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· Fachbeitrag · Außergewöhnliche Belastungen

Das Behinderten-Pauschbetragsgesetz: Höhere Steuerentlastung für Betroffene und Pflegende

von Steuerberaterin Janine Peine, Fachberaterin Gesundheitswesen (IBG/HS Bremerhaven), www.BUST.de

| Wer behindert ist, kann statt der tatsächlichen Aufwendungen einen Behinderten-Pauschbetrag als außergewöhnliche Belastung ansetzen. Die Pauschbeträge sind in § 33b EStG aufgeführt und nach dem Grad der Behinderung gestaffelt. Seit 1975 waren sie unverändert. Jetzt hat der Gesetzgeber reagiert und im „Behinderten-Pauschbetragsgesetz“ neue Steuerentlastungen manifestiert. Und zwar sowohl für Pflegebedürftige bzw. Behinderte als auch für Personen, die Pflegeleistungen erbringen und dafür keine Vergütung erhalten. SSP verschafft Ihnen den Übrblick. |

Der gesetzestechnische Hintergrund

Offiziell firmiert das „Behinderten-Pauschbetragsgesetz“ unter dem Titel „Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen“. Es ist am 14.12.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Den Wortlaut finden Sie auf ssp.iww.de → Abruf-Nr. 219484.

Voraussetzungen und Nachweise

Beantragt werden kann eine Steuerentlastung für eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung, die länger als sechs Monate andauert und zu sozialen Beeinträchtigungen führt. Voraussetzung ist ein Nachweis über den Umfang der Behinderung. Anerkannt werden

  • ein amtlicher Schwerbehindertenausweis, der von den Versorgungsämtern der Länder ausgestellt wird und auf dem der Grad der Behinderung und die ggf. weiteren Merkmale G, aG Bl und H aufgeführt sind, und
  • ein Bescheid nach § 152 Abs. 1 SGB IX, auf dessen Grundlage Renten oder andere laufende Bezüge anerkannt werden.

 

Wichtig | Der Rentenbescheid der Sozialversicherungsträger reicht hingegen nicht aus.

Staffelung der Pauschbeträge

Neu ist, dass ein Pauschbetrag unabhängig von weiteren Voraussetzungen bereits ab einem Grad der Behinderung von 20 gewährt wird (§ 33b Abs. 2 EStG). Außerdem ist die Systematik aktualisiert worden.

 

Die Pauschbeträge und deren Staffelung stellen sich im neuen § 33b Abs. 3 EStG im Verhältnis zur bisherigen Regelung wie folgt dar:

Bisheriger Pauschbetrag

Neuer Pauschbetrag

Grad bisher

Pauschbetrag bisher

Grad neu

Pauschbetrag neu

20

384 Euro

25 und 30

310 Euro

30

620 Euro

35 und 40

430 Euro

40

860 Euro

45 und 50

570 Euro

50

1.140 Euro

55 und 60

720 Euro

60

1.440 Euro

65 und 70

890 Euro

70

1.780 Euro

75 und 80

1.060 Euro

80

2.120 Euro

85 und 90

1.230 Euro

90

2.460 Euro

95 und 100

1.420 Euro

100

2.840 Euro

 

 

Zusätzlich ist der Pauschbetrag für blinde und hilflose Menschen auf 7.400 Euro verdoppelt worden (§ 33b Abs. 3 S. 3 EStG).

 

PRAXISTIPP | Die Gewährung der Pauschbeträge erfolgt nur auf Antrag, dann aber in voller Höhe, selbst wenn die Voraussetzungen nur in einem Teil des Jahres erfüllt sind. Eine Anrechnung auf die zumutbare (Eigen-)Belastung unterbleibt. Wurde in der Vergangenheit bereits ein Pauschbetrag erfasst, berücksichtigt die Finanzverwaltung die neuen Werte von Amts wegen. Für die Gewährung des Behindertenpauschbetrags ist ‒ anders als bislang ‒ keine weitere Voraussetzung als die Feststellung einer Behinderung von mindestens 20 Prozent notwendig. Der alte § 33b Abs. 2, der u. a. die dauernde Einschränkung der Beweglichkeit als Voraussetzung enthielt, hat also ausgedient.

 

Ansatz der tatsächlichen Kosten als Alternative

Der Behindertenpauschbetrag soll typische Aufwendungen abgelten, die durch die Behinderung verursacht sind. Darunter fallen z. B. Pflegekosten, Aufwendungen für erhöhten Wäschebedarf und Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Alltag. Übersteigen die tatsächlichen Kosten den Pauschbetrag, können diese als außergewöhnliche Belastungen angesetzt werden. Es wirken sich aber nur diejenigen Kosten steuermindernd aus, die die zumutbare (Eigen-)Belastung übersteigen. SSP empfiehlt deshalb immer, eine Günstigerprüfung anzustellen.

Haushaltsnahe Dienstleistungen oder Pauschbetrag?

Eine Heimunterbringung beinhaltet oft neben den pflegerischen Leistungen auch haushaltsnahe Dienstleistungen. Wird der Behindertenpauschbetrag genutzt, sind mit diesem alle tatsächlichen Aufwendungen abgegolten (BFH, Urteil vom 05.06.2014, Az. VI R 12/12, Abruf-Nr. 143010). Das gilt gleichsam für haushaltsnahe Dienstleistungen durch den Heimbetreiber.

 

Wichtig | Betroffene müssen also abwägen, ob sie mit dem Ansatz der tatsächlichen Kosten nach § 35a EStG und § 33 EStG steuerlich besser fahren als mit dem Behindertenpauschbetrag.

Fahrtkosten von Behinderten

Bei einer Behinderung entstehen oft Mehrkosten für unvermeidbare Fahrten. Für diese Fahrten ist in § 33 Abs. 2a EStG ein fester behinderungsbedingter Fahrtkosten-Pauschbetrag eingeführt worden, der nicht mehr wie bisher auf der als angemessen geltenden jährlichen Fahrleistung basiert. Es gelten folgende behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschbeträge:

 

Grad der Behinderung/Merkzeichen

Betrag

mindestens 70 + Merkzeichen G

900 Euro

ab 80/weiteres Merkzeichen nicht notwendig

900 Euro

Merkzeichen aG, Bl, TBI oder H

4.500 Euro

 

 

Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel, Taxis oder Fahrdienste werden auf diese Beträge angerechnet. Über die Pauschbeträge hinausgehende tatsächliche Fahrtkosten bleiben unberücksichtigt.

Übertragung von Behindertenpauschbeträgen

Bei behinderten Kinder wirken sich die Pauschbeträge steuerlich in der Regel nicht aus. Deshalb bietet der Gesetzgeber hier die Möglichkeit, die Pauschbeträge auf die Eltern zu übertragen, solange dieser Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld haben. Die Übertragung muss beantragt werden. Sie erfolgt hälftig auf beide Elternteile. Es sei denn die Eltern beantragen übereinstimmend eine andere Aufteilung.

 

PRAXISTIPP | Übertragen werden können der Behindertenpauschbetrag nach § 33b Abs. 3 EStG und der behinderungsbedingte Fahrtkosten-Pauschbetrag nach § 33 Abs. 2a EStG.

 

Pflege bei Behinderung

Treffen Pflegeleistungen und Behinderung zusammen, ist Vorsicht geboten. Die Pflegeleistungen sind außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG. Ist die Behinderung ursächlich für die Pflegeleistungen, ist neben dem Ansatz der tatsächlichen Pflegekosten beim Betroffenen kein weiterer Behindertenpauschbetrag möglich. Nur außerordentliche Kosten (z. B. für eine Operation oder Kur) sind zusätzlich abziehbar.

Abzugsbetrag für Pflegende wurde verändert

Erhält der Pflegende für seine Leistungen keine Vergütung, kann er seine tatsächlichen Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend machen oder den Pflegepauschbetrag nach § 33b Abs. 6 EStG in Anspruch nehmen. Der Pauschbetrag betrug bisher 924 Euro. Seit 2021 werden gewährt

  • 600 Euro bei Pflegegrad 2,
  • 1.100 Euro bei Pflegegrad 3 und
  • 1.800 Euro bei Pflegegrad 4, 5 oder Hilflosigkeit.
Quelle: Seite 16 | ID 46712082