· Fachbeitrag · Bilanzierung
Altersteilzeitvereinbarungen in Handels- und Steuerbilanz
von StB Dipl.-Bw. (FH) Thorsten Normann, Olsberg
| Die richtige Abbildung von Altersteilzeitvereinbarungen gehört zu den Klassikern bei der Bilanzierung. Das Urteil des BFH (27.9.17, I R 53/15 ) zum Nachteilsausgleich und das daraufhin geänderte Schreiben des BMF (22.10.18, IV C 6 - S 2175/07/10002 , Abruf-Nr. 205142 ) zeigen jedoch, dass es auch hier immer noch Neuerungen gibt. Grund genug, im Folgenden die richtige Bilanzierung in Handels- und Steuerbilanz zu betrachten. |
1. Funktionsweise von Altersteilzeitvereinbarungen
Nach dem Altersteilzeitgesetz (AltTZG) besteht für Arbeitgeber die Möglichkeit, mit Arbeitnehmern eine Altersteilzeitvereinbarung zu schließen (frühester Beginn: 55. Lebensjahr). Die Vereinbarungen können auf Individualabreden, Betriebsvereinbarungen oder auf Tarifverträgen beruhen. Für die Gestaltung der Altersteilzeit stehen die folgenden Modelle zur Verfügung:

Beide Modelle haben zunächst gemeinsam, dass die regelmäßige Arbeitszeit (in der Regel um 50 %) reduziert wird. Die damit verbundene Reduzierung der Vergütung wird durch Aufstockungszahlungen des Arbeitgebers teilweise abgefangen.
Die beiden Modelle unterscheiden sich jedoch durch den Zeitraum der Freistellung. Im Gleichverteilungsmodell wird die Arbeitszeit vom Vertragsbeginn bis zum Eintritt in den Ruhestand (im obigen Beispiel in den Jahren 1 bis 10) gleichmäßig reduziert.
Beim Blockmodell wird der Zeitraum der Altersteilzeitbeschäftigung hingegen in zwei Phasen bzw. Blöcke unterteilt:
- Block 1: Beschäftigungsphase (im Beispiel die Jahre 1 bis 5),
- Block 2: Freistellungsphase (im Beispiel die Jahre 6 bis 10).
Während der Beschäftigungsphase arbeitet der Arbeitnehmer unverändert in Vollzeit. Er erhält aber nur noch ein reduziertes Entgelt. In der zweiten Phase wird der Arbeitnehmer dann von der Arbeit komplett freigestellt. Auch in der Freistellungsphase steht ihm aber das reduzierte Entgelt unverändert zu.
2. Problemfelder bei der Bilanzierung von ATZ-Vereinbarungen
Die Abbildung von ATZ-Vereinbarungen in Handels- und Steuerbilanz wirft zahlreiche Fragestellungen auf. Um nicht den Überblick zu verlieren, empfiehlt sich eine Unterteilung in die folgenden vier Bereiche:
- Erfüllungsrückstand im Blockmodell
- Aufstockungsbeträge
- Nachteilsausgleich
- Sicherungskapital
3. Rückstellung für Erfüllungsrückstände
Aus Sicht des Arbeitgebers entsteht beim Blockmodell wegen der Vorleistung des Arbeitnehmers (volle Arbeitsleistung bei reduziertem Entgelt) ein Erfüllungsrückstand. Dieser Erfüllungsrückstand muss sowohl in der Handelsbilanz (§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB) als auch in der Steuerbilanz (§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG) durch die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten berücksichtigt werden („Originäre ATZ-Rückstellung“).
Beachten Sie | Im Gegensatz zum Blockmodell kommt es beim Gleichverteilungsmodell aufgrund der gleichmäßigen Arbeitsleistung nicht zu Erfüllungsrückständen des Arbeitgebers. In der Handels- und in der Steuerbilanz darf daher keine Rückstellung erfolgen.
Die Bewertung der Erfüllungsrückstände zum Bilanzstichtag bzw. die Ermittlung der Rückstellungshöhe erfolgt in Handels- und Steuerbilanz unterschiedlich. Da die handelsrechtliche Rückstellung höher ist als die steuerliche Rückstellung, können in der Handelsbilanz aktive latente Steuern ausgewiesen werden (Ansatzwahlrecht: § 274 Abs. 1 HGB).
Bemessungsgrundlage sind sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz zunächst die in der Freistellungsphase zu gewährenden Vergütungen einschließlich der Nebenleistungen (wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung). In beiden Bilanzen ist die Rückstellung ratierlich anzusammeln.
Handelsrechtlich sind ATZ-Rückstellungen gem. § 253 Abs. 1 S. 2 HGB mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag anzusetzen. Die Zuführung hat künftige Preis- und Kostensteigerungen (z. B. Tariferhöhungen) zu berücksichtigen. Die Abzinsung erfolgt nach § 253 Abs. 2 HGB mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz.
Steuerrechtlich sind die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG). Darüber hinaus sind die Rückstellungen mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG).
Die erforderliche Abzinsung (Barwertermittlung) kann steuerrechtlich alternativ nach zwei Verfahren erfolgen ‒ und zwar
- nach versicherungsmathematischen Grundsätzen oder
- nach einem Pauschalwertverfahren.
In der Regel erfolgt die Bewertung von ATZ-Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz nach versicherungsmathematischen Grundsätzen. Hierfür werden in der Praxis häufig Gutachten von Aktuaren (Versicherungsmathematikern) erstellt.
Alternativ kann steuerrechtlich aber auch ein Pauschalwertverfahren angewandt werden. Die Barwertermittlung erfolgt dann mittels der in Tabelle 1 des Schreibens des BMF (28.3.07, IV B 2 - S 2175/07/0002) angegebenen Barwertfaktoren. Diese Barwertfaktoren berücksichtigen die biometrische Wahrscheinlichkeit des Ausscheidens des Altersteilzeitberechtigten und die Abzinsung.
MERKE | Altersteilzeitverpflichtungen können aber nur einheitlich ermittelt werden: entweder versicherungsmathematisch oder nach dem Pauschalwertverfahren. Die für ein Wirtschaftsjahr getroffene Wahl bindet das Unternehmen für die folgenden vier Wirtschaftsjahre (BMF 28.3.07, Tz. 13). |
4. Bilanzielle Behandlung der Aufstockungsbeträge
Neben der „originären“ ATZ-Rückstellung für den Erfüllungsrückstand muss auch für die Verpflichtung zur Zahlung von Aufstockungsbeträgen handelsrechtlich eine Rückstellung gebildet werden. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufstockungszahlungen Abfindungs- oder Entlohnungscharakter haben. Das IDW (RS HFA 3, Tz. 7 ff.) grenzt hier wie folgt ab:
- Für einen Entlohnungscharakter spricht u. a., dass mit der Gewährung der Altersteilzeit die lange Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter zusätzlich honoriert werden soll oder dass Anreize zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit geschaffen werden sollen. Dass die spätere Reduktion der Arbeitszeit schon zu Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde, ist ebenfalls ein Indikator.
- Greifen die Vereinbarungen in bestehende Arbeitsverhältnisse ein und dienen sie primär dazu, den gleitenden Übergang älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand zu fördern, werden die Aufstockungsbeträge geleistet, um dies für den Arbeitnehmer attraktiver zu machen. Die Aufstockungsbeträge stellen somit eine eigenständige Abfindungsverpflichtung des Arbeitgebers dar.
Bei der Passivierung der Aufstockungsbeträge ist wie folgt zu differenzieren (IDW RS HFA 3, Tz. 19 bis Tz. 23):
- Handelt es sich um eine Verpflichtung mit Abfindungscharakter, ist die Rückstellung sofort in voller Höhe aufwandswirksam zu bilden. Es gelten die allgemeinen Grundsätze für Abfindungsrückstellungen.
- Handelt es sich um eine Verpflichtung mit Entlohnungscharakter, ist die Rückstellung über den Zeitraum anzusammeln, in dem die zusätzliche Entlohnung in Form der Aufstockungsbeträge von den Arbeitnehmern erdient wird. Ist in der Vereinbarung kein Zeitraum der Erdienung erkennbar, kann davon ausgegangen werden, dass der Zeitraum mit dem Abschluss der Vereinbarung beginnt und mit dem Ende der Beschäftigungsphase endet.
- Beachten Sie | Diese Bewertungsgrundsätze gelten sowohl für Individual- als auch für Kollektivvereinbarungen.
MERKE | Die steuerrechtliche Rückstellungsbildung für die Aufstockungsbeträge beim Blockmodell hat immer „parallel“ zur Rückstellung für den Erfüllungsrückstand zu erfolgen (BMF 28.3.07, Tz. 2). Es ist also eine ratierliche Ansammlung erforderlich.
Da es sich bei den Aufstockungsbeträgen um einen Bestandteil des Arbeitsentgelts handelt, folgert daraus Hänsch (in BBK 18, 1156), dass beim Gleichverteilungsmodell steuerlich keine Rückstellung zu bilden ist, da kein Erfüllungsrückstand entsteht. |
5. Neue Entwicklungen beim Nachteilsausgleich
Neben der Zahlung von Aufstockungsbeträgen federn viele Arbeitgeber die mit den Altersteilzeitvereinbarungen verbundenen, finanziellen Nachteile ihrer Arbeitnehmer durch Einmalzahlungen ab. Vor allem ein Nachteilsausgleich für die Minderung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist weit verbreitet.
Handelsrechtlich sind für solche Verpflichtungen bereits ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entsprechende Rückstellungen zu bilden.
Steuerlich hat der BFH (27.9.17, I R 53/15) kürzlich entschieden, dass Arbeitgeber hinsichtlich laufender Altersteilzeitarbeitsverträge keine Rückstellungen für den Nachteilsausgleich gemäß § 5 Abs. 7 TV ATZ bilden dürfen. Diese Entscheidung stand jedoch im Widerspruch zur Tz. 15 des BMF-Schreibens vom 28.3.07 (a. a. O.), wonach für den Nachteilsausgleich im Zusammenhang mit einer Minderung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine ratierlich anzusammelnde Rückstellung gebildet werden konnte. Demzufolge hat die Finanzverwaltung die Tz. 15 nun wie folgt überarbeitet (BMF 22.10.18, a. a. O.):
Verpflichtet sich der Arbeitgeber, in der Freistellungsphase oder nach dem Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses einen zusätzlichen Ausgleichsbetrag zu zahlen, ist es nicht zu beanstanden, diese Verpflichtung erstmals am Ende des Wirtschaftsjahrs, in dem die Beschäftigungsphase beginnt, mit dem versicherungsmathematischen Barwert nach § 6 EStG unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 5,5 % zurückzustellen und bis zum Ende der Beschäftigungsphase ratierlich anzusammeln.
MERKE | Für Nachteilsausgleichsverpflichtungen, die den Eintritt eines bestimmten Ereignisses voraussetzen, dürfen keine Rückstellungen passiviert werden. Das gilt auch dann, wenn am Bilanzstichtag der Eintritt des Ereignisses wahrscheinlich ist (z. B. Nachteilsausgleichsansprüche aufgrund einer Minderung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, BFH 27.9.17, I R 53/15). |
Beachten Sie | Die Neufassung der Tz. 15 ist erstmals bei Altersteilzeitarbeitsverhältnissen anzuwenden, die nach dem 22.11.18 (= Tag der Veröffentlichung des BMF-Schreibens im Bundessteuerblatt) beginnen. Die auf Basis der bisherigen Tz. 15 passivierten Rückstellungen können planmäßig bis zur Auszahlung oder dem Wegfall des Nachteilsausgleichs weitergeführt werden.
6. Bilanzierung des Sicherungskapitals
Bei Anwendung des Blockmodells geht der Arbeitnehmer zunächst in Vorleistung. Er arbeitet nämlich weiterhin Vollzeit für ein reduziertes Entgelt und erwirbt als Gegenleistung ein Zeitguthaben für seine Freistellungsphase. Bezüglich des erworbenen Anspruchs besteht das Risiko, dass das Unternehmen zahlungsunfähig wird und dem Arbeitnehmer daher sein Entgelt in der Freistellungsphase nicht mehr auszahlen kann.
Der Gesetzgeber hat das Risiko erkannt und den Arbeitgeber dazu verpflichtet, die erworbenen Ansprüche der Arbeitnehmer entsprechend abzusichern (§ 8a AltTZG). Die Art der Absicherung ist gesetzlich aber nicht vorgeschrieben. In der Praxis erfolgt die Absicherung häufig durch den Kauf und die anschließende Verpfändung von Wertpapieren. Die meisten Banken bieten entsprechende Treuhandkonten an.
Beachten Sie | Eine Absicherung wird nur für den Erfüllungsrückstand, nicht aber für die Aufstockungsbeträge gefordert!
Handelsrechtlich sind die Vermögensgegenstände (z. B. Wertpapiere, die der Absicherung der Altersteilzeitverpflichtungen dienen) mit den entsprechenden Verpflichtungen zu saldieren (§ 246 Abs. 2 HGB). Wird jedoch der Verwendungszweck des Deckungsvermögens auf den Erfüllungsrückstand beschränkt, ist nur hierfür eine Saldierung vorzunehmen.
Steuerrechtlich ist nach § 5 Abs. 1a S. 1 EStG eine Verrechnung von Posten der Aktivseite mit Posten der Passivseite unzulässig. In der Steuerbilanz erfolgt somit ein unsaldierter Ausweis.
Weiterführender Hinweis
- Neue handelsrechtliche Grundsätze bei der Bilanzierung von Altersteilzeitverpflichtungen (Graf in BBP 15, 116)