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· Fachbeitrag · Befristung

Sachgrundlose Befristung bei einer 22 Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung

von RA und Notar Armin Rudolf, Hannover

| Zwar ist ein Zeitraum von acht Jahren im Hinblick auf das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht als „sehr lang“ und ausreichend anzusehen, wohl aber ein solcher von 22 Jahren. |

1. Gesetzliche Grundlage und neue Entscheidung des BAG

Nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Eine solche Befristung ist jedoch nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ausgeschlossen, wenn mit demselben ArbG „bereits zuvor“ ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (sogenanntes Vorbeschäftigungsverbot). Mit seinem Urteil entschied das BAG, dass das Vorbeschäftigungsverbot nicht greift, wenn die Vorbeschäftigung 22 Jahre zurückliegt.

 

Die Parteien stritten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristungsabrede. Die ArbN war in den Jahren 1991/1992 beim ArbG als vollbeschäftigte Angestellte tätig. Im Jahr 2014 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag für eine Vollzeitbeschäftigung, der aufgrund einer späteren Änderungsvereinbarung um ein Jahr verlängert wurde. Der ArbG vertrat die Ansicht, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nach dem einmal verlängerten Befristungsende ausgelaufen sei. Die sachgrundlose Befristung habe wirksam vereinbart werden können, weil die Mitarbeiterin in den letzten drei Jahren vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags in keinem Arbeitsverhältnis zu demselben ArbG stand.

 

2. Die gerichtlichen Entscheidungen im Überblick

Das Arbeitsgericht Neumünster wies die Entfristungsklage mit seinem Urteil (15.6.16, 1 Ca 358 b/16) ab. Es wies auf die damalige BAG-Rechtsprechung hin, wonach keine „Zuvor-Beschäftigung“ im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG vorliege, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mehr als drei Jahre zurückliege.

 

Das LAG Schleswig-Holstein wandte sich mit seinem Berufungsurteil (27.7.17, 4 Sa 221/16) gegen die damalige BAG-Rechtsprechung und schloss sich der Auffassung des LAG Niedersachsen (16.2.16, 9 Sa 376/15) und des LAG Baden-Württemberg (16.11.16, 17 a Sa 14/16) an. Danach solle der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG und der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers ebenso wie der Sinn und Zweck des Gesetzes ein zeitlich begrenztes Verständnis des Vorbeschäftigungsverbots verbieten.

 

Nachdem das BAG früher die Ansicht vertreten hatte, dass in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot geregelt sei (BAG 29.7.09, 7 AZN 368/09, Abruf-Nr. 140152; BAG 6.11.03, 2 AZR 690/02, Abruf-Nr. 157450), entschied es später mehrfach, dass eine sachgrundlose Befristung eines ArbN mit demselben ArbG möglich sei, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliege (BAG 6.4.11, 7 AZR 716/09, Abruf-Nr. 111992; BAG 21.9.11, 7 AZR 375/10, Abruf-Nr. 142440).

 

Das Bundesverfassungsgericht beschloss am 6.6.18 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, Abruf-Nr. 201946), dass die Billigung mehrfacher sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse zwischen denselben Vertragsparteien bei Wahrung eines Abstands von mehr als drei Jahren die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreitet. Nach den Vorgaben des BVerfG soll das zeitlich unbegrenzte Vorbeschäftigungsverbot unzumutbar sein, „… wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist“.

 

Da die ehemals vom BAG entwickelte feste Jahresgrenze von drei Jahren somit nicht mehr angewandt werden kann, macht sich das BAG nunmehr daran, im Einzelfall zu entscheiden, welche Zeitspanne als „sehr lang“ im vorerwähnten Sinne anzusehen ist. In seinem Urteil vom 23.1.19 (7 AZR 733/16, Abruf-Nr. 207317) stellte das BAG klar, dass ein Zeitraum von acht Jahren nicht als „sehr lang“ im oben genannten Sinne anzusehen sei. Mit dem neuen Urteil (21.8.19, 7 AZR 452/17, Abruf-Nr. 211236) entschied es, dass es 22 Jahre als „sehr lang“ ansieht.

3. Konsequenzen für die Praxis

Es besteht bedauerlicherweise weiterhin eine erhebliche Rechtsunsicherheit, bei welchem Zeitraum die Grenze zu ziehen und welche Zeitspanne als „sehr lang“ anzusehen ist. Es ist daher leider nach wie vor mit erheblichen Risiken verbunden, Mitarbeiter sachgrundlos befristet anzustellen, wenn sie bereits irgendwann einmal bei dem Unternehmen beschäftigt waren. ArbG werden daher aus Sicherheitsgründen im Zweifel davon absehen. Anderenfalls riskieren sie, dass das vermeintlich sachgrundlos befristet abgeschlossene Arbeitsverhältnis als unbefristet gilt. Die bestehende Rechtsunsicherheit könnte rasch beseitigt werden, wenn der Gesetzgeber eine feste zeitliche Grenze für das Vorbeschäftigungsverbot normieren würde.

 

Weiterführende Hinweise

  • Doppelte Abiturjahrgänge allein kein Befristungsgrund für universitäre Lehrkraft:Arbeitsgericht Dortmund in AA 19, 79
  • Vorbeschäftigungsverbot: Wie lange ist „sehr lang“? Rudolf in AA 19, 45
  • Wann ist die sachgrundlose Befristung verfassungskonform? BVerfG in AA 18, 117
Quelle: Seite 173 | ID 46139106