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· Fachbeitrag · Jung trifft alt

Mandantentipps für die Mitbewohnersuche

von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B.A., Leipzig

| Alternative Wohnformen und neue Ansätze des Zusammenlebens stoßen bei vielen älteren Menschen auf Interesse. Neben Altenwohnprojekten oder Senioren-WGs besteht auch die Möglichkeit, junge Studenten als Untermieter aufzunehmen, die günstigen Wohnraum suchen. Welche Vor- und Nachteile diese Wohnform mit sich bringt und wie Sie Ihre Mandanten bei der Planung und Kandidatenauswahl unterstützen, zeigt der folgende Beitrag. |

1. Welche Mitbewohner sind gewünscht?

Viele ältere Menschen verfügen über ein Eigenheim, leben dort aber häufig allein und wünschen vielleicht Unterstützung und Begleitung im Alltag. Prüfen Sie die Vorstellungen Ihrer Mandanten: Wird ein Mitbewohner eher als Partner für den geistigen Austausch und Begleitung im Leben gewünscht oder stehen konkrete Hilfsleistungen wie Einkäufe oder Reinigungsarbeiten im Vordergrund? Dies ist nicht immer klar abzugrenzen, häufig gleiten beide Formen ineinander über. Warum die Abklärung der Bedürfnisse wichtig ist, zeigen folgende Beispiele:

 

  • Beispiel 1

Dem 62-jährigen Mandanten A gehört ein zweigeschossiges Wohneigentum und will zwei Zimmer untervermieten. Das Grundstück verfügt über einen mittelgroßen Garten, der von dem Mitbewohner gepflegt werden soll. A ist zwar gesund und auch nicht körperlich besonders eingeschränkt, möchte jedoch aufgrund des Alters nicht mehr die gesamte Gartenarbeit alleine bewältigen. Der Mitwohner soll kostenfrei wohnen dürfen und sich um die Gartenanlage kümmern, dies bei freier Zeiteinteilung zwischen sechs bis acht Stunden pro Woche.

 
  • Beispiel 2

Die 64-jährige Mandantin B ist die ehemalige Leiterin eines regionalen Konservatoriums. Sie beherrscht zwei Instrumente und gibt seit ihrem Ruhestand noch im kleinen Rahmen Musikunterricht. Sie wünscht einen Mitbewohner, der vielleicht gleiche Interessen teilt, gegebenenfalls ein Musikstudium absolviert und der B Sicherheit vermitteln soll, da sie mitunter neue Musikschüler kennenlernt und sich aufgehobener fühlt, wenn weitere Personen im Hause sind. Der Mitbewohner sollte, wenn es darauf ankommt, flexibel auf Unterrichtszeiten reagieren.

 

Beide Varianten zeigen, dass Zeiteinteilung, Präsenz in der Wohnung und die Übereinstimmung von Interessen nicht zu unterschätzende Merkmale sind. Die folgende Checkliste zeigt Ihnen wichtige neuralgische Punkte:

 

Checkliste /  Kandidatensuche für Ihren Mandant

  • Grenzen Sie mit Ihrem Mandant wichtige Wünsche ein: Wie viel Zeit soll der Mitbewohner für welche Tätigkeiten aufwenden, wie flexibel kann von Zeitplänen abgewichen werden? Was für ein Studium hat der Mitbewohner und kann ihm in bestimmten Punkten besonders entgegengekommen werden (Kfz-Nutzung, Kostenübernahme des Internetanschlusses)?
  • Leidet der Mandant an gesundheitlichen Einschränkungen? Zwar dürfen Mitbewohner keine Pflegeleistungen erbringen, haben aber aufgrund medizinischer Kenntnisse und gegebenenfalls Pflegefälle in der Familie ein besonderes Einfühlungsvermögen für ältere, kranke Menschen.
  • Können körperliche Anstrengungen bewältigt werden? Wer Mitbewohner mit regelmäßigen Einkäufen, Gartenarbeit oder der Hausreinigung betrauen möchte, sollte auf die körperliche Konstitution achten sowie auf ein grundsätzliches Interesse an diesen Dingen (z.B. wertvolles Hausinventar).
  • Welche Voraussetzungen sind unverzichtbar (z.B. Führerschein für Einkäufe, Festlegung auf eine Mindestwohnzeit, flexibles Reagieren bei Bedarf)?
  • Viele Senioren nutzen gern neue Kommunikationsformen, möchten Netzwerke wie Facebook oder E-Mail-Korrespondenz genauer erklärt bekommen, vielleicht ein Smartphone/Tablet bedienen können. Mitbewohner können den PC des Senioren warten und technische Details verständlich erklären.
  • Der Mitbewohner sollte freien Wohn- und Entfaltungsspielraum haben. Studium, Praktika oder auswärtige Präsenzzeiten sind in vielen Studiengängen individuell. Ein notwendiges Maß an Toleranz und Nachvollziehen der Studentensituation sind besonders wichtig.
  • Wie stehen Angehörige zu der Frage der Mitbewohneraufnahme? Sind Vorbehalte vorhanden, die zu besprechen/abzubauen sind? Können die Angehörigen miteinbezogen werden und den Mitbewohner früh kennenlernen?
  • Klären Sie den Versicherungsstatus: Verfügt Ihr Mandant über wertvolle Wohnungsgegenstände (z.B. Antiquitäten, Bilder, Handschriften) oder wird ein teures Fahrzeug für vereinbarte Aufgaben benutzt, sollten haftungsrechtliche Fragen (Haftpflichtversicherung) geklärt werden.
 

PRAXISHINWEIS | Organisieren Sie ein Kennenlernen zwischen einem potenziellen Mitbewohner, wenn Ihrer Meinung nach „die Chemie“ stimmen könnte.

 

2. Was müssen Sie beratend leisten?

Dem Mandanten sind die Vor- und Nachteile von Mitbewohnern möglichst realitätsnah zu schildern. Hierzu gehört auch, überzogene Erwartungen zu dämpfen. Auch dürfen Mitbewohner keine professionellen Pflege- oder Leistungen (z.B. Medikamentengabe) wie examinierte Fachkräfte durchführen. Zu der Frage, was hierunter fällt oder nicht, geben Studentenwerke gerne Auskunft. Schildern Sie das Zusammenleben als eine „passende Symbiose“ und streichen Sie die Vorteile von Mitbewohnern heraus, die ähnliche Interessen oder Charaktereigenschaften aufweisen. Häufig entstehen sogar lebenslange Freundschaften.

 

Wichtig ist, eine möglichst stabile Wohndauer des einziehenden Mitbewohners sicherzustellen. Ein Studium ist naturgemäß ein befristeter Lebensabschnitt, jedoch sollten sich Mandanten bei Aufnahme möglichst auf ein paar Jahre Stabilität im persönlichen Zusammenleben verlassen können. Weisen Sie darauf hin, dass nach einigen Wochen/Monaten beide Seiten zu dem Ergebnis kommen können, dass die Sache nicht „rund“ läuft, der Mitbewohner sein Studium abbricht oder aufgrund eines Krankheits- oder Todesfalls eine Unterbrechung wünscht. Solche Szenarien sollten zumindest einmal angedacht werden.

 

Wichtig | Als Faustformel für die Vereinbarung der Leistungen gilt übrigens eine Stunde Arbeit des Mitbewohners pro Quadratmeter zur Verfügung gestellten Wohnraums. Von dieser Regelung kann natürlich abgewichen werden, die genaue Stundenzahl sollte jedoch zuvor verbindlich geregelt sein.

 

PRAXISHINWEIS | Was tun, wenn Sie vermuten, dass die Vorstellungen Ihres Mandanten über junge Menschen teils stark verklärt sind? Weisen Sie ihn auf die Möglichkeit hin, Senioren kennenzulernen, die bereits junge Mitbewohner haben. Viele Berater haben außerdem mit folgendem „Geheimtipp“ Erfolg: Sie empfehlen einen oder zwei Tage an einer Universität und bereiten im Lebensumfeld der Studenten ein Treffen mit Kandidaten vor, die bereits bei anderen Senioren leben und von ihren Erfahrungen berichten.

 

Checkliste /  Geeignete Mitbewohner/Untermieter recherchieren

  • Studentenwerke an Universitäten, Kontakte über die Internetseiten der jeweiligen Universität. Hier können Sie ein gezieltes Netzwerk aufbauen und ein oder zwei feste Ansprechpartner suchen, auf die Sie auch bei künftigen Anfragen zurückgreifen können.
  • Knüpfen Sie Kontakte zu ein oder zwei Vermietern, die in der Vergangenheit oder aktuell bereits Mitbewohner aufgenommen und Erfahrungen gesammelt haben. Diese können Ihnen auch über „Wohnen für Hilfe“ vermittelt werden.
 

3. Formulieren Sie einen Vertrag

Hat sich Ihr Mandant für einen Mitbewohner entschieden, sollten die vereinbarten Regelungen in einem Untermietvertrag fixiert werden. Diese rechtliche Aufgabe können Sie Ihrem Mandanten abnehmen, zumal meist kein komplexes Regelwerk notwendig ist. Geregelt werden sollten,

  • die Dauer des Untermietverhältnisses, gegebenenfalls Probezeiten
  • die genaue Angabe der vermieteten Wohnräume
  • sämtliche Nutzungsrechte von Fahrzeugen, Wohnhausinventar
  • die gewünschten Leistungen (Angabe in Wochenstunden/Monatsstunden)

 

Beachten Sie auch, dass das Aufsetzen des Vertrags durch einen Anwalt/Berater und schwer verständliche Formulierungen junge Mitbewohner misstrauisch machen können und unnötigen Argwohn erzeugen.

Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 95 | ID 42667467