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· Fachbeitrag · Fristlose Kündigung

ArbN droht mit „er könne ja noch krank werden“ = fristlos raus?

| Ein ArbN droht seinem ArbG „er könne ja noch krank werden“. Reicht das für eine fristlose Kündigung aus? Die Rechtsprechung sagt ja. |

 

In der Rechtsprechung des BAG ist anerkannt, dass bereits die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Äußerung noch nicht bestehenden Erkrankung für den Fall, dass der ArbG einem Verlangen des ArbN (z. B. auf Urlaubsgewährung) nicht entsprechen sollte, ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist. Dies gelte ohne Rücksicht auf eine später möglicherweise tatsächlich auftretende Krankheit.

 

  • Auswahl: Rechtsprechung zur Androhung einer Arbeitsunfähigkeit
Stichwort
Entscheidung
Fundstelle

Tritt der ArbN einer Weisung des ArbG mit der Drohung entgegen, sich krankschreiben zu lassen, so rechtfertigt das eine außerordentliche fristlose Kündigung. Unerheblich ist, ob der ArbN später tatsächlich erkrankt, oder ob die Weisung rechtswidrig war.

LAG Rheinland-Pfalz

21.7.20,

 8 Sa 430/19

Abruf-Nr. 217945

Die Pflichtwidrigkeit der Ankündigung einer Krankschreibung bei objektiv nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung liegt in erster Linie darin, dass der ArbN mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringt, er sei notfalls bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen.

LAG Hamm

14.8.15,

 10 Sa 156/15

Abruf-Nr. 180553

Die Ankündigung eines ArbN, bei Nichtgewährung von Urlaub für einen bestimmten Tag notfalls einen „gelben Schein“ zu nehmen, ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung des ArbG zu rechtfertigen.

LAG Köln

12.12.02,

 5 Sa 1055/02

NZA-RR 04, 242

Die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung durch den ArbN für den Fall, dass der ArbG einem unberechtigten Verlangen auf Gewährung von Urlaub nicht entsprechen sollte, ist ohne Rücksicht auf eine später tatsächlich auftretende Krankheit an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben.

BAG

17.6.03,

 2 AZR 123/02

NZA 04, 564

Angekündigte Arbeitsunfähigkeit stellt eine bewusste „Bestrafungsaktion“ für den ArbG dar.

LAG Köln

14.9.00,

 6 Sa 850/00

NZA-RR 01, 246

ArbN äußerte sich, er werde krank, wenn ArbG ihm die Verlängerung eines bereits bewilligten zweiwöchigen Urlaubs um weitere zwei Wochen nicht gewähren will.

BAG

5.11.92,

 2 AZR 147/92

NZA 93, 308

Außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung ja, wenn der ArbN während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit einer schichtweisen Beschäftigung bei einem anderen ArbG nachgeht.

BAG

26.8.93,

 2 AZR 154/93

Abruf-Nr. 142560

Die Androhung einer Erkrankung nach abgelehntem Urlaubsantrag ist regelmäßig als wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung anzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn der ArbN später wirklich erkrankt. Uneingeschränkt gilt diese Doktrin hingegen nicht, wenn bereits zum Zeitpunkt der Androhung eine tatsächliche Erkrankung vorlag.

BAG

2.3.09,

 2 AZR 251/07

Abruf-Nr. 093717

 

So betonte das LAG Rheinland-Pfalz (21.7.20, 8 Sa 430/19, Abruf-Nr. 217945), dass die Drohung mit der Krankmeldung nicht plump vorgebracht werden muss. Es genüge eine für einen verständigen Beobachter wahrnehmbare Verknüpfung. Der ArbN drohe damit an, seine Interessen notfalls auch ohne Rücksicht darauf durchsetzen zu wollen, ob eine Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorliege. Deshalb könne beim ArbG der berechtigte Verdacht aufkommen, der ArbN sei bereit, sich einen ihm nicht zustehenden Vorteil auf Kosten des ArbG zu verschaffen. Der ArbN verletze damit seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, die es verbiete, den ArbG auf diese Art und Weise unter Druck zu setzen.

 

Muss eine vorherige Abmahnung erfolgen? Wohl nein. Denn bei der Drohung mit einer willkürlichen Krankmeldung handelt es sich um eine derart schwere Pflichtverletzung, ein erpressungsgleiches Verhalten, dass eine Abmahnung entbehrlich war.

 

Checkliste / Drohung mit Krankheit nach abgelehnter Freistellung

  • 1. Spricht der ArbG wegen Androhung einer Erkrankung nach abgelehntem Urlaubs- oder sonstigem Freistellungswunsch eine fristlose (ggf. hilfsweise fristgemäße) Kündigung aus, so ist er zunächst für die Drohung als solche darlegungs- und beweispflichtig.
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  • 2. Ist die Drohung unstreitig oder erwiesen, spielt der Eintritt einer tatsächlichen AU nach Androhung einer Erkrankung grundsätzlich keine Rolle.
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  • 3. Beruft sich der ArbN darauf, bereits zu bzw. vor der von ihm getätigten Androhung tatsächlich arbeitsunfähig krank gewesen zu sein, ist nach Auffassung des BAG zu differenzieren.
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  • 4. Der ArbN muss zunächst vortragen, welche Krankheit oder Symptome im Zeitpunkt der Androhung vorlagen,
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  • 5. und warum er davon ausgehen konnte, am begehrten Urlaubstag arbeitsunfähig zu sein.
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  • 6. Überwiegen gegenüber diesem Vortrag die Indizien für eine „widerrechtliche Androhung“, muss der ArbN diese darüber hinaus entkräften.
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  • 7. Sprechen die Indizien für eine „rechtmäßige Androhung“, soll es dem ArbG obliegen, den Vortrag des ArbN hinsichtlich der Krankheitssymptome zu entkräften.
 

Weiterführende Hinweise

  • Mit 60 Jahren automatisch gekündigt? Das Problem mit den Altersklauseln: SR 17, 166
  • Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb: SR 15, 170
Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 61 | ID 47305296