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· Fachbeitrag · Befristung

Mehrfache Befristung über Rente hinaus zulässig

| ArbN, die über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus arbeiten möchten, müssen mit Befristungen rechnen. Hierin liegt weder eine Diskriminierung wegen Alters noch ein Missbrauch befristeter Arbeitsverträge. |

 

Sachverhalt

Der ArbN war als Lehrer beim ArbG (Stadt Bremen) angestellt. Kurz vor Erreichen der Regelaltersgrenze beantragte er, weiterbeschäftigt zu werden. Der ArbG erklärte sich damit einverstanden, das Arbeitsverhältnis befristet bis zum Endes des Schuljahres zu verlängern. Den vom ArbN in der Folge gestellten Antrag, das Arbeitsverhältnis weiterhin zu verlängern, lehnte der ArbG jedoch ab. Der ArbN machte geltend, die Befristung der gewährten Verlängerung des Arbeitsverhältnisses verstoße gegen Unionsrecht.

 

Das LAG Bremen verwies auf § 41 S. 3 SGB VI (in der Fassung vom 23.6.14). Es wollte durch Vorlage beim EuGH wissen, ob eine solche Regelung mit dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar sei.

 

  •  § 41 S. 3 SGB VI

Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben.

 

Entscheidungsgründe

Der EuGH betonte, dass das Verbot der Altersdiskriminierung einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, die bei ArbN, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, das Hinausschieben des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einer befristet erteilten Zustimmung des ArbG abhängig macht (EuGH 28.2.18, C-46/17 Hubertus John/Freie Hansestadt Bremen, Abruf-Nr. 200244).

 

Nach Auffassung des EuGH werden Personen, die das Rentenalter erreicht haben, durch eine solche Regelung nicht gegenüber Personen, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, benachteiligt. Die Regelung, nach der das Ende des Arbeitsverhältnisses mehrfach hinausgeschoben werden könne, ohne weitere Voraussetzungen und zeitlich unbegrenzt, sei eine Ausnahme vom Grundsatz der automatischen Beendigung des Arbeitsvertrags bei Erreichen der Regelaltersgrenze. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses setze in jedem Fall die Zustimmung beider Vertragsparteien voraus.

 

Was die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge angehe, habe der Gerichtshof Zweifel, ob die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses hier als Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge angesehen werden könne. Es erscheine nicht ausgeschlossen, sie als bloße vertragliche Verschiebung des ursprünglich vereinbarten Rentenalters aufzufassen. Aus den Akten sei nicht ersichtlich, dass die streitige Regelung geeignet sei, den Abschluss aufeinanderfolgender Arbeitsverträge zu fördern, oder eine Quelle potenziellen Missbrauchs zulasten der ArbN darzustellen. Jedenfalls könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Regelaltersgrenzen systematisch zu einer Prekarisierung der Lage der betreffenden ArbN im Sinne der Rahmenvereinbarung führten, sofern die ArbN in den Genuss einer abschlagsfreien Rente kämen und eine Verlängerung des fraglichen Arbeitsvertrags durch den ArbG zulässig sei.

 

Der Gerichtshof verweist hier auf die Ausführungen des LAG: Ein ArbN, der das Regelalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreiche, unterscheide sich von anderen ArbN nicht nur hinsichtlich seiner sozialen Absicherung, sondern auch dadurch, dass er sich regelmäßig am Ende seines Berufslebens befinde und damit im Hinblick auf die Befristung seines Vertrags nicht vor der Alternative stehe, in den Genuss eines unbefristeten Vertrags zu kommen. Außerdem sei hier bei der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gewährleistet, dass der betreffende ArbN zu den ursprünglichen Bedingungen weiterbeschäftigt werde und gleichzeitig seinen Anspruch auf eine Altersrente behalte.

 

Relevanz für die Praxis

Können Arbeitsverträge befristet werden, nachdem der ArbN das Regelrentenalter erreicht hat? Selbstverständlich dürfen ArbN nicht wegen ihres Alters diskriminiert werden, außer es liegen wichtige Gründe vor. Der EuGH hielt bereits 2010 tarif- und arbeitsvertragliche Rentenaltersklauseln für sachlich gerechtfertigt und somit europarechtlich zulässig (EuGH 12.10.10, C-45/09, Rosenbladt). Die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den Zeitpunkt, in dem der ArbN das Rentenalter erreicht hat, ist damit zulässig.

 

Doch ist auch eine arbeitsvertragliche Befristungsvereinbarung wirksam, mit der ein zuvor bestehendes Arbeitsverhältnis nachträglich befristet wird, also, nachdem der ArbN die Regelaltersgrenze in der Rentenversicherung erreicht und den Anspruch auf gesetzliche Altersgrenze hat? Ja, das kann funktionieren! Hierzu das BAG (11.2.15, 7 AZR 17/13, Abruf-Nr. 143997): Eine bei oder nach Erreichen des Renteneintrittsalters getroffene Vereinbarung über die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, die nicht in den Anwendungsbereich des § 41 S. 3 SGB VI fällt, kann nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG sachlich gerechtfertigt sein. Dies setzt voraus, dass der ArbN Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann, und dass die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einer konkreten, im Zeitpunkt der Vereinbarung der Befristung bestehenden Personalplanung des ArbG dient. Durch eine derartige Befristung wird der ArbN nicht unzulässig diskriminiert.

 

Weiterführende Hinweise

  • Widerstand gegen BAG-Urteile zur Vorbeschäftigung im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis: Rudolf in AA 17, 211
  • Neue Spielregeln bei der Befristung von Arbeitsverträgen: Griese in AA 17, 68
  • Prüfungsmaßstab bei der Befristung einzelner Arbeitsvertragsklauseln: BAG in AA 16, 190
Quelle: Seite 59 | ID 45199131