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· Fachbeitrag · Grad der Behinderung

Heilungsbewährung verlängert sich nicht

| Ist die Heilungsbewährung abgelaufen, bestimmt sich der GdB nur nach den aktuellen gesundheitlichen Einschränkungen. Ein erhöhtes, erblich bedingtes Risiko, erneut zu erkranken, ist dabei nicht zu berücksichtigen. Die Heilungsbewährung kann kürzer, aber nicht länger als fünf Jahre sein (LSG Baden-Württemberg 21.2.19, L 6 SB 2892/18, Abruf-Nr. 207720 ). |

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte ab dem 6.5.09 einen GdB von 80 zuerkannt bekommen, nachdem ihm ein Darmtumor entfernt worden war. Der GdB wurde ihm mit Bescheid vom 29.2.16 - also deutlich über fünf Jahre später ‒ aberkannt. Es waren keine Rezidive oder Metastasen mehr aufgetreten. Allerdings bestätigte ein Gutachten, dass bei dem Kläger ein familiär erhöhtes Risiko besteht, an einem Darmtumor zu erkranken. Das Risiko betrage bis zu 70 Prozent. Sei die Erkrankung einmal aufgetreten, bestehe nach erfolgreichen OP ein lebenslang erhöhtes Risiko für einen Rückfall. Der Kläger argumentierte, dass bei ihm eine lebenslange Vorsorge durchzuführen sei und ihm daher weiterhin ein GdB von 80 zustünde. Hiermit scheiterte er vor dem SG und dem LSG.

 

Entscheidungsgründe

Für die Beurteilung der Höhe eines GdB, gilt die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) sowie die Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV. Die Heilungsbewährung begann hier mit dem Tag der Operation und dauerte fünf Jahre. (Teil B Nr. 10.2.2 VG). Dass die Heilungsbewährung in Einzelfällen auch über fünf Jahre dauern kann, trifft nicht zu. Richtig ist, dass in den VG von „in der Regel fünf Jahre“(n) gesprochen wird. Aber damit ist nur gemeint, dass es auch kürzere Fristen geben kann.

 

Für eine Darmerkrankung gilt die Fünf-Jahres-Höchstgrenze (Teil B Nr. 10.2.2 VG). Sie ist abgelaufen, wenn weder Rezidiv noch Metastasen aufgetreten sind (Teil A Nr. 2h S. 1 VG). Das System der GdB-Bewertungen berücksichtigt keine Erkrankungsrisiken und auch keine „latenten“ Erkrankungen. Es stellt allein auf die Funktionseinbußen ab (so ausdrücklich Teil A Nr. 1h S. 1 VG). Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG 11.8.15, B 9 SB 2/15 R).

 

Relevanz für die Praxis

Psychische Belastungen aus Angst vor einer rückkehrenden Erkrankung können hoch sein und sich z. B. in einer Depression niederschlagen. Vorliegend wurden ärztlicherseits jedoch keine funktionellen Einbußen, noch außergewöhnliche psychische Belastungen festgestellt, die gesondert zu berücksichtigen waren (Teil B Nr. 3.7 VG). Bevollmächtigte sollten in solchen Fällen darauf achten, dass mögliche psychische Erkrankungen dokumentiert werden (ggf. Begutachtung), damit sie vom Gericht berücksichtigt werden.

 

Weiterführender Hinweis

  • Höherer GdB: Neue Erkrankungen müssen zu neuen Funktionsstörungen führen, SR 17, 94
Quelle: Ausgabe 04 / 2019 | Seite 62 | ID 45800995