Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

Wozu braucht der Alte einen Mietwagen?

| Ältere, nicht mehr erwerbstätige Geschädigte laufen Gefahr, bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für Kurzstrecken keinen Ersatz zu bekommen oder auf die pauschale Tabellenentschädigung verwiesen zu werden. So ist es einem 76-jährigen Rentner aus Bielefeld ergangen. In beiden Instanzen wurde der Ersatz von Mietwagenkosten abgelehnt. Anders als das LG Bielefeld hat das OLG Hamm wenigstens eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung zugesprochen (23.1.18, 7 U 46/17, Abruf-Nr. 199981 ). |

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

In elf Tagen nur 239 km, dazu das Rentnerdasein und eine Reparaturdauer laut Gutachten von nur vier bis fünf Tagen ‒ all das in der Gesamtschau rechtfertige die Einschätzung „Anmietung nicht erforderlich“, argumentiert das OLG. Dabei hatte der Kläger behauptet, die 130-Prozent-Reparatur habe entgegen der Prognose des Sachverständigen elf Tage gedauert. Warum er das nicht beweisen konnte, ist rätselhaft. Durch das vorgelegte Gutachten sei seine Behauptung widerlegt, meint das OLG.

 

Relevanz für die Praxis

Der Schlenker des OLG zur Bedeutung von Mietwagenkosten in einem 130-Prozent-Fall stiftet nur Verwirrung. Die Versicherer werden den Hinweis zu nutzen wissen. Die Mietwagenkosten einfach auf die Reparaturkosten aufzuschlagen und damit eine Grenzüberschreitung zu begründen, geht nicht. Nur wenn die Reparatur deutlich länger dauert als eine Ersatzbeschaffung und damit wesentlich höhere Mietwagenkosten anfallen, kann eine an sich zulässige 130er-Reparatur ausnahmsweise kippen.

 

Leitentscheidung bei Strecken im kritischen Bereich um die 20 km pro Tag ist BGH 5.2.13, VI ZR 290/11, Abruf-Nr. 130926. Siehe dazu den Praxishinweis in VA 13, 91/92. Es greift die Merkformel K-K-K (Küche ‒ Kinder ‒ Krankenhaus). Sie müssen plausibel darlegen, dass die ständige Mobilität notwendig verfügbar sein muss. Die tatsächliche Fahrleistung ist zweitrangig. Durchschnittswerte wie 20 km täglich sind per se fragwürdig. Im Übrigen kommt es auf die Sicht ex ante an. Sie müssen die Gründe dafür, dass der Mandant auch als Rentner oder Arbeitsloser trotz hoher Kosten ein eigenes Fahrzeug hält, so konkret wie möglich vortragen. Zugleich müssen Sie erläutern, dass Taxi, Bus oder Bahn keine zumutbare Alternative sind. An dieser Stelle spielt auch die voraussichtliche Dauer einer Reparatur oder Ersatzbeschaffung eine Rolle. Je länger, desto stärker das Interesse an einem Mietwagen.

 

  • Rechtsprechungsübersicht: Rechtsprechung pro Geschädigtem

AG Nordenham 17.11.17, 3 C 161/17, Abruf-Nr. 198783 (19 km pro Tag, ländliche Region); LG Essen 15.11.17, 7 S 21/17, Abruf-Nr. 198782 (24 km pro Tag, Wohnen auf dem Land, Arbeit in der Stadt); LG Essen 29.12.16, 13 T 63/16, Abruf-Nr. 191068 (übergewichtige und gehbehinderte Frau, ehrenamtliche Tätigkeit); AG Schwabach 9.11.16, 2 C 671/16 (18,7 km, Feuerwehrmann); OLG Bamberg 4.8.15, 5 U 272/14 (20 km nur Regelgrenze); AG Lüdinghausen 17.9.14, 12 C 37/14 (Witwer, schwerbehindert, eigener Haushalt, kein Taxi vor Ort); LG Rostock 5.9.14, 1 S 257/09 (Mann mit kranker Frau); AG Bremen 13.12.12, 9 C 330/11, Abruf-Nr. 130504, VA 13, 40 (ca. 70-jährige Frau).

 
Quelle: Ausgabe 06 / 2018 | Seite 102 | ID 45314237