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24.09.2020 · IWW-Abrufnummer 217995

Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 04.02.2020 – 7 U 285/19

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Köln


Tenor:

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18.10.2019 (Az.: 4 O 99/19) nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

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Gründe:

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Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die zulässige Berufung nach dem gegebenen Sachstand offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Da die zugrunde liegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 3 und 4 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.

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Das angefochtene Urteil hält der berufungsgerichtlichen Überprüfung stand. Zu Recht hat die Kammer sämtliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte unter einzig in Betracht kommenden deliktischen Gesichtspunkten verneint. Der Senat folgt zunächst vollumfänglich der rechtlichen Bewertung der Kammer dahingehend, dass der Beklagten keine Verletzungshandlung vorzuwerfen ist, welche kausal für die von der Klägerin behaupteten Schäden geworden wäre.

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Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz aus der von dem Landgericht einzig in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlage gem. § 823 Abs. 1 BGB scheitert nicht nur daran, dass eine Verletzungshandlung der Beklagten nicht angenommen werden kann ‒ worauf die Kammer ihr abweisendes Urteil gestützt hat -, sondern zudem daran, dass ein überwiegendes Mitverschulden der Klägerin i.S.d. § 254 BGB zu einem Entfallen sämtlicher klägerischer Ansprüche führen würde.

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1.a. Als maßgebliche Verletzungshandlung der Beklagten kann zunächst nicht das Aufstellen des Bretts angesehen werden. Denn die Klägerin hat den Vortrag der Beklagten, dass nicht sie selber, sondern ihr Sohn ‒ der Zeuge A ‒ das Brett in ihrem Auftrag aufgestellt habe, nicht bestritten.

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Ein möglicherweise den Sturz mitverursachendes Verhalten ihres Sohnes durch das unmittelbare Anlehnen des Bretts an die Hauswand kann der Beklagten auch nicht zugerechnet werden.

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Eine Zurechnung kann zunächst nicht auf § 831 BGB gestützt werden. Denn ihr Sohn war nicht ihr Verrichtungsgehilfe. Die rechtliche Einstufung einer Person als Verrichtungsgehilfe i.S. von § 831 BGB setzt voraus, dass sie, was die Ausübung der konkreten Verrichtung angeht, zum Geschäftsherrn in einem Verhältnis weisungsgebundener Abhängigkeit steht. Die Weisungsgebundenheit kann sich aus gesetzlichen Bestimmungen oder einer ausdrücklichen oder stillschweigend getroffenen vertraglichen Vereinbarung ergeben. Gegenüber ihren Eltern sind erwachsene Kinder mangels Weisungsgebundenheit generell keine Verrichtungsgehilfen, soweit es allgemein um Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer häuslichen Gemeinschaft geht (OLG Köln, Urteil vom 23. Februar 2000 ‒ 11 U 126/99 ‒, juris. 7; Staudinger/Bernau (2018) BGB § 831, Rn. 108). Die Beklagte hat ihren Sohn offenbar angesichts eines Schadens der Dachrinne mit dem Heraufholen eines bestimmten Bretts aus dem Keller und dessen schrägem Anlehnen an der Hauswand zwecks Ableitung von Regenwasser beauftragt. Dass er hinsichtlich dieser Tätigkeit konkreten Weisungen seiner Mutter unterlag, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Der Sohn hatte die Zielvorgabe ‒ Verhinderung des Wassereindringens in den Keller mittels des bestimmten Bretts ‒ zu erfüllen, war aber hinsichtlich der Zeit der Ausführung und genauer Ausführungsmodalität frei und ungebunden. Im Gegensatz zu dem von dem OLG Köln entschiedenen Fall (a.a.O.), in dem eine im elterlichen Haushalt lebende erwachsene Tochter mit der Beaufsichtigung des Hausgrundstücks während der urlaubsbedingten Abwesenheit der Eltern besonders betraut war, was nach dortiger Ansicht keine Tätigkeit im Rahmen der häuslichen Gemeinschaft mehr darstellte, so dass die Verrichtungsgehilfeneigenschaft der Tochter bejaht worden war, so liegt hier nur eine einmalige Gefälligkeit vor, die der Sohn im Zusammenhang mit einer häuslichen Gemeinschaft oder jedenfalls einem familiären Näheverhältnis unabhängig und selbständig vorgenommen hat, und hinsichtlich derer ein Verhältnis weisungsgebundener Abhängigkeit zu seiner Mutter, der Beklagten, weder ansatzweise vorgetragen noch sonst ersichtlich ist.

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Auch die Anwendung der Vorschrift des § 278 BGB scheidet als Zurechnungsnorm aus. Zwischen der Beklagten und ihrem Sohn und der Klägerin bestand zur Zeit des Schadensereignisses keine rechtliche Sonderverbindung, die Voraussetzung für die Zurechnung fremden Verschuldens nach dieser Bestimmung ist (st. Rspr., vgl. OLG Köln, Urteil vom 23. Februar 2000 ‒ 11 U 126/99 ‒, juris Rn. 5; BGHZ 1, 249 = NJW 1951, 477; BGHZ 103, 338 [342] = NJW 1988, 2667).

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b. Als Verletzungshandlung kommt demnach nur die Verletzung einer der der Beklagten deshalb obliegenden Verkehrssicherungspflicht in Betracht, da sie den Auftrag zum Aufstellen den Bretts an ihre Hauswand erteilt hat und eine dadurch von ihr verursachte Gefahrenlage nicht hinreichend gesichert haben könnte, womit die Klägerin letztlich aber ebenfalls nicht durchzudringen vermag.

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Durch das Aufstellenlassen des Bretts hat die Beklagte auf dem Bürgersteig vor ihrer Wohnung eine Gefahrenlage geschaffen, da es für Personen, die diesen Bürgersteig benutzten, ein Hindernis darstellte. Unabhängig von dem genauen Anlehnungswinkel und somit davon, welche Breite des Bürgersteigs von dem Brett eingenommen wurde, war die Beklagte nach Ansicht des Senats in der konkreten Situation tagsüber, in der das 100 cm x 150 cm große Brett gut sichtbar und von der Klägerin auch unstreitig wahrgenommen worden war, zu keinen weiteren Sicherungsmaßnahmen rund um das Brett verpflichtet.

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Derjenige, der eine Gefahrenlage ‒ gleich welcher Art ‒ schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren und die den Umständen nach zuzumuten sind (stRspr, BGH NJW 2018, 2956 Rn. 17; NJW 2017, 2905 Rn. 6; BGHZ 195, 30 = NJW 2013, 48 Rn. 7; BGH NJW-RR 2011, 888 Rn. 9, alle mwN; BeckOK BGB/Förster, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 823 Rn. 293). Die Rechtsordnung lässt somit zahllose Verhaltensweisen zu, die gesellschaftlich nachgefragt und wirtschaftlich sinnvoll, aber in dem Sinne „gefährlich“ sind, dass sie objektiv die Wahrscheinlichkeit erhöhen, bei Dritten zu Schäden zu führen (BeckOK BGB/Förster, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 823 Rn. 295). Es kann nämlich „nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden […]“. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (BeckOK BGB/Förster, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 823 Rn. 309). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Wie üblich hängt es von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab, welche konkrete Maßnahme zu treffen ist (BGH NJW 2004, 1449 f; vgl. BGHZ 65, 211 (216); Staudinger/Hager, 2009, Rn. E 26). In die dazu notwendigen Überlegungen sind zahlreiche Faktoren miteinzubeziehen, wobei der Größe der Gefahr, gemessen an dem Produkt der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und dem zu erwartenden Ausmaß des drohenden Schadens, besondere Bedeutung zukommt. Nimmt die Intensität der Gefahr zu, wächst damit auch das Maß der vom Verkehrssicherungspflichtigen zu erwartenden Sorgfalt (BGH NJW 1965, 197 (199); vgl. OLG Stuttgart BeckRS 2003, 05834; BeckOK BGB/Förster, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 823 Rn. 309 f).

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Die Berücksichtigung aller konkret maßgeblichen Faktoren ergibt vorliegend, dass keine Schutzmaßnahmen notwendig waren, weil ein Schadenseintritt, so wie er erfolgt  ist, sehr unwahrscheinlich war und ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für einen solchen Geschehensablauf keine Sicherungsvorkehrungen schaffen musste, um andere vor Schäden zu bewahren. Die Klägerin hat selber vorgetragen, dass sie dann, wenn die Zeugin B ihr nicht gerade auf Höhe der Platte entgegengekommen und es nicht zu der kurzen Ablenkung in Form des Gesprächs gekommen wäre, natürlich mit einem ausreichenden Abstand an der Sperrholzplatte vorbeigegangen wäre. Unerheblich ist dabei, ob die Platte sehr flach am Haus lehnte, wie es die Beklagte behauptet, oder entsprechend der Behauptung der Klägerin sehr weit auf den Bürgersteig reichte. Denn jedenfalls hat die Klägerin die Platte als Hindernis sofort erkannt und in nicht zu beanstandender Art und Weise beschlossen, erst die Zeugin B passieren zu lassen und dann anschließend selber an der Platte entlang zu gehen. Ein solches Abwarten war ihr auch zumutbar und konnte von ihr als verständiger und umsichtiger Fußgängerin erwartet werden. Die sich dann anschließend verwirklichte Gefahr, dass sie während der wenigen Minuten, die sie darauf wartete, an dem Hindernis vorbeigehen zu können, trotz vorherigen Wahrnehmens des Hindernisses und trotz des davor Stehenbleibens, vergaß, dass es sich dort befand, und beim Weitergehen darüber stolperte, war ein gänzlich unwahrscheinlicher Geschehensablauf, gegen den die Beklagte nach Ansicht des Senats nicht verpflichtet war, sämtliche Fußgänger abzusichern. Eine weitere Absicherung hätte allenfalls dazu dienen können, das bereits sehr gut sichtbare Hindernis noch besser erkennbar zu machen, was es allerdings im vorliegenden Fall nicht bedurfte, da die Klägerin es auch so erkannt hatte. Für den Senat ist daher bereits nicht ersichtlich, was die Beklagte im Rahmen der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht weiter überhaupt hätte unternehmen können, bzw. müssen. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin nicht auch bei Vorhandensein einer weiteren Absicherung abgelenkt worden und sodann über die Platte gestolpert bzw. dagegen gelaufen wäre. Der Ansicht der Klägerin, die Platte habe auf dem Gehweg überhaupt nicht abgestellt werden dürfen, vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Denn es bestand jedenfalls für das kurzfristige Abstellen ein nachvollziehbarer sachlicher Grund, indem dadurch bis zur Reparatur der Dachrinne durch den bereits beauftragten Dachdecker das Eindringen von Regenwasser in den Keller verhindert werden sollte.

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Indem es vorliegend gleichwohl entgegen jeder Wahrscheinlichkeit zu dem Unglück der Klägerin gekommen ist, hat sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das der Klägerin niemand abnehmen kann, weshalb sie den Schaden letztlich auch selbst tragen muss. Die Klägerin hat zwar ein „Unglück“ erlitten, kann dem „Schädiger“ ‒ der Beklagten ‒ aber kein „Unrecht“ vorhalten (ähnlich BGH NJW 2014, 2104 Rn. 9, zurückgehend auf BGH BeckRS 1975, 30391745).

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Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob zudem Ansprüche der Klägerin wegen eines überwiegenden Mitverschuldens i.S.d. § 254 BGB untergegangen wären.

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Die Klägerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme ‒ auch zur Frage der Durchführung des Berufungsverfahrens ‒ innerhalb der ihr gesetzten Frist. Der Senat weist auf die kostenrechtliche Privilegierung der Berufungsrücknahme hin. Statt 4 fallen nur 2 Gerichtsgebühren an (Nr. 1222 KV zu § 3 Abs. 2 GKG).