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· Fachbeitrag · Betriebsrente

Diskriminierung von Teilzeitarbeitnehmern bei der betrieblichen Altersversorgung?

von RA Christian Deutz, FA Arbeitsrecht, Aachen

| Nach § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. |

 

Beachten Sie | Nach § 4 Abs. 2 TzBfG ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

 

In seinem Urteil vom 3.6.20, 3 AZR 480/18, Abruf-Nr. 217210, hatte sich der 3. Senat des BAG mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und inwiefern die Berechnung einer Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung bei schwankenden Beschäftigungszeiten gemäß einer Versorgungsordnung (Pensionsplan) gegen das Verbot der Diskriminierung gem. § 4 Abs. 1 TzBfG verstößt.

Sachverhalt

Die im Jahre 1965 geborene Klägerin war im Zeitraum zwischen 1990 und 2014 in verschiedenen Positionen bei der beklagten Arbeitgeberin sowohl in Voll-, als auch in Teilzeit mit unterschiedlichen Teilzeitgraden beschäftigt.

 

Regelung zur betrieblichen Altersversorgung

Im Betrieb der Beklagten bestand eine Versorgungsordnung (Pensionsplan) auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung. Diese regelt eine Altersversorgung frühestens ab Vollendung des 55. Lebensjahres als vorzeitiges Ruhegeld in Abhängigkeit von der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung.

 

Der Pensionsplan sah vor, dass das Ruhegeld eines Pensionsberechtigten durch seine anrechnungsfähige Dienstzeit und sein ruhegeldfähiges Arbeitseinkommen bestimmt wird. Unter „Einkommen“ versteht die Pensionsordnung die gesamte jährliche Vergütung für die Dienste, die der Pensionsberechtigte der Gesellschaft leistet.

 

War ein Pensionsberechtigter während seiner anrechnungsfähigen Dienstzeit immer oder teilweise teilzeitbeschäftigt, so wird das entsprechende Einkommen auf Basis der vertraglich vereinbarten wöchentlichen Regelarbeitszeit ermittelt. Dieses Einkommen wird umgerechnet auf eine wöchentliche Arbeitszeit, die dem durchschnittlichen Beschäftigungsgrad während der anrechnungsfähigen Dienstzeit entspricht.

 

 

MERKE | Das „ruhegeldfähige Arbeitseinkommen“ eines Pensionsberechtigten ist der höchste Durchschnittsbetrag des Einkommens, das er in drei Kalenderjahren innerhalb der letzten fünf vollen Kalenderjahre seiner anrechnungsfähigen Dienstzeit erzielt hat.

 

Im vorliegenden Fall betrug der durchschnittliche Beschäftigungsgrad der Klägerin über das gesamte Arbeitsverhältnis 71,5 Prozent.

 

Höhe der Anwartschaft auf Betriebsrente streitig

In Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis ermittelte die Beklagte ausgehend von einem Jahreseinkommen eines Vollzeitbeschäftigten eine unverfallbare Anwartschaft der Klägerin bei Erreichen der vorgezogenen Altersgrenze von 55 Jahren in Höhe von 988,44 EUR brutto monatlich.

 

Die Klägerin hat in der Folgezeit die Auffassung vertreten, ihr stehe mit Vollendung des 55. Lebensjahres eine höhere monatliche Betriebsrente in Höhe von 1.340 EUR brutto zu. Die von der Beklagten nach den Bestimmungen des Pensionsplans vorgenommene Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft auf eine betriebliche Altersrente benachteilige sie als Teilzeitarbeitnehmerin (und damit auch wegen ihres Geschlechts) in ungerechtfertigter Weise gegenüber Vollzeitarbeitnehmern.

 

Nach Ansicht der Klägerin sei zunächst das fiktive Einkommen eines Vollzeitbeschäftigten zu berechnen und darauf die gespaltene Rentenformel anzuwenden. Erst danach sei auf Grundlage des Beschäftigungsgrads eine Reduzierung vorzunehmen.

 

In der Revisionsinstanz hat die Klägerin zuletzt die Feststellung begehrt, dass ihr gegenüber der Beklagten eine Anwartschaft auf Betriebsrente mit Vollendung des 55. Lebensjahres und mit Eintritt in den Ruhestand in Höhe von 1.340 EUR statt 1.033,24 EUR monatlich zustehe. Das Arbeitsgericht hatte der Klage zum Teil stattgegeben. Die Berufungen beider Parteien sind vom LAG zurückgewiesen worden.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des BAG war die Revision der Beklagten begründet, die zulässige Klage im noch rechtshängigen Umfang unbegründet. Danach hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere als die von der Beklagten berechnete Anwartschaft auf Leistungen aus dem streitgegenständlichen Pensionsplan. Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.

 

Insbesondere sah das BAG keine unzulässige Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Teilzeittätigkeit. Hierzu hat das BAG ausgeführt, dass die Beklagte die Anwartschaft korrekt berechnet und den streitgegenständlichen Pensionsplan richtig angewandt hat. Die Berechnung der Anwartschaft der Klägerin auf Leistungen aus dem Pensionsplan verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot für Teilzeitarbeitnehmer i. S. v. § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG.

 

Berechnung entspricht dem pro-rata-temporis-Grundsatz

Die Berechnung des Ruhegelds unter Berücksichtigung eines auf die gesamte anrechenbare Dienstzeit zu ermittelnden Beschäftigungsgrads entspricht vielmehr dem in § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG normierten pro-rata-temporis-Grundsatz. Eine Berechnung aufgeteilt nach den einzelnen Zeitabschnitten der unterschiedlichen Teilzeitgrade ist nicht geboten. Unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 4 Abs. 1 TzBfG hat das BAG betont, dass Teilzeitarbeit sich von der Vollzeitarbeit nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht unterscheidet. Eine Ungleichbehandlung liegt dann vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft.

 

PRAXISTIPP | Dieser Grundsatz, also die Gewährung von Arbeitgeberleistungen entsprechend dem Arbeitszeitanteil einer Teilzeitkraft, erlaubt eine unterschiedliche Abgeltung von Teil- und Vollzeitarbeit in quantitativer Hinsicht: Er gestattet dem Arbeitgeber, das Arbeitsentgelt oder andere teilbare geldwerte Leistungen für Teilzeitkräfte ‒ entsprechend ihrer gegenüber vergleichbaren Vollzeitkräften verringerten Arbeitsleistung ‒ anteilig zu kürzen. Demgemäß können Teilzeitkräfte nicht die gleiche Vergütung wie Vollzeitkräfte verlangen.

 

Diese Grundsätze gelten nach dem BAG auch für Leistungen aus einem Pensionsplan. Es ist auch hierbei zulässig, Leistungen anteilig nach dem Beschäftigungsumfang im Vergleich zu einem Vollzeitarbeitnehmer mit gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit zu erbringen.

 

Beachten Sie | Die Berechnung der Altersversorgung nach dem pro-rata-temporis-Grundsatz ist nach der Rechtsprechung des EuGH auch unionsrechtskonform. Die Berücksichtigung des Umfangs der von einem Teilzeitbeschäftigten während seines Berufslebens tatsächlich geleisteten Arbeit im Vergleich zum Umfang der Arbeitsleistung eines Beschäftigten, der während seines gesamten Berufslebens in Vollzeit gearbeitet hat, stellt ein objektives Kriterium dar, das eine proportionale Kürzung der Altersversorgung des Teilzeitbeschäftigten zulässt (vgl. die vom Arbeitsgericht im vorliegenden Verfahren eingeholte Vorabentscheidung des EuGH 13.7.17, C ‒ 354/16).

 

Danach ist nach Auffassung des BAG eine proportionale Kürzung von Leistungen aus einem Pensionsplan bzw. der Altersversorgung des Teilzeitarbeitnehmers grundsätzlich zulässig. § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG regelt insofern kein absolutes Benachteiligungsverbot.

 

MERKE | Die Regelung verbietet eine Abweichung vom pro-rata-temporis-Grundsatz zum Nachteil von Teilzeitkräften, wenn dafür kein sachlicher Grund besteht. Eine Schlechterstellung von Teilzeitarbeitnehmern kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Die Prüfung, ob eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist, muss sich am Zweck der Leistung orientieren.

 

 

Bei der betrieblichen Altersversorgung und entsprechend gestalteten Leistungen ist dabei zu berücksichtigen, dass das Versorgungsniveau nicht durch bestimmte Dienstjahre erdient ist, sondern durch die Betriebszugehörigkeit im gesamten Arbeitsverhältnis. Dies erlaubt es, Kürzungen des erreichbaren Versorgungsniveaus nach den Verhältnissen während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen. Eine solche Regelung verstößt insbesondere nicht gegen das o. g. Benachteiligungsverbot.

 

Regelung des Pensionsplans zur Berechnung zulässig

Bezogen auf den vom BAG zu entscheidenden Fall waren die Regelungen des Pensionsplans mit § 4 Abs. 1 TzBfG vereinbar und entsprachen dem pro-rata-temporis-Grundsatz. Dieser gebietet weder, den durchschnittlichen Beschäftigungsgrad erst auf das anhand des Einkommens eines Vollzeitarbeitnehmers ermittelte monatliche Ruhegeld anzuwenden, noch eine Berechnung nach Zeitabschnitten aufgrund von unterschiedlichem Teilzeitumfang vorzunehmen. Indem das Einkommen als Basis des ruhegeldfähigen Arbeitseinkommens durch den Beschäftigungsgrad reduziert wird, tragen die Regelungen des Pensionsplans dem pro-rata-temporis-Grundsatz Rechnung.

 

Eine Berechnung des ruhegeldfähigen Arbeitseinkommens unter Beachtung des durchschnittlichen Beschäftigungsgrads des gesamten Arbeitsverhältnisses ist daher rechtlich nicht zu beanstanden. Nach Auffassung des BAG ergibt sich auch keine Benachteiligung aus der Anwendung der sog. gespaltenen Rentenformel auf das ruhegeldfähige Arbeitseinkommen. Diese Formel findet Anwendung sowohl auf Teilzeit-, als auch auf Vollzeitarbeitnehmer. Auch hier wird zulässigerweise an die Höhe des Einkommens angeknüpft und nicht an die Dauer der Arbeitszeit.

 

MERKE | Sinn und Zweck der gespaltenen Rentenformel ist, den Versorgungsbedarf am Ende des Arbeitsverhältnisses abzubilden und dem erreichten Lebensstandard annähernd gerecht zu werden.

 

Entgelthöhe ausschlaggebend

Die Anwendung unterschiedlicher Sätze für die Berechnung der Betriebsrente je nachdem, ob das ruhegeldfähige Arbeitseinkommen oberhalb oder unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt, knüpft nicht an die Teilzeit an, sondern nur an die Entgelthöhe. Es findet insbesondere keine Kürzung wegen der Teilzeit statt.

 

Beachten Sie | Die von der Klägerin verlangte Berechnung des Ruhegelds auf das Vollzeiteinkommen sowie die Anwendung des Beschäftigungsgrads erst auf dieses Ergebnis würde im konkreten Fall dazu führen, dass ein Ruhegeld gewährt würde, das sie tatsächlich nach den maßgeblichen Kalenderjahren der Höhe nach nicht verdient hat. Dies wäre im Ergebnis eine ungerechtfertigte Besserstellung gegenüber Vollzeitarbeitnehmern.

 

Das BAG hat zudem eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts verneint. Die Regelungen über die Berechnung knüpfen nicht an das Kriterium des Geschlechts an und das Berechnungsverfahren ist unter Beachtung des pro-rata-temporis-Grundsatzes rechtlich zulässig.

Relevanz für die Praxis

Neben den vom Senat thematisierten materiell-rechtlichen Fragestellungen ist in prozessualer Hinsicht vor allem beachtenswert, dass das BAG die streitgegenständliche Feststellungsklage als zulässig im Sinne von § 256  Abs. 1 ZPO erachtet hat.

 

Das BAG hat insbesondere das notwendige Feststellungsinteresse bejaht. Unerheblich ist es demnach, dass der Versorgungsfall im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LAG noch nicht eingetreten war. Die Klägerin hat nach Auffassung des BAG ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Inhalts und des Umfangs ihrer Versorgungsrechte, damit sie frühzeitig etwa bestehende Versorgungslücken schließen kann. Die Parteien haben insofern ein rechtliches Interesse daran, Meinungsverschiedenheiten über den Bestand und die Ausgestaltung der Versorgungsrechte möglichst vor Eintritt des Versorgungsfalls klären zu lassen.

 

Quelle: Ausgabe 12 / 2020 | Seite 205 | ID 46952390