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· Fachbeitrag · Altersteilzeit

Kommt Arbeitnehmern eine Corona-Sonderzahlung während der Freistellungsphase zugute?

von Ass. jur. Petra Wronewitz

| Die Altersteilzeit ermöglicht einen gleitenden Übergang in den Ruhestand. Deshalb erscheint sie vielen Arbeitnehmern erstrebenswert. Es besteht aber kein gesetzlicher Anspruch auf Altersteilzeit, sondern ihr liegt eine freiwillige Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugrunde. Die wichtigsten Regelungen und Voraussetzungen stehen im AltTZG, aber viele Punkte können individuell vereinbart werden. Gerade bei dem häufig gewählten Blockmodell kann es zum Streit darüber kommen, wie sich etwa Sonderzahlungen in der Freistellungsphase auswirken. |

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer, Mitglied bei Ver.di, ist seit 1976 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Dieser ist Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbands Nordrhein-Westfalen (KAV NW). Seit dem 1.12.16 bis zum Ablauf des 31.8.23 wird das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis geführt. Aus dem Altersteilzeitarbeitsvertrag der Parteien vom 30.11.16 geht hervor, dass die Arbeitsphase vom 1.12.16 bis 15.4.20 dauert und die Freizeitphase entsprechend am 16.4.20 beginnt und bis Ende August 2023 läuft.

 

Die Regelungen zum Arbeitsentgelt ergeben sich aus dem geltenden Tarifvertrag (TV Flex AZ). Diese sehen vor, dass Beschäftigte während der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in Höhe der Hälfte des Entgelts bekommen, das sie jeweils erhalten würden, wenn sie mit der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit weitergearbeitet hätten. Die andere Hälfte des Entgelts fließt in das Wertguthaben und wird in der Freistellungsphase ratierlich ausgezahlt.

 

Im November 2020 schlossen ver.di und der KAV NW einen Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung in Höhe von 600 EUR. Danach erhalten Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen, die einmalige Corona-Sonderzahlung spätestens mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2020 ausgezahlt, wenn ihr Arbeitsverhältnis am 1.10.20 bestand und an mindestens einem Tag zwischen dem 1.3.20 und dem 31.10.20 Anspruch auf Entgelt bestanden hat. Maßgeblich sind die jeweiligen Verhältnisse am 1.10.20. Die Sonderzahlung ist eine Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-krise. Dem Arbeitnehmer wurde die Prämie nicht ausgezahlt.

 

Arbeitgeber und Arbeitnehmer tauschen Argumente aus

Dagegen erhob er Klage. Er war der Auffassung, dass er noch bis zum Ablauf des 15.4.20 gearbeitet und damit im maßgeblichen Zeitraum zwischen dem 1.3.20 und dem 31.10.20 Entgelt bezogen habe. Ungeachtet dessen handele es sich auch bei der in der Freistellungsphase gezahlten Vergütung um ein monatliches Entgelt und damit um Entgelt im Sinne des § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung. Diese tarifvertragliche Regelung setze lediglich den Bestand eines Arbeitsverhältnisses am 1.10.20 voraus.

 

Der Arbeitgeber beantragte die Klage abzuweisen, denn nach der vorrangigen Regelung in § 7 Abs. 2 TV FlexAZ entstehe in der Freistellungsphase dem Grunde nach kein neuer Entgeltanspruch mehr. Es werde nur das Wertguthaben ausgezahlt, in welches das in der Arbeitsphase verdiente Entgelt geflossen sei. Weil in der Aktivphase ein Anspruch auf eine einmalige Corona-Sonderzahlung nicht fällig geworden sei, komme in der Freistellungsphase auch keine anteilige Auszahlung in Betracht.

Entscheidungsgründe

Sowohl das ArbG als auch das LAG Hamm (26.1.22, 9 Sa 1023/21) wiesen die Klage ab. Das LAG Hamm argumentierte, dass es letzten Endes um die Frage geht, ob und inwieweit während der Dauer der Freistellungsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses noch neue tarifvertragliche Entgeltansprüche wirksam werden können. Diese Frage sei nicht allein vor dem Hintergrund der Voraussetzungen des § 2 TV Corona-Sonderzahlung zu betrachten, sondern vorrangig in Verbindung mit der Regelung in § 7 Abs. 2 TV FlexAZ zu beantworten und zu verneinen. Denn der Arbeitnehmer befand sich zum Auszahlungszeitpunkt der Corona-Sonderzahlung in der Freistellungsphase der Altersteilzeit gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 TV FlexAZ.

 

MERKE | § 7 Abs. 2 S. 1 TV FlexAZ regelt ein eigenes, für die Dauer der Altersteilzeit geltendes Entgeltregime, im Rahmen dessen für die Dauer der Freistellungsphase grundsätzlich keine neuen Vergütungsansprüche mehr wirksam werden. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in Höhe der Hälfte des Entgelts erhielt, das er jeweils erhalten hätte, wenn er mit der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit weitergearbeitet hätte. Die andere Hälfte des Entgelts floss in das Wertguthaben und wird nun in der Freistellungsphase ratierlich ausgezahlt. Der Arbeitnehmer hat keine weiteren Ansprüche in der Freistellungsphase. Insbesondere können weitere Ansprüche nicht durch den Zweck der Corona-Sonderzahlung begründet werden, die einen Ausgleich für Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Erschwernis täglicher Arbeit während der Pandemie schaffen wollte. Denn das aktive Arbeitsleben bei Arbeitnehmern in der Freistellungsphase ist faktisch beendet.

 

Relevanz für die Praxis

Die Rechtsfolgen der Pandemie sorgen für Klärungsbedarf in vielen Rechtsgebieten. Mittlerweile haben Rechtsparteien Vorstellungen darüber entwickelt, welche Belange aufgrund der Pandemie zu bedenken sind. Es ist empfehlenswert, künftig die Folgen der Pandemie in Vereinbarungen zu berücksichtigen, um Rechtssicherheit zu erlangen.

Quelle: Ausgabe 06 / 2022 | Seite 96 | ID 48309155