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· Nachricht · Haftungsrecht

Wer aus Vergesslichkeit über ein Hindernis stolpert und stürzt, erhält keinen Schadenersatz

| Stolpert ein Fußgänger über ein gut sichtbares Hindernis auf dem Gehweg, welches er zuerst wahrgenommen, aber anschließend vergessen hat, hat er keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Darauf hat das OLG Köln hingewiesen. |

 

1. Hindernis gesehen ‒ aber schnell wieder vergessen.

Auf einem Teil des Gehwegs war eine ca. 100 x 150 cm große Sperrholzplatte abgestellt. Sie sollte verhindern, dass tropfendes Wasser aus einer defekten Regenrinne in das Haus läuft. Eine Seniorin hatte die Platte zunächst bemerkt und an der engen Stelle eine andere Passantin vorgelassen. Dann unterhielt sie sich kurz mit der Passantin. Dabei vergaß sie das Hindernis. Beim Weitergehen stolperte sie über die Platte. Beim Sturz brach sie sich den Arm. Sie verlangte ein Schmerzensgeld von mindestens 9.500 EUR.

 

2. Wer etwas sieht, muss nicht zusätzlich gewarnt werden

Das LG wies ihre Klage jedoch ab. Auch das OLG Köln wies auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung hin (4.2.20, 7 U 285/19, Abruf-Nr. 217995). Daraufhin nahm die Seniorin die Klage zurück.

 

Das OLG stellt klar, dass die Platte zwar ein Hindernis ist. Der Hauseigentümer muss auch dadurch entstehende Schäden bei anderen verhindern. Vorliegend seien jedoch keine weiteren Schutzmaßnahmen erforderlich gewesen. Die Seniorin hatte die Platte als Hindernis sofort erkannt. Gerade wegen des Hindernisses hatte sie zunächst die andere Passantin vorbeigelassen. Dass sie die Platte während der wenigen Minuten ihrer Unterhaltung mit der Passantin vergessen hatte, ist ein gänzlich unwahrscheinlicher Geschehensablauf. Das Hindernis war deutlich sichtbar. Es wurde von der Seniorin auch erkannt. Es ist nicht ersichtlich, was der Hauseigentümer noch hätte unternehmen können. Eine weitere Absicherung hätte allenfalls dazu dienen können, das bereits sehr gut sichtbare Hindernis noch besser erkennbar zu machen. Dies hätte im vorliegenden Fall allerdings nichts genutzt, da die Seniorin es auch so erkannt hatte. Schließlich hat es auch einen nachvollziehbaren sachlichen Grund gegeben, die Platte jedenfalls kurzfristig auf dem Bürgersteig aufzustellen. Die Seniorin hat zwar ein „Unglück“ erlitten, kann jedoch dem Hauseigentümer kein „Unrecht“ vorhalten.

 

3. Eltern haften nicht für ihre erwachsenen Kinder

Das OLG Köln weist zudem noch auf einen anderen Punkt hin, der für Senioren wichtig ist: Hier schied die Haftung des Hauseigentümers zusätzlich aus, weil nicht er selbst, sondern sein erwachsener Sohn die Platte aufgestellt hatte. Bei Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer häuslichen Gemeinschaft sind erwachsene Kinder mangels Weisungsgebundenheit aber keine „Verrichtungsgehilfen“ ihrer Eltern. Deshalb scheidet auch eine Haftung gem. § 831 BGB aus.

Quelle: Ausgabe 10 / 2020 | Seite 176 | ID 46582328