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· Fachbeitrag · Altersdiskriminierung bei Start-ups

Wann keine Diskriminierung durch die Formulierung „junges Team“ vorliegt

von Ass. jur. Petra Wronewitz, Bonn

| Ältere Arbeitnehmer haben zwar viel Berufserfahrung, werden aber von vielen Unternehmen dennoch nicht gerne eingestellt. Vielmehr werden sie oftmals durch Formulierungen in Stellenanzeigen ausgegrenzt. In zahlreichen Fällen (etwa BAG 11.8.16, 8 AZR 406/14 ; LAG Nürnberg 27.5.20, 2 Sa 1/20) haben die Gerichte eine Diskriminierung angenommen. Der Fall vor dem LAG Berlin-Brandenburg (1.7.21, 5 Sa 1573/20) ging jedoch überraschenderweise anders aus. Im Fall eines noch nicht lange bestehenden Start-ups hat das LAG in einer Stellenausschreibung in der Passage, dass ein „junges Team mit flachen Hierarchien“ geboten werde, keinen Bezug zum Alter der Mitarbeiter dieses Teams gesehen. |

 

Sachverhalt

Ein Kandidat bewarb sich per E-Mail auf eine auf der Homepage des Unternehmens ausgeschriebene Stelle „(Junior) Key-Account Manager (w/m/d)“. Unter anderem hieß es in der Stellenanzeige:

 

  • Auszug Stellenanzeige

„… Wir sind der Berliner Startup A und gemeinsam mit dir möchten wir an unserer Vision des Guten Schlafens arbeiten. Begonnen hat alles Anfang 2017 ...

 

Wir suchen ...

  • Relevante Ausbildung oder relevantes Studium, sowie erste Erfahrungen im Bereich Accountmanagement oder Vertrieb ...

 

Wir bieten ...

  • Junges Team mit flachen Hierarchien, das dir echten Gestaltungsspielraum lässt ...“
 

Der Bewerber erhielt eine Absage. Daraufhin erhob er Klage und machte eine Entschädigungszahlung nach dem AGG in Höhe von 5.000 EUR geltend, weil er sich aufgrund seines Alters diskriminiert fühlte. Die Verwendung der Worte „junges Team“ in der Stellenausschreibung indizierten eine Altersdiskriminierung. Letzten Endes landete der Rechtsstreit vor dem Berufungsgericht, welches die Klage des Bewerbers ebenso wie das erstinstanzliche Gericht (ArbG Berlin 26.11.20, 38 Ca 7306/20) abgewiesen hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet (LAG Berlin-Brandenburg (1.7.21, 5 Sa 1573/20, Abruf-Nr. 225938). Das beklagte Unternehmen hat nicht zulasten des Bewerbers gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 1, § 7 Abs. 1 AGG verstoßen.

 

Die Beklagte ist daher nicht gemäß § 15 Abs. 1 und 2 AGG verpflichtet, dem Kläger eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Es ist zu keiner unmittelbaren Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 AGG gekommen.

 

MERKE | Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

 

Soweit der Kandidat behauptet, seine Bewerbung sei wegen seines Alters erfolglos geblieben, hat er den Sachverhalt einer unmittelbaren Benachteiligung nicht schlüssig vorgetragen. Er kann sich in diesem Zusammenhang nicht gemäß § 22 AGG auf die bloße Vermutung stützen, er sei wegen seines Alters benachteiligt worden. Indizien für eine Benachteiligung ergeben sich nicht aus dem Text der Stellenausschreibung, auf welche er sich beworben hat. Diese verstößt nicht gegen § 11 AGG, wonach ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 AGG ausgeschrieben werden darf.

 

Das Berufungsgericht befasst sich eingehend mit der Auslegung von Stellenanzeigen. Hierzu führt es aus, dass eine an eine unbekannte Vielzahl von Personen gerichtete Stellenausschreibung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen ist, wie sie von verständigen und redlichen potenziellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zugrunde zu legen sind (BAG 11.8.16, 8 AZR 406/14).

 

Aus der Formulierung „junges Team mit flachen Hierarchien, das dir echten Gestaltungsspielraum lässt ...“ kann keine unmittelbare Diskriminierung abgeleitet werden. Zwar kann der Hinweis in einer Stellenausschreibung, wonach die sich bewerbende Person eine intensive Einarbeitung in verschiedenen Abteilungen in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ erwarte, von durchschnittlichen Bewerbern so verstanden werden, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Person gesucht wird, die in das Team passt, weil sie ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams (BAG 11.8.16, 8 AZR 406/14).

 

Beachten Sie | Das Adjektiv „jung“ bezieht sich bei einer Verbindung mit einem Team, also einer Gruppe von Mitarbeitern, im Zweifel auf die Mitglieder dieser Gruppe und nicht auf den Zeitpunkt, seitdem dieses Team besteht (BAG 23.11.17, 8 AZR 604/16). In der hier maßgeblichen Stellenausschreibung wird jedoch bereits eingangs darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Arbeitgeber um ein erst seit 2017 existierendes Start-up handelt.

 

Es wird ferner darauf hingewiesen, dass man bestimmte Produkte nach einer anfänglichen Idee innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nunmehr vertreibe, weitere Produkte und digitalisierte Inhalte entwickele und am Wachstum arbeite. In diesem Zusammenhang müssen durchschnittliche Bewerber die im weiteren Text enthaltene Aussage, die Beklagte biete ein „junges Team mit flachen Hierarchien, das dir einen echten Gestaltungsspielraum lässt“, als Hinweis darauf verstehen, dass sie in einer erst seit kurzem bestehenden Belegschaft mit wenigen vorgesetzten Personen einen eigenen Gestaltungsspielraum bei der Mitarbeit an neuen Produkten, deren Vermarktung und neuen Wachstumsstrategien haben.

 

Beachten Sie | Bei diesem Verständnis ist die fragliche Passage im vorliegenden Kontext nicht als überflüssig anzusehen. Sie hat vielmehr den Aussagegehalt, dass Bewerber nicht auf eine schon eingespielte, seit Langem bestehende, sondern eine erst seit Kurzem zusammenarbeitende Belegschaft treffen, die der sich bewerbenden Person besondere Spielräume bei der Mitarbeit bietet. Und nicht, dass die Zusammenarbeit mit jungen Menschen erwartet werden kann. Der Hinweis auf flache Hierarchien und einen „echten Gestaltungsspielraum“ bekräftigt, dass keine Aussage über die einzelnen Belegschaftsmitglieder, sondern über die Belegschaft in ihrer Gesamtheit gemacht wird.

 

Relevanz für die Praxis

Der ausführliche Hinweis auf die Situation des Unternehmens, nämlich, dass es sich um ein Start-up handelt, bewahrte das Unternehmen vor einer Schadenersatzleistung.

 

PRAXISTIPP | Der Fall hätte auch anders ausgehen können, wenn dieser Hinweis nicht erfolgt wäre. Mehrheitlich tendiert die Rechtsprechung dazu, eine unmittelbare Diskriminierung anzunehmen. Schon allein aus diesem Grund ist es niemals verkehrt sich zu wehren, wenn man eine Diskriminierung wegen des Alters befürchtet.

 
Quelle: Ausgabe 12 / 2021 | Seite 210 | ID 47786501