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01.12.2010 | Betriebsübergang

Die Verwirkung des Widerspruchsrechts beim Betriebsübergang

von RA Stefan Vomweg, FA Steuerrecht, STV Rechtsanwälte, Koblenz

In einer wichtigen Entscheidung hat das BAG (20.5.10, 8 AZR 1011/08, Abruf-Nr. 103655) über den Betriebsübergang der Mobilfunksparte von der Firma Siemens auf die Firma BenQ entschieden. Hierbei ist es vor allem auf die Voraussetzungen eines wirksamen Unterrichtungsschreibens und die Möglichkeit der Verwirkung des Widerspruchsrechts der betroffenen ArbN eingegangen. „Arbeitsrecht aktiv“ erläutert, worauf Betriebsveräußerer und Erwerber in einer solchen Situation achten müssen und gibt Ihnen am Ende des Beitrags eine Musterformulierung für ein Unterrichtungsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB an die Hand.  

 

Sachverhalt

Am 30.9.05 hat die Firma Siemens den Bereich „Com MD (Mobile Devices)“ und die Vermögensgegenstände dieses Geschäftsbereichs in Deutschland im Wege der Einzelrechtsübertragung auf die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG übertragen. Gesellschafter dieser Firma waren die Firma BenQ Mobile Management GmbH und die BenQ Wireless GmbH. Die Firma Siemens informierte mit Schreiben vom 29.8.05 die Mitarbeiter dieses Geschäftsbereichs über die Übertragung der Aktivitäten nach § 613a BGB.  

 

Der wesentliche Inhalt des Unterrichtungsschreibens

Das BAG und die Vorinstanzen stellten fest, dass das Unterrichtungsschreiben der Firma Siemens an ihre Mitarbeiter nicht den gesetzlichen Vorgaben genügte. Insoweit wurden folgende Mängel gerügt:  

 

  • Die vollständige Adresse des Betriebsübernehmers wurde nicht angegeben,
  • der Grund für den Übergang wurde nicht ausreichend dargelegt,
  • die wirtschaftliche Lage des Betriebsübernehmers wurde nicht dargestellt.

Dies zeigt, welche hohen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Unterrichtungsschreiben im Sinne des § 613a Abs. 5 BGB gestellt werden. Es muss in der Praxis darauf geachtet werden, dass hierbei größte Sorgfalt an den Tag gelegt wird und die im Gesetz und in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beachtet werden. Nach § 613a Abs. 5 BGB muss das Unterrichtungsschreiben folgenden Inhalt haben (der für sich allein aber nach der o.g. BAG-Rechtsprechung nicht ausreicht):  

 

NaN. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
NaN. den Grund für den Übergang,
NaN. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die ArbN und
NaN. die hinsichtlich der ArbN in Aussicht genommenen Maßnahmen.

 

Rechtsfolge: Einmonatige Widerspruchsfrist gilt nicht

Wenn das Unterrichtungsschreiben diesen gesetzlichen Vorgaben nicht genügt, hat dies zur Konsequenz, dass dem Übergang des Arbeitsverhältnisses prinzipiell jederzeit, insbesondere auch nach Ablauf der in § 613a Abs. 6 BGB normierten einmonatigen Widerspruchsfrist, widersprochen werden kann. In dem vom BAG entschiedenen Fall erfolgte der Widerspruch erst nach etwa einem Jahr. Der wirksame Widerspruch hat zur Konsequenz, dass das Arbeitsverhältnis zu dem ursprünglichen ArbG weiterhin besteht und dieser auch zur Zahlung des Lohns verpflichtet ist.  

 

Möglichkeit der Verwirkung

In Betracht kommt aber, dass das Widerspruchsrechts des ArbN verwirkt sein könnte. Dies war im zu entscheidenden Fall nach den Ausführungen des BAG der Fall. Entgegen den Vorinstanzen hat es eine Verwirkung angenommen, weil der ArbN zunächst eine Aufhebungsvereinbarung mit Regelung einer Abfindung mit der Firma BenQ abgeschlossen hat. Das BAG hat insofern ausgeführt, dass durch diese Aufhebungsvereinbarung das für eine Verwirkung notwendige Umstandsmoment gegeben sei. Hinsichtlich des weiter notwendigen Zeitablaufs sei der seit der Unterrichtung über den Übergang des Arbeitsverhältnisses abgelaufene Zeitraum von 13 Monaten und der Ablauf von 12 Monaten seit Übergang des Arbeitsverhältnisses ein ausreichendes Zeitmoment. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass das Umstandsmoment, welches durch die Aufhebungsvereinbarung geschaffen wurde, besonders gewichtig war.  

 

Wann ist das Umstandsmoment gegeben?

Auch wenn das BAG in diesem Fall von einer Verwirkung ausgegangen ist, dürfte in der Praxis nur in seltenen Fällen ein Verwirkungsgrund vorliegen. Problematisch ist insoweit insbesondere, dass nicht ohne Weiteres von einem Umstandsmoment ausgegangen werden kann. Dieses ist nur erfüllt, wenn der ArbG davon ausgehen durfte, dass der Widerspruch nicht mehr ausgeübt wird. Dies ist der Fall, wenn er aufgrund des Verhaltens des ArbN annehmen durfte, dieser habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber und diesen damit als seinen neuen ArbG akzeptiert. Hiervon ist auszugehen, wenn der ArbN über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat.  

 

Allein der Umstand, dass der ArbN zunächst widerspruchslos beim Betriebserwerber weiterarbeitet und von diesem die Arbeitsvergütung entgegennimmt, stellt jedoch ebenso wenig eine Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses dar, wie eine Vereinbarung mit dem Betriebserwerber, durch welche einzelnen Arbeitsbedingungen, zum Beispiel die Art und der Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung, die Höhe der Arbeitsvergütung und Ähnliches geändert werden.  

 

Als Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses stellen sich nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des ArbN dar, durch welche es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, zum Beispiel Abschluss eines Aufhebungsvertrags bzw. die Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung oder eine Vereinbarung, durch welche das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird (zum Beispiel die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses).  

 

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Anforderungen an ein Umstandsmoment hoch sind und nur in wenigen Ausnahmefällen vorliegen dürften. Daher ist dafür Sorge zu tragen, dass das Unterrichtungsschreiben gemäß § 613a BGB die einmonatige Widerspruchsfrist ordnungsgemäß in Gang setzt. Nachfolgend erhalten Sie eine Musterformulierung.  

 

Musterformulierung: Unterrichtungsschreiben gem. § 613a Abs. 5 BGB

Unterrichtung über den Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 5 BGB  

 

Sehr geehrte Frau/Herr [Name],  

 

hiermit teilen wir Ihnen mit, dass die X-GmbH zum ... ihre Aktivitäten einstellen wird. Zukünftig wird die geschäftliche Aktivität durch die Y-GmbH mit Sitz in der Musterstraße 1 in 90010 Musterstadt ausgeführt werden. Geschäftsführer der Y-GmbH sind Herr ... und Herr ....  

 

Hierin liegt ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB. Als Arbeitnehmer der X-GmbH sind Sie von diesem Betriebsübergang betroffen. Aus diesem Grund möchten wir Sie mit diesem Schreiben über die für Sie aus diesem Betriebsübergang resultierenden wesentlichen Folgen unterrichten.  

 

Im Übrigen nehmen wir Bezug auf die bereits erteilten mündlichen Informationen und insbesondere auf die Information im Rahmen der Betriebsversammlung vom .... Wir sind darüber hinaus gesetzlich verpflichtet, Sie über den Betriebsübergang auch schriftlich zu informieren.  

 

Der Übergang ist zum ... geplant, d.h. es ist vorgesehen, dass ab diesem Zeitpunkt die Leitung des Betriebs von der neuen Gesellschaft ausgeübt wird. Die Übertragung des Betriebs erfolgt aufgrund eines Unternehmenskaufvertrags vom ..., mit welchem das wesentliche Betriebsvermögen, das Inventar sowie die Kunden zum ... auf die Y-GmbH übertragen werden.  

 

Der unternehmerische Grund für die Übertragung ist der Umstand, dass der bisherige Geschäftsführer und Alleingesellschafter der X-GmbH altersbedingt seine geschäftliche Tätigkeit beenden möchte. Darüber hinaus handelt es sich bei der Y-GmbH um ein Unternehmen, das auch im Bereich der geschäftlichen Tätigkeit der X-GmbH seit vielen Jahren erfolgreich tätig ist. Es wird erhofft, dass die bisherigen geschäftlichen Aktivitäten durch den Übergang des Betriebs nochmals ausgebaut werden können und hierdurch insbesondere auch die Arbeitsplätze langfristig gesichert werden.  

 

Die wirtschaftliche Lage der Y-GmbH kann insgesamt als äußerst zufriedenstellend bezeichnet werden. Die Y-GmbH verfügt über einen Marktanteil von ... Prozent und eine Eigenkapitalausstattung von X Prozent [hier Angaben zur wirtschaftlichen Situation der Betriebsübernehmerin machen].  

 

Mit dem Übergang des Betriebs geht gemäß § 613a BGB ab dem ... auch Ihr Arbeitsverhältnis in vollem Umfang auf die Y-GmbH kraft Gesetzes über. Damit tritt der Erwerber in alle Rechte und Pflichten aus Ihrem Arbeitsverhältnis ein. Der Erwerber ist als Ihr neuer Arbeitgeber zum Beispiel zur Ausübung des Direktionsrechts berechtigt, d.h. er kann Ihnen die zur Konkretisierung Ihres Arbeitsverhältnisses erforderlichen Anweisungen erteilen. Zugleich schuldet er Ihnen alle aus dem Arbeitsverhältnis zustehenden Leistungen. Die vertraglichen Ansprüche werden in ihrem derzeitigen Stand gemäß § 613a BGB überführt.  

 

Für Ansprüche, die vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstanden sind - auch wenn diese erst im Laufe eines Jahres nach dem Übergang fällig werden - haften wir als bisheriger Arbeitgeber auch nach unserem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gesamtschuldnerisch neben dem neuen Arbeitgeber. Hinsichtlich der erst nach dem Übergang fällig werdenden Ansprüche ist unsere Haftung auf den anteiligen Betrag bis zum Übergang des Arbeitsverhältnisses beschränkt. Für alle anderen Ansprüche, die ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstehen, ist alleiniger Schuldner die Y-GmbH.  

 

Soweit die Rechte und Pflichten aus dem zur Zeit bestehenden Arbeitsverhältnis durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt sind, werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen Ihnen und der Y-GmbH und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs Ihres Arbeitsverhältnisses zu Ihrem Nachteil geändert werden, es sei denn, dass der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt, oder dass im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags Sie oder der Erwerber zwar nicht an diesen Tarifvertrag gebunden sind, seine Anwendung aber zwischen Ihnen und dem Erwerber vereinbart wird, § 613a Abs. 1 S. 4 BGB.  

 

Die Y-GmbH hatte bislang keinen Betriebsrat. Im Betrieb der X-GmbH existiert ebenfalls kein Betriebsrat. Durch den Betriebsübergang entsteht kein Betriebsrat.  

 

Ihre Betriebszugehörigkeit bei der X-GmbH wird auf Ihr Arbeitsverhältnis mit der Y-GmbH angerechnet. Es besteht keine konkrete Planung für einen personellen Umbau des Betriebs. Es sind auch keine Ihre berufliche Entwicklung betreffenden Maßnahmen in Aussicht genommen worden.  

 

Eine Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses wegen des Betriebsübergangs ist ausgeschlossen. Sie genießen insoweit den Kündigungsschutz des § 613a Abs. 4 BGB. Dieser schließt eine Kündigung aus anderen Gründen nicht aus. Gegen den Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die Y-GmbH können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Informationsschreibens sowohl bei uns als auch bei der Y-GmbH schriftlich Widerspruch einlegen mit der Folge, dass Sie Arbeitnehmer unseres Unternehmens bleiben. Wir müssen Sie aber darauf hinweisen, dass wegen der Übertragung des Betriebs eine Beschäftigungsmöglichkeit in unserem Unternehmen entfällt, sodass eine betriebsbedingte Kündigung unvermeidbar werden kann.  

 

Für den Fall, dass Sie dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen möchten, bitten wir Sie, den Widerspruch an folgende Adressen zu richten:  

 

X-GmbH, z.H. Herrn Geschäftsführer X, Musterstraße 2, 90020 Musterstadt oder an die Y-GmbH, z.H. Herrn ... , Musterstraße 1, 90010 Musterstadt.  

 

Sollten Sie weitere Fragen oder Beratungsbedarf haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Sie können sich hierfür an Herrn X im Hause wenden. Wir bitten Sie zudem, uns den Erhalt dieses Schreibens zu bestätigen.  

 

Mit freundlichen Grüßen  

 

[Unterschriften der vertretungsberechtigten Personen betreffend die X-GmbH und die Y-GmbH]  

 

Das Unterrichtungsschreiben habe ich am ... erhalten.  

 

..., den ...  

 

...............................  

[Unterschrift des Mitarbeiters]  

 

Quelle: Seite 201 | ID 140456