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· Fachbeitrag · Vertragsgestaltung

Eine Regelung zur Altersbefristung unter dem Punkt „Kündigung“ ist nicht überraschend

von ass. jur. Petra Wronewitz

| In unbefristeten Arbeitsverträgen findet sich oft die Regelung, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Eintritt des Arbeitnehmers in das Rentenalter endet. Ob eine solche Vereinbarung überraschend ist, wenn sie sich unter dem Punkt „Kündigung“ im Arbeitsvertrag befindet, musste das LAG Düsseldorf entscheiden. |

Sachverhalt

Ein 1954 geborener Biologe war bei seinem Arbeitgeber seit Februar 2012 zuletzt als Head of Regulatory Affairs F. & Q. gegen ein Monatsbruttogehalt von 9.270 EUR beschäftigt. Sein Tätigkeitsgebiet umfasste verantwortungsvolle Aufgaben, die er ohne Beanstandungen ausführte. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildete der Arbeitsvertrag vom 19.12.11, in dem es unter dem Punkt „Kündigung“ hieß:

 

  • Kündigung

„… (6) Das Anstellungsverhältnis endet ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter die Altersgrenze für eine Regelaltersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht hat, oder in dem Zeitpunkt, ab dem er eine Altersrente, gleich aus welchem Rechtsgrund, tatsächlich bezieht. Das Anstellungsverhältnis endet ebenfalls ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem dem Mitarbeiter der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers über eine Rente auf Dauer wegen voller Erwerbsminderung zugeht. Die vorstehenden Sätze berühren nicht das Recht zur ordentlichen Kündigung.“

 

Im August 2020 erreichte der Mitarbeiter die gesetzliche Regelaltersgrenze von 65 Jahren und 8 Monaten. Gegen das Ende seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung setzte er sich zur Wehr. Er beantragte die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch eine Altersbefristung endet. Die Befristung sei nicht wirksam vereinbart worden.

 

Im Einzelnen führt er gegen die Wirksamkeit der Befristung an:

 

  • Unter der Überschrift „Kündigung“ müsse keine Regelung zu einer Vertragsbefristung und damit zu einem automatischen Ende des Vertrags erwartet werden, deshalb sei die Vertragsklausel überraschend.

 

  • Es hätte eines besonderen Hinweises in der Überschrift bedurft. Dies gelte umso mehr aufgrund seines Alters bei Vertragsschluss.

 

  • Die Regelung sei unklar und verstoße gegen das Transparenzgebot. Es handele sich um eine Kombination einer Zeitbefristung und einer auflösenden Bedingung, ohne dass deren Verhältnis festgelegt werde.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Essen wies die Klage ab. Die Berufung vor dem LAG Düsseldorf hatte keinen Erfolg (4.2.21, 13 Sa 637/20, Abruf-Nr. 223515). Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht.

 

Eine Bestimmung hat überraschenden Charakter i. S. d. Vorschrift, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmen sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrags, insbesondere dessen äußerem Erscheinungsbild.

 

MERKE | Befristungsabreden, die auf das Erreichen der Regelaltersgrenze für den Bezug von Altersrente abstellen, sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument derart verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht ohne Weiteres i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB überraschend ist. Auch eine fehlende drucktechnische Hervorhebung steht dem nicht entgegen, da zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt kein Widerspruch besteht. Dass sich die Altersbefristungsklausel unter einer Regelung befindet, die mit „Kündigung“ überschrieben ist, reicht nicht aus, um einen solchen Überraschungseffekt anzunehmen.

 

Alter bei Vertragsunterzeichnung nicht maßgeblich

Der Fall ist auch nicht anders zu beurteilen, weil der Arbeitnehmer bei der Vertragsunterzeichnung knapp 57 Jahre alt war und daher bis zum vereinbarten Vertragsende ein Zeitraum von gut achteinhalb Jahren in Rede steht.

 

Beachten Sie | Zum einen kann der Arbeitnehmer insoweit bei Vertragsabschluss nicht als rentennah bezeichnet werden. Zum anderen orientieren sich Altersbefristungsklauseln nicht am Interesse der Arbeitnehmer, etwa in dem Sinn, sie vor Arbeit in vorgerücktem Alter zu schützen. Diese könnten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ohnehin jederzeit fristgerecht kündigen.

 

PRAXISTIPP | Vielmehr berücksichtigen derartige Klauseln vor allem das Interesse der Arbeitgeberseite an einer gemischten Altersstruktur, an einem Ausgleich zwischen dem Routinevorsprung älterer und neuerer Ideen sowie einem oft aktuelleren Wissensstand jüngerer Mitarbeiter. Darüber hinaus wird auf diese Weise vermieden, altersbedingt nachlassendes Leistungsvermögen mit einer personenbedingten Kündigung beantworten zu müssen.

 

„Beendigung“ bessere Überschrift als „Kündigung“

Allerdings gesteht das LAG Düsseldorf dem Arbeitnehmer zu, dass eine Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ statt „Kündigung“ die dortigen Regelungen besser gekennzeichnet hätte.

 

Zur Überzeugung der Berufungskammer führt die gewählte Überschrift jedoch nicht dazu, dass der Arbeitnehmer von der Vereinbarung einer Altersbefristung überrumpelt worden ist, auch wenn es hier an einem besonderen Hinweis und einer Hervorhebung fehlt. Der Gesetzgeber differenziert zwar durchaus zwischen Kündigung und Befristung. Es gibt jedoch auch Beispiele, bei denen er in der Überschrift den Begriff Kündigung verwendet und dennoch Regelungen zur Befristung (etwa § 41 SGB VI) oder zum Auflösungsvertrag (so z. B. § 623 BGB) trifft.

Relevanz für die Praxis

Der Arbeitgeber hätte Irritationen vermeiden können, wenn er die fragliche Regelung unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ getroffen hätte. Egal, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, kein Vertragspartner möchte unklare Regelungen, die im Nachhinein für Verwirrung sorgen. Deshalb sollten folgende Grundsätze berücksichtigt werden:

 

  • Überraschende Bestimmungen, die sich im Kleingedruckten verstecken, sind unwirksam.

 

  • Einzelne Regelungsgegenstände müssen im Zusammenhang dargestellt werden.

 

  • Formulierungen müssen klar, verständlich und eindeutig sein.

 

Quelle: Ausgabe 02 / 2022 | Seite 26 | ID 47949904