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· Fachbeitrag · Barrierefreies Wohnen

Mieter- und Vermieterrechte bei Baumaßnahmen

von RA Axel Wetekamp, RiAG a.D., München

| Der Wunsch, so lang wie möglich in der eigenen Wohnung leben zu können, kann durch barrierefreies Wohnen erfüllt werden. Der folgende Beitrag zeigt, welche Rechte Mieter und Vermieter in diesem Zusammenhang haben und wie Probleme gemeinsam gelöst werden können. |

1. Grundlagen

2001 wurde § 554a BGB („Barrierefreiheit“) neu ins BGB eingefügt. Hintergrund war die „Treppenlift-Entscheidung“ des BVerfG (NZM 00, 539). Hier hatte das BVerfG unter bestimmten Voraussetzungen einem Mieter mit einer gehbehinderten Ehefrau einen Rechtsanspruch auf Einbau eines Treppenlifts durch den Mieter zugesprochen. Mit § 554a BGB wollte der Gesetzgeber den Anspruch von Mietern auf barrierefreie Nutzung ihrer Wohnung auf eine breitere - gesetzliche - Grundlage stellen. Unbeschadet dessen kann der Mieter im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs nach § 535 BGB die Mieträume mit behindertengerechten Einrichtungen versehen. Diese Mietermodernisierungen sind gegebenenfalls beim Auszug zu entfernen. Maßnahmen nach § 554a BGB können demgegenüber die Grenze des vertragsgemäßen Gebrauchs auch überschreiten.

2. Barrierefreies Wohnen durch Mietermodernisierung

Nach § 554a BGB kann der Mieter vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen verlangen, die für eine behindertengerechte Nutzung der Mietwohnung erforderlich sind.

 

a) Bauliche Veränderungen

Gemeint sind Veränderungen, die dem Zweck dienen, ein barrierefreies Wohnen zu ermöglichen (z.B. Einbau eines Treppenlifts oder barrierefreien Bads). § 554a BGB erwähnt auch sonstige Einrichtungen, die nicht in die bauliche Substanz eingreifen, z.B. besondere Haltegriffe oder nicht fest installierte Auffahrtsschienen als einfacher Zugang zum Hauseingang für Rollstuhlfahrer (AG München 25.11.10, 453 C 27330/10, MK 11, 35, Abruf-Nr. 110175).

 

b) Behinderung als Voraussetzung des Zustimmungsanspruchs

Wie sich aus der Formulierung „behindertengerechte Nutzung“ ergibt, ist nicht nur auf den Mieter abzustellen. Die behinderte Person muss nicht Mietvertragspartei sein (z.B. in der Wohnung lebende Angehörige, Ehepartner oder Lebensgefährten). Eine Behinderung ist eine Einschränkung der körperlichen Funktionen, der geistigen Fähigkeiten oder der seelischen Gesundheit, die länger als sechs Monate andauert (§ 3 BGG). Ein bestimmter Grad muss amtlich nicht festgestellt sein. Es muss jedoch eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit i.S. des § 554a BGB vorliegen. Der Vermieter kann verlangen, dass dargelegt wird, dass die Maßnahme für die behindertengerechte Nutzung der Wohnung erforderlich und geeignet - also nicht nur nützlich - ist. Dies bedeutet, dass er vom Mieter gegebenenfalls auch einen Nachweis über das Ausmaß der Behinderung verlangen kann.

 

c) Interessenabwägung

Da sich die Grundrechte des Mieters aus Art. 2 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) und des Vermieters aus Art. 14 GG (Eingriff in das Eigentum) gegenüberstehen, muss bei einer Zustimmungsklage des Mieters das Gericht eine Interessenabwägung vornehmen. Dabei sind u.a. zu berücksichtigen:

 

Checkliste / Kriterien für die Interessenabwägung

  • Art der Behinderung und Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme
  • Auswirkungen auf das Gebäude, z.B. Statik bei Treppenlift oder veränderte Zugänge bei denkmalgeschützten Gebäuden
  • bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Maßnahme
  • Abhängigmachen von der Ausführung durch anerkannten Fachbetrieb
  • Sicherstellung der Rückbaukaution (vgl. unten 3)
  • Nachweis einer entsprechenden Versicherung zur Abdeckung zusätzlicher Haftungsrisiken (BVerfG NZM 00, 539)
  • Auswirkungen auf berechtigte Interessen anderer Mieter (§ 554a Abs. 1 S. 3 BGB, z.B. Verengung des Treppenhauses durch einen Treppenlift)
 

3. Rückbaukaution

Die Leistung einer zusätzlichen Sicherheit für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ist in § 554a Abs. 2 BGB vorgesehen. Der Vermieter kann seine Zustimmung von der Leistung dieser Sonderkaution abhängig machen. Diese Kaution ist unabhängig von einer bereits nach § 551 BGB geleisteten Mietkaution. Die Art der Sicherheit unterliegt der vertraglichen Vereinbarung der Parteien, wobei z.B. auch eine andere Anlageform nach § 551 Abs. 3 S. 2 BGB vereinbart werden kann. Nachdem § 554a Abs. 2 S. 2 BGB auf die entsprechende Anwendung von § 551 Abs. 3 und 4 BGB, nicht aber auf § 551 Abs. 2 BGB verweist, kann der Mieter hier keine Ratenzahlung verlangen. Andererseits ist die in einer Geldsumme geleistete Kaution entsprechend § 551 Abs. 3 und 4 BGB anzulegen.

 

Die Höhe der Kaution orientiert sich an den voraussichtlichen Kosten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, die nur geschätzt werden können. In Hinblick auf ein höheres zukünftiges Preisniveau beim Rückbau der Einrichtung dürfte ein Zuschlag zu berücksichtigen sein (Mersson, NZM 02, 317).

 

PRAXISHINWEIS | Die Ermittlung der Rückbaukosten dürfte für den Laien in der Regel nicht möglich sein, zumal zum Zeitpunkt der Leistung der Kaution noch nicht einmal die Kosten der Baumaßnahme selbst feststehen. Insoweit dürften die Parteien auf die Schätzung eines Sachverständigen angewiesen sein. Nachdem nach der ratio des § 554a BGB alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Baumaßnahme stehen, zulasten des Mieters gehen, gilt dies auch für die Kosten des Sachverständigen (Mersson, a.a.O.).

 

4. Wegnahmerecht

Das Gesetz verlangt vom Mieter die Entfernung der Einrichtung, wenn der Grund ihrer Anbringung wegfällt. Insofern ist der Hinweis auf das Wegnahmerecht nach § 539 Abs. 2 BGB an sich nicht erforderlich. Andererseits kann der Vermieter die Ausübung des Wegnahmerechts durch Zahlung einer angemessenen Entschädigung abwenden, wenn nicht der Mieter ein berechtigtes Interesse an der Wegnahme hat (§ 552 BGB).

5. Vereinbarung über bauliche Veränderungen

Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter über die Durchführung baulicher Veränderungen sind sinnvoll. Hier können wichtige Teilbereiche der gesetzlichen Regelung außer Streit gestellt werden. So kann dem Mieter der Nachweis der Erforderlichkeit für die behindertengerechte Nutzung erspart werden und das Recht des Vermieters auf Werterhaltung seines Eigentum geschützt werden. Vereinbarungen, die zum Nachteil des Mieters von § 554a Abs. 1 BGB abweichen, sind unwirksam (§ 554a Abs. 3 BGB).

 

Musterformulierung  / Vereinbarung zum Einbau eines behindertengerechten Badezimmers

Zwischen

 

... (Vermieter) und ... (Mieter) wird folgende Vereinbarung getroffen:

 

  • 1.Aufgrund der Schwerbehinderung seiner Ehefrau beabsichtigt der Mieter in der angemieteten Wohnung folgende bauliche Maßnahme durchzuführen : Einbau eines behindertengerechten Badezimmers.

 

  • 2.Der Vermieter stimmt dieser baulichen Veränderung unter folgenden Bedingungen zu:
    • Der Umbau muss durch einen anerkannten Fachbetrieb unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorschriften vorgenommen werden.
    • Der Name des Fachbetriebs ist vor Baubeginn dem Vermieter mitzuteilen.
    • Vor Baubeginn hat der Mieter den Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung nachzuweisen, die etwaige Schäden durch unsachgemäßen Einbau oder infolge des späteren Betriebs der Einrichtung abdeckt.
    • Spätestens bis zum ... hat der Mieter eine Sonderkaution als zusätzliche Sicherheitsleistung zu der bereits nach § 551 BGB geleisteten Kaution zu erbringen. Die Kaution ist in jedem Fall spätestens bis zwei Wochen vor Beginn der Baumaßnahme in einer Geldsumme auf das Konto Nr. ... bei der ... Bank einzubezahlen. Die Höhe der Kaution bestimmt sich nach den voraussichtlichen Kosten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Sie ist durch Schätzung eines Sachverständigen zu bestimmen, der für das die Baumaßnahme betreffende Sachgebiet bestellt ist. Ein geeigneter Sachverständiger wird auf Anfrage der Vertragsparteien durch die zuständige IHK benannt. Die durch die Einschaltung des Sachverständigen anfallenden Kosten trägt der Mieter. Die Sicherheitsleistung wird entsprechend § 551 Abs. 3 und 4 BGB verzinslich angelegt. Die Zinsen wachsen der Sicherheitsleistung zu.

 

  • 3.Bei Wegfall des Grundes für die Baumaßnahme verpflichtet sich der Mieter, die Einrichtung auf seine Kosten zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Für das Wegnahmerecht des Mieters und einer etwaigen Übernahme der Einrichtung durch den Vermieter gelten die gesetzlichen Vorschriften des § 539 Abs. 2 und § 552 BGB.

 

.................................................................

Ort, Datum, VermieterOrt, Datum, Mieter

 
Quelle: Ausgabe 01 / 2013 | Seite 12 | ID 42291144