führt aber in der aktuellen Situation nicht weiter. Obwohl selbst stark schwankende Einkünfte bei Selbstständigen und Gewerbetreibenden regelmäßig vorkommen, handelt es sich hier um eine bisher noch nicht erlebte Krise. Es ist nicht absehbar, wann sich die wirtschaftliche Lage wieder normalisiert. Die auf Daten aus der Vergangenheit beruhende Prognose ist nicht mehr zutreffend.
Die Regelungen des Gesetzes zur Abmilderung von Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.20 (BGBl. I 2020, 569 ff.) sehen in Art. 5 ein Moratorium für die Erfüllung vertraglicher Ansprüche vor (Viefhues, FuR 20, 254 ff.). Die an kleine Unternehmen, Soloselbstständige und Angehörige der freien Berufe als Zuschüsse ausgezahlten Soforthilfen bis zu 9.000 EUR/15.000 EUR dienen dazu, die wirtschaftliche Existenz zu sichern, Liquiditätsengpässe wegen laufender Betriebskosten zu überbrücken und stehen damit für Unterhaltszwecke nicht zur Verfügung (a.A. Niepmann, NZFam 20, 383). Die Regelungen sind befristet bis zum 30.6.20, können aber bis zum 30.9.20 verlängert werden, § 4 Abs. 1. Deshalb ist es gerechtfertigt, bei einer schlagartigen Verminderung, z. B. um mehr als 50 Prozent des durchschnittlichen Einkommens aus 2017 und 2018 bei einer Neuberechnung das aktuelle Einkommen zugrunde zu legen (a.A. Niepmann, NZFam 20, 383).
Nach der BGH-Rechtsprechung gilt: Beim Einkommensrückgang, dessen Dauer absehbar ist, muss der Pflichtige Rücklagen bzw. verwertbares Vermögen einsetzen, um die Unterhaltslücke zu füllen (FamRZ 88, 145, 147; 03, 590, 592).
Bei einer Abwägung der beiderseitigen schutzwürdigen Interessen dürfte in dieser Zeit aber keine solche Pflicht bestehen (Schürmann, FamRB 20, 199; a.A. Niepmann, NZFam 20, 383, 384). Die Dauer der Pandemie ist nicht absehbar, es droht eine Rezession mit steigenden Arbeitslosenzahlen. Gewerbetreibende und Soloselbstständige können oft keine Rücklagen bilden. Sind solche vorhanden, muss damit der Betrieb gesichert oder fortgeführt werden. Nicht verlangt werden kann, einen Kredit aufzunehmen, um den Unterhalt zu finanzieren. Voraussetzung dafür wäre, dass dieser zurückgeführt werden kann (BGH FamRZ 83, 140). Das lässt sich aber nicht absehen. Eine Kreditaufnahme dürfte häufig an fehlenden Sicherheiten scheitern (zu steuerlichen Maßnahmen aufgrund der Auswirkungen von Corona: Kuckenburg/Perleberg-Kölbel, FuR 20, 263).
2. Auswirkungen auf die Berechnung bei Beschäftigten
Mehr als 700.000 Betriebe haben Kurzarbeitergeld beantragt. Rückwirkend ab dem 1.3.20 ist der Zugang dazu erleichtert worden. Die Bundesagentur für Arbeit zahlt als Ersatz für den durch einen vorübergehenden Arbeitsausfall entfallenden Lohn bei kinderlosen Beschäftigten 60 Prozent und bei Beschäftigten mit Kindern 67 Prozent. Dies gilt für zwölf Monate, § 104 SGB III. Es bleibt eine Einkommenslücke von 25 bis 30 Prozent des Nettoeinkommens (Borth, FamRZ 20, 653). Am 22.4.20 hat sich der Koalitionsausschuss auf eine Erhöhung verständigt: Ab dem 4. Monat des Bezugs soll das Kurzarbeitergeld für kinderlose Beschäftigte, die derzeit um mindestens 50 Prozent weniger arbeiten, auf 70 Prozent und ab dem siebten Monat des Bezugs auf 80 Prozent des Lohnausfalls erhöht werden, bei Beschäftigten mit Kindern ab 77 Prozent bzw. 87 Prozent. Der Bezug ist befristet bis zum 31.12.20. Unter Beachtung des Progressionsvorbehalts (§ 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG) verbleibt eine Einkommenslücke.
PRAXISTIPP | Das Kurzarbeitergeld ist eine laufende Geldleistung, §§ 95 ff. SGB II). Anspruchsinhaber ist der Schuldner als Arbeitnehmer, § 95 S. 1 SGB III. Es ist wie Arbeitseinkommen pfändbar, um Unterhalt gem. § 54 Abs. 4 SGB I zu vollstrecken (Benner, NZFam 20, 385 ff.). Es besteht keine Pflicht, sich um eine andere Stelle zu bemühen (Borth, FamRZ 20, 683, 684). Bei einer durch die Corona-Pandemie bedingten eingeschränkten Leistungsfähigkeit ist aber eine Nebentätigkeit aufzunehmen. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens setzt allerdings voraus, dass eine reale Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Ein Hinzuverdienst beim Bezug von Kurzarbeitergeld ist in voller Höhe anrechenbar. Nach § 421c SGB III (Sozialschutzpaket I vom 27.3.20, BT-Drucksache 19/18107, 10, 26) bleibt ‒ befristet bis Oktober 20 ‒ der Zusatzverdienst aus einer Beschäftigung in den systemrelevanten Branchen und Berufen bis zur Gesamthöhe des ungekürzten Arbeitslohns anrechnungsfrei. Beim vorgezogenen Rentenbezug sind die Hinzuverdienstmöglichkeiten von Rentnern bis Ende 2020 erweitert worden (§ 34 Abs. 8 SGB VI, BGBl. 2020 I, 575).
Durch das Sozialschutzpaket II, das die Bundesregierung am 29.4.20 verabschiedet hat, sind die Hinzuverdienstmöglichkeiten in der Zeit vom 1.4. bis 31.12.20 nochmals erweitert worden. Nach § 421c SGB III wird abweichend von § 106 Abs. 3 SGB ein Entgelt aus einer anderen, während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommenen Beschäftigung dem Ist-Entgelt nicht hinzugerechnet, soweit das Entgelt aus der neuen Beschäftigung zusammen mit dem Kurzarbeitergeld und dem verbliebenen Ist-Entgelt aus der ursprünglichen Beschäftigung die Höhe des Soll-Entgelts aus der Beschäftigung, für die Kurzarbeitergeld gezahlt wird, nicht übersteigt. Die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommenen Beschäftigungen nach S. 1 sind versicherungsfrei zur Arbeitsförderung. |
Das Arbeitslosengeld I (ALG I) beträgt 60 Prozent bzw. 67 Prozent des täglichen Nettoentgelts und wird gem. § 147 SGB III abhängig von der Beschäftigungsdauer für sechs bis zwölf Monate für unter 50-jährige Arbeitnehmer gezahlt und verlängert sich für ältere Arbeitnehmer auf 24 Monate, § 147 Abs. 2 SGB III (dazu Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 10. Aufl., § 1 Rn. 107). Aus einer Nebentätigkeit können 165 EUR pro Monat anrechnungsfrei hinzuverdient werden. Daneben besteht auch in Corona-Zeiten die Pflicht für den Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten, sich nachhaltig um eine Erwerbsmöglichkeit zu bemühen (BGH FamRZ 11, 1851).
Sozialleistungen wie das Kurzarbeitergeld und das ALG I sind ein Ausgleich für den entgangenen Arbeitsverdienst. Sie sind gegenüber Unterhaltsansprüchen nicht subsidiär und haben Lohnersatzfunktion (BGH FamRZ 08, 594). Es werden weder ein Erwerbstätigenbonus (BGH FamRZ 07, 983) noch fünf Prozent berufsbedingte Unkosten abgezogen.
3. Unterhaltsanpassung
Wie auf Veränderungen zu reagieren ist, hängt davon ab, ob der Unterhalt tituliert ist oder nicht.
a) Unterhalt ist nicht tituliert
Ist der Unterhalt nicht tituliert, kann ein Pflichtiger die Zahlungen reduzieren oder einstellen. Damit ein Berechtigter Rückstände nachfordern kann, muss sich der Schuldner in Verzug befinden. Teilweise wird vertreten, dies sei der Fall gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB bei einer Einstellung von in der Vergangenheit regelmäßig gezahltem Unterhalt ‒ sog. Selbstmahnung (Wendl/Dose/Siebert, a.a.O., § 6 Rn. 134). Der BGH sieht darin eine eindeutige und endgültige Leistungsverweigerung nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB (FamRZ 83, 352, 354). Fraglich ist, ob diese Grundsätze weiterhin gelten (so Viefhues FuR 20, 254, 259).
PRAXISTIPP | Der Anwalt sollte einen Unterhaltspflichtigen in Verzug setzen und den Unterhalt im Wege einstweiliger Anordnung nach § 246 i. V. m. §§ 49 ff. FamFG geltend machen, über die i. d. R. nur nach mündlicher Verhandlung entschieden wird und die nach § 54 FamFG rückwirkend auch abgeändert werden kann. |
b) Unterhaltsverfahren ist anhängig
Sinnvoll ist ein befristeter Zwischenvergleich. Für diese Zeit ist ein Ruhen des Verfahrens zu beantragen, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 251 S. 1 ZPO. Nach dessen Wiederaufnahme ist unter Beachtung des dann vorliegenden Einkommens eine dauerhafte Regelung zu treffen.
c) Unterhaltstitel besteht
Ist wegen einer Einkommensminderung die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen gemindert, besteht in diesem Umfang keine Unterhaltspflicht. Da eine Stundung nur einen Zahlungsaufschub bedeutet, muss er sich darauf nicht einlassen. Eine solche befristete Vereinbarung (BGH FamRZ 17, 370) steht aber der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen entgegen. Der Schuldner kann den Vollstreckungsgegenantrag nach § 767 ZPO stellen, verbunden mit einem Einstellungsantrag nach § 769 ZPO.
aa) Abänderung durch einstweilige Anordnung
Eine Abänderung ist nach § 54 Abs. 1 FamFG und Abs. 2 FamFG möglich. Streitig ist, ob ein Antrag auf Nachholung der mündlichen Verhandlung vorrangig ist (OLG Celle FamRZ 13, 569; a.A. Keidel/Giers, FamFG, 20. Aufl., § 54 Rn. 14). Der Antrag kann nach Abs. 1 als Antrag, aufgrund mündlicher Verhandlung erneut zu beschließen, auszulegen sein. Es wird insoweit nach § 246 Abs. 2 FamFG verfahren (Wendl/Dose/Schmitz a.a.O.). Hat sich die Leistungsfähigkeit verändert, ist stets die Aussetzung der Vollziehung (§ 55 FamFG) zu beantragen. Darüber wird nach § 55 Abs. 2 FamFG vorab entschieden.
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bb) Negativer Feststellungsantrag
Ein Pflichtiger kann durch einen negativen Feststellungsantrag den durch einstweilige Anordnung geregelten Unterhaltsanspruch klären lassen (BGH FamRZ 18, 1343), u. a. wenn es um die wirtschaftlichen Verhältnisse geht (Wendl/Dose/Schmitz, a.a.O., § 10 Rn. 438). Dieser ist zu verbinden mit einem auf eine analoge Anwendung des § 242 FamFG i. V. m. § 769 ZPO gestützten Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung und ggf. mit einem VKH-Gesuch.
Musterantrag / Negativer Feststellungsantrag |
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cc) Vergleich im Verfahren der einstweiligen Anordnung
Stellt ein abzuändernder Vergleich nur eine vorläufige Regelung dar, kann ein Antragsteller wählen, einen Antrag nach § 54 FamFG oder einen negativen Feststellungsantrag zu stellen (BGH FamRZ 18, 1343).
PRAXISTIPP | Eine Abänderung nach § 239 FamFG ist nur möglich, wenn der Vergleich eine über die Erledigung des summarischen Anordnungsverfahrens hinausreichende Wirkung i. S. e. endgültigen Unterhaltsregelung (sog. Gesamtvergleich) beigemessen hat (OLG Köln FamRZ 15, 598; OLG Jena FamRZ 12, 54). |
dd) Abänderung nach § 238 FamFG
Ein Abänderungsantrag ist zulässig, wenn ein Antragsteller eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eines Titels geltend macht, § 238 Abs. 1 S. 2 FamFG. Ob eine Veränderung vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit. Bei der Zulässigkeit sind die unstreitigen Gesichtspunkte darzulegen. Es reicht nicht aus, dass sich ein Antragsteller auf einen einzelnen Umstand beruft, der sich seit der Titulierung zu seinen Gunsten geändert hat. Die Gesamtbeurteilung aller Veränderungen und der unveränderten Verhältnisse muss erkennen lassen, dass die Veränderung wesentlich ist. Deshalb sind die Umstände darzulegen, die für den Grund, die Höhe und die Dauer der Unterhaltspflicht maßgeblich gewesen sind. Dazu gehört auch der zugrunde liegende Rechenweg. Nicht ausreichend ist ein einseitiger Vortrag des Unterhaltspflichtigen zur Verringerung der Leistungsfähigkeit, die aktuellen Verhältnisse zur Leistungsfähigkeit sind in einer Neuberechnung darzustellen (OLG Brandenburg FuR 19, 541).
Haben sich die Einkommensverhältnisse durch die Corona-Krise wesentlich verschlechtert, kann dies rechtfertigen, den Titel abzuändern, da sich die dem Titel zugrunde liegende Prognose (jetzt) als falsch herausgestellt hat. Reichen die Mittel nicht mehr aus, um alle Verpflichtungen zu erfüllen, ist ein nicht mutwillig herbeigeführter Einkommensrückgang vom ersten Tag an beachtlich (BGH FamRZ 87, 359) und damit die für eine wesentliche Veränderung genannte Grenze von 10 Prozent ohne Bedeutung (BGH FamRZ 92, 539).
ee) Rückwirkende Abänderung
Ein Unterhaltsbeschluss darf nur für die Zeit ab Zustellung des Abänderungsantrags geändert werden, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 253 Abs. 1 ZPO. Der Zugang des VKH-Gesuchs genügt nicht (BGH FamRZ 84, 353). Ist der Antrag auf Erhöhung gerichtet, weil sich das Einkommen des Berechtigten reduziert hat, ist dies auch rückwirkend möglich (§ 238 Abs. 3 S. 2 FamFG), sofern nach materiellem Recht rückwirkend Unterhalt verlangt werden kann, d. h. ab Verzug, Rechtshängigkeit sowie ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verpflichtete wirksam aufgefordert wurde, Auskunft über seine Einkommensverhältnisse zu erteilen, § 1613 Abs. 1 BGB. In dem Begehren ist anzugeben, zu welchem Zweck die Auskunft verlangt wird (OLG Frankfurt FuR 02, 534). Eine Mahnung an den gegnerischen Anwalt ist nur wirksam, wenn er für die konkrete Angelegenheit Empfangsvollmacht hat. Erfolgt sie an den früheren Verfahrensbevollmächtigten, begründet dies keinen Verzug (OLG Frankfurt FamRZ 17, 1136).
Ist der Antrag auf Herabsetzung gerichtet, ist dies für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr vor Rechtshängigkeit nicht möglich, sondern nur für die Zeit ab dem ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen folgenden Monats, § 238 Abs. 3 S. 3 FamFG (sog. negative Mahnung). Abzustellen ist auf den Zugang der Aufforderung. Ausreichend ist eine Mitteilung des Schuldners an den Gläubiger, aus der sich ergibt, dass nun kein oder nur noch ein geringerer Unterhalt geschuldet wird (OLG Hamburg NJW 13, 2042).
ff) Einstellung der Zwangsvollstreckung
Da ein Antrag auf Abänderung eines Beschlusses keine aufschiebende Wirkung hat, sodass daraus weiter vollstreckt werden kann, ist dieser zwingend mit einem Einstellungsantrag (§ 242 FamFG i. V. m. § 769 ZPO) zu verbinden. Die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
Musterantrag / Änderung eines Unterhaltsbeschlusses |
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gg) Abänderung nach § 239 FamFG
Eine Abänderung von Vergleichen (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und vollstreckbaren Urkunden (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) ist nur nach § 239 FamFG möglich. Materiell-rechtlich greifen die Grundsätze einer Störung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (BGH FamRZ 11, 1041; 17, 370; 20, 577).
PRAXISTIPP | Enthält ein Vergleich keine Grundlagen, wird der Unterhalt oft ohne Bindung berechnet. Eine Abänderung ist aber nach § 239 Abs. 1 S. 2 FamFG nur zulässig, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine Abänderung rechtfertigen (BGH FamRZ 13, 1215). Daher sind die Vergleichsgrundlage sowie die jetzigen Verhältnisse darzulegen, aus denen sich eine Abänderung ergibt (OLG Brandenburg NZFam 19, 210), also auch ein dem Titel zugrunde liegender Rechenweg (Prütting/Helms/Bömelburg, FamFG, 4. Aufl., § 239 Rn. 24) und die für die Einkommensermittlung maßgeblichen Tatsachen (Büte, FuR 19, 529, 531). Der BGH hält fehlenden Vortrag zu den Vergleichsgrundlagen für unschädlich (FamRZ 20, 577, 578). |
Bei Jugendamtsurkunden nach §§ 59, 60 SGB VIII gilt: Beruht die Urkunde auf einer Vereinbarung (BGH FamRZ 17, 370), erfolgt eine Abänderung nach den Grundsätzen des Wegfalls oder der Störung der Geschäftsgrundlage, zu der vorzutragen ist. Wurde die Urkunde ohne Vereinbarung errichtet, richtet sich die Anpassung nach den derzeitigen Verhältnissen (BGH FamRZ 11, 1041), wobei für den Pflichtigen eine materiell-rechtliche Bindung aufgrund eines begleitenden deklaratorischen Schuldanerkenntnisses besteht (BGH FamRZ 11, 1041). Eine Abänderung nach § 239 FamFG kann rückwirkend ab dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem materiell-rechtlich ein Wegfall der Geschäftsgrundlage eingetreten ist. Um der bei einem sofortigen Anerkenntnis drohenden Kostenfolge zu entgehen, sollte auch hier zuvor zumindest ein eindeutiges Verzichtsverlangen erfolgen. Der Abänderungsantrag ist mit einem Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 242 FamFG i. V. m. § 769 ZPO zu verbinden.
Musterantrag / Änderung Vergleich/Jugendamtsurkunde |
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FAZIT | Vorrangig ist eine vergleichsweise Regelung anzustreben. Unabhängig von der Art des Titels können die Beteiligten einvernehmlich diesen außergerichtlich durch einen neuen Vollstreckungstitel ersetzen (BGH FamRZ 17, 370). |