· BFH bestätigt Trennungstheorie im Privatvermögen
Warum eine Schenkung mit Schulden nicht unentgeltlich ist

von StB Dipl.-Finw. (FH), MBA Lukas Hendricks, Bonn
| In einem bemerkenswerten Urteil entschied das FG Niedersachsen (29.5.24, 3 K 36/24 ), dass bei einer teilentgeltlichen Übertragung unterhalb der ursprünglichen Anschaffungskosten kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft anzunehmen sei, da kein realisierter Wertzuwachs erzielt werde und somit keine Einkunftsart erfüllt sei. Das Urteil des BFH vom 11.3.25 (IX R 17/24 ) befasst sich nun mit der Revision und bestätigt die langjährigen Grundsätze zur steuerlichen Behandlung einer teilentgeltlichen Übertragung einer Immobilie innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist gemäß § 23 EStG. Dieses Urteil bietet einen wichtigen Beratungsanlass für Mandanten, die einen teilentgeltlichen Verkauf ihrer Immobilien in Erwägung ziehen, um mögliche steuerliche Konsequenzen besser zu verstehen. |
1. Verfahrensverlauf
1.1 Sachverhalt
Der Kläger erwarb 2014 ein vermietetes Grundstück für 144.000 EUR, finanziert durch ein Bankdarlehen. Fünf Jahre später, im März 2019, übertrug er die Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter, die das noch valutierende Darlehen i. H. v. 115.000 EUR übernahm. Der Verkehrswert der Immobilie betrug zu diesem Zeitpunkt 210.000 EUR. Das Finanzamt betrachtete die Übertragung als teilentgeltlich und ermittelte einen Veräußerungsgewinn von 40.653 EUR, der als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 EStG besteuert wurde.
1.2 Entscheidung FG Niedersachsen
Das FG Niedersachsen (29.5.25, 3 K 36/24) gab der Klage statt. Es argumentierte, dass bei einer teilentgeltlichen Übertragung unterhalb der ursprünglichen Anschaffungskosten kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vorliege, da kein realisierter Wertzuwachs erzielt werde. Die Übernahme des Darlehens durch die Tochter stelle lediglich einen Vermögenstransfer dar, der nicht der Einkommensteuer unterliege.
1.3 Entscheidung BFH
Der BFH hob das Urteil des FG nun mit Urteil vom 11.3.25 (IX R 17/24) auf und wies die Klage ab. Er stellte klar, dass bei teilentgeltlichen Übertragungen unverändert eine Aufteilung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil nach dem Verhältnis der Gegenleistung (hier: übernommenes Darlehen) zum Verkehrswert der Immobilie vorzunehmen ist.
Der entgeltliche Teil stellt ein privates Veräußerungsgeschäft i. S. d.§ 23 EStG dar, selbst wenn das Entgelt unter den ursprünglichen Anschaffungskosten liegt. Ein tatsächlicher Vermögenszuwachs ist für die Steuerpflicht nicht erforderlich.
2. Grundsätze der teilentgeltlichen Übertragung innerhalb der Spekulationsfrist (§ 23 EStG)
Der BFH bestätigt die Anwendung der Trennungstheorie bei teilentgeltlichen Übertragungen:
- Aufteilung der Übertragung: Die Übertragung wird in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt, basierend auf dem Verhältnis von Gegenleistung zu Verkehrswert.
- Besteuerung des entgeltlichen Teils: Der entgeltliche Teil unterliegt als privates Veräußerungsgeschäft der Besteuerung, sofern die Übertragung innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist erfolgt.
- Unabhängigkeit vom tatsächlichen Gewinn: Ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn kann auch dann vorliegen, wenn das Entgelt unter den ursprünglichen Anschaffungskosten liegt.
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Ein Vater erwirbt im Jahr 2020 eine vermietete Immobilie zu einem Kaufpreis von 100.000 EUR. Die Finanzierung erfolgt zu 60 % fremd, also i. H. v. 60.000 EUR, der Rest wird durch Eigenkapital aufgebracht. Nach fünf Jahren, im Jahr 2025, überträgt der Vater die Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter. Zum Zeitpunkt der Übertragung beträgt der Verkehrswert der Immobilie 150.000 EUR. Die Tochter übernimmt im Gegenzug die noch valutierende Darlehensschuld i. H. v. 50.000 EUR. |
3. Steuerliche Beurteilung
3.1 Aufteilung in entgeltlichen und unentgeltlichen Teil
Da die Tochter als Gegenleistung für die Übertragung die bestehende Darlehensschuld übernimmt, liegt eine sogenannte teilentgeltliche Übertragung vor. Nach ständiger Rechtsprechung (zuletzt BFH 11.3.25, IX R 17/24) ist die Übertragung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Das Verhältnis der übernommenen Verbindlichkeit zum Verkehrswert bildet die Bemessungsgrundlage für die Aufteilung:
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Entgeltlicher Teil: 50.000 EUR ÷ 150.000 EUR = | 1/3 |
Unentgeltlicher Teil = | 2/3 |
Bewertung und Aufteilung | |
Verkehrswert: 150.000 EUR ÷ Gegenleistung (Darlehensübernahme) 50.000 EUR | |
Quotenaufteilung | |
Entgeltlicher Teil: 50.000 ÷ 150.000 = | 1/3 |
Unentgeltlicher Teil: 100.000 ÷ 150.000 = | 2/3 |
3.2 Steuerliche Folgen beim Vater als Veräußerer: Anwendung des § 23 EStG
Entgeltlicher Teil 1/3: Da die Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung übertragen wurde, liegt hinsichtlich des entgeltlichen Anteils ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG vor.
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Anschaffungskosten anteilig (1/3): 1/3 von 100.000 EUR = | 33.333 EUR |
Veräußerungspreis (1/3 von Verkehrswert): 1/3 von 150.000 EUR = | 50.000 EUR |
Veräußerungsgewinn: 50.000 EUR ‒ 33.333 EUR = | 16.667 EUR |
Dieser Gewinn unterliegt der Einkommensteuer. Werbungskosten im Zusammenhang mit der Übertragung (z. B. anteilige Notar- oder Grundbuchkosten) können abgezogen werden (§ 23 Abs. 3 S. 1 EStG).
MERKE | Dieser Gewinn unterliegt der Einkommensteuer als privates Veräußerungsgeschäft. Werbungskosten (z. B. anteilige Notarkosten) könnten ggf. noch abgezogen werden. |
Unentgeltlicher Teil (2/3): Der unentgeltliche Anteil der Übertragung (2/3) unterliegt nicht der Einkommensteuer, sondern stellt eine Schenkung im ertragsteuerlichen Sinne dar.
3.3 Steuerliche Folgen bei der Tochter (Erwerberin)
Entgeltlicher Anteil (1/3): Die Tochter erwirbt 1/3 der Immobilie gegen Übernahme von Verbindlichkeiten, was als anschaffungsähnlicher Vorgang gilt. Für diesen entgeltlichen Anteil hat sie eigene Anschaffungskosten i. H. v. 50.000 EUR. Dieser Betrag ist auf Grund und Boden sowie Gebäude aufzuteilen. Nur der Gebäudeanteil berechtigt zur Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 EStG.
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Grundstück (nicht abschreibbar): 40 % = | 20.000 EUR | |
Gebäude (AfA-berechtigt): 60 % = | 30.000 EUR | |
AfA: 30.000 EUR × 2 % = | 600 EUR | jährlich |
Die Tochter beginnt die Abschreibung gemäß § 11d EStDV ab dem Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs (regelmäßig der Übergabetag).
Unentgeltlicher Anteil (2/3): Hinsichtlich des unentgeltlichen Anteils gilt die Tochter als Rechtsnachfolgerin des Vaters. Nach den Grundsätzen der „Fußstapfentheorie“ treten Erwerber bei unentgeltlicher Übertragung in die Anschaffungskosten und die AfA-Bemessungsgrundlagen des Rechtsvorgängers ein.
Konsequenz: Die Tochter setzt für diesen Teil die ursprünglichen Anschaffungskosten des Vaters anteilig fort (2/3 von 100.000 EUR = 66.667 EUR). Eine neue Aufteilung auf Grund und Boden sowie Gebäude ist insoweit nicht erforderlich. Sofern der Vater eine AfA vorgenommen hat, setzt die Tochter diese entsprechend dem unentgeltlichen Anteil (hier 2/3) im verbleibenden Nutzungszeitraum fort (§ 11d Abs. 1 S. 1 EStDV).
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Die Tochter hatte im Jahr 2025 eine Immobilie von ihrem Vater übernommen, wobei 1/3 entgeltlich durch Übernahme der Darlehensschuld (50.000 EUR) und 2/3 unentgeltlich im Rahmen einer Schenkung (vorweggenommene Erbfolge) übertragen wurden. Im Jahr 2031, also sechs Jahre nach der Übertragung vom Vater, veräußert die Tochter die Immobilie für 200.000 EUR. |
4. Steuerliche Beurteilung nach § 23 EStG beim Verkauf in 2031
4.1 Grundsätzliche Regelung
Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ist ein privates Veräußerungsgeschäft steuerpflichtig, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung eines Grundstücks nicht mehr als zehn Jahre liegen (sog. „Spekulationsfrist“). Maßgeblich ist die Dauer der Besitzzeit des Steuerpflichtigen ‒ bei unentgeltlichem Erwerb gilt allerdings eine Besonderheit.
4.2 Behandlung der unentgeltlich erworbenen 2/3
Für die unentgeltlich erhaltenen 2/3 der Immobilie (Erwerb durch Schenkung vom Vater) gilt die sogenannte Fußstapfentheorie. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 EStG tritt die Tochter in die Rechtsstellung des Vaters ein. Die Besitzzeit des Vaters wird also bei der Tochter angerechnet.

4.3 Behandlung des entgeltlich erworbenen Anteils von 1/3 (Schuldübernahme 2025: 50.000 EUR)
Für den entgeltlich übernommenen Teil (50.000 EUR) liegt ein eigenständiger Anschaffungsvorgang der Tochter vor. Die Tochter gilt in Bezug auf diesen Anteil als eigene Erwerberin, da keine Schenkung vorliegt. Es findet keine Besitzzeitübernahme vom Vater statt.

4.4 Berechnung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns
Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn der Tochter im Jahr 2031, bezogen auf den entgeltlich erworbenen Anteil (1/3) der Immobilie, unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich bei Vermietung als Werbungskosten berücksichtigten Absetzung für Abnutzung (AfA):
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Ausgangsdaten | |
Veräußerung | 2031 |
Verkaufspreis gesamt | 200.000 EUR |
Entgeltlicher Anteil (1/3) | 66.667 EUR |
Dieser Anteil ist relevant für § 23 EStG, da insoweit ein Verkauf innerhalb der Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erfolgte. | |
Schritt 1: Ermittlung der ursprünglichen Anschaffungskosten (1/3-Anteil)
Aus dem entgeltlichen Erwerb durch Übernahme der Darlehensschuld von 50.000 EUR im Jahr 2025: | |
Kaufpreis (1/3-Anteil) | 50.000 EUR |
Aufteilung (geschätzt wie oben): | |
| 20.000 EUR (nicht abschreibbar) |
| 30.000 EUR (AfA-berechtigt) |
Schritt 2: AfA-Berechnung (2025 bis 2030)
Die Immobilie wurde fünf Jahre lang vermietet, daher: | |
AfA pro Jahr (2 % von 30.000 EUR) = | 600 EUR |
AfA gesamt für 5 Jahre = 600 EUR × 5 = | 3.000 EUR |
Restwert Gebäudeanteil: 30.000 EUR ‒ 3.000 EUR = | 27.000 EUR |
Schritt 3: Ermittlung der ursprünglichen Anschaffungskosten inkl. AfA-Korrektur | |
Grund und Boden | 20.000 EUR |
Gebäude (nach AfA) | 27.000 EUR |
Gesamter „Buchwert“ des 1/3-Anteils zum Verkaufszeitpunkt | 47.000 EUR |
Schritt 4: Veräußerungserlös anteilig (1/3 von 200.000 EUR) | |
Verkaufserlös 1/3 = | 66.667 EUR |
Schritt 5: Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG | |
Veräußerungsgewinn = Verkaufspreis ‒ Buchwert = 66.667 EUR ‒ 47.000 EUR = | 19.667 EUR |
Ergebnis: Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn der Tochter im Jahr 2031 beträgt auf den entgeltlich erworbenen Anteil der Immobilie 19.667 EUR. Dieser Betrag unterliegt in voller Höhe der Einkommensteuer als privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 23 Abs. 3 EStG. Ggf. sind Veräußerungskosten (z. B. Makler, Notar) noch anteilig (zu 1/3) als Werbungskosten abziehbar. Die Steuerpflicht bezieht sich ausschließlich auf den entgeltlich erworbenen Anteil. Der unentgeltlich übertragene Anteil (2/3) bleibt steuerfrei.
4.5 Schenkungsteuerliche Einordnung (Hinweis)
Die Übertragung zu 2/3 unentgeltlich ist als (gemischte) Schenkung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu qualifizieren. Die übernommene Darlehensschuld stellt eine Gegenleistung dar und mindert den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG). Die Tochter hat als Erwerberin in Steuerklasse I einen Freibetrag i. H. v. 400.000 EUR (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Ohne anrechenbare Vorschenkungen ist der Vorgang daher schenkungsteuerfrei.
5. Lösungsansätze für Übertragungen innerhalb der Spekulationsfrist
5.1 Alternative 1: Zurückhalten der Schuld beim Übertragenden
Eine vollständige unentgeltliche Übertragung einer Immobilie im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge kann durch den Verzicht auf die Schuldübernahme durch den Erwerber erreicht werden. In diesem Fall behält der Schenker (z. B. der Vater) die Darlehensverbindlichkeiten weiterhin selbst, während der Erwerber (z. B. die Tochter) keine Gegenleistung erbringt. Dies führt dazu, dass die Übertragung zivilrechtlich und sowohl einkommensteuerlich als auch schenkungsteuerlich als vollständig unentgeltlich eingestuft wird.
5.2 Steuerliche Folgen einer vollständig unentgeltlichen Übertragung
- Keine Besteuerung nach § 23 EStG: Da keine Gegenleistung erfolgt, liegt kein entgeltlicher Erwerb vor. Somit entsteht beim Schenker kein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn gemäß § 23 EStG. Der Erwerber tritt gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 EStG in die Rechtsstellung des Schenkers ein, was bedeutet, dass die Spekulationsfrist des Schenkers fortgeführt wird.
- Keine Anschaffungskosten beim Erwerber: Da der Erwerb unentgeltlich erfolgt, entstehen beim Erwerber keine eigenen Anschaffungskosten. Stattdessen übernimmt er die fortgeführten Anschaffungskosten und die Besitzzeiten des Schenkers. Dies hat Auswirkungen auf die Abschreibungsmöglichkeiten und die spätere Veräußerung der Immobilie (BFH 8.10.03, II R 46/01, Abruf-Nr. 040337).
- Verlust der Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen beim Schenker: Ein wesentlicher Nachteil dieser Gestaltung liegt in der steuerlichen Behandlung der weiterhin vom Schenker getragenen Schuldzinsen. Der BFH hat in seinem Urteil vom 3.12.24 (IX R 2/24) entschieden, dass Schuldzinsen, die auf einen unentgeltlich übertragenen Miteigentumsanteil entfallen und bei denen die Darlehensverbindlichkeiten beim Schenker verbleiben, nicht mehr als (Sonder-)Werbungskosten abziehbar sind. Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Schuldzinsen und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entfällt, da die Darlehen fortan der Finanzierung der Schenkung dienen und nicht mehr der Einkünfteerzielung. Somit greift das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG.
FAZIT | Durch den Verzicht auf die Schuldübernahme kann eine vollständig unentgeltliche Übertragung gestaltet werden, die steuerlich vorteilhaft sein kann, da keine Besteuerung nach § 23 EStG erfolgt und der Erwerber keine eigenen Anschaffungskosten hat. Allerdings führt diese Gestaltung dazu, dass der Schenker die Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen verliert, da der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung entfällt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Schuldzinsen in dieser Konstellation auch bei der Tochter nicht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG abzugsfähig sind. Maßgeblich für die steuerliche Berücksichtigung von Schuldzinsen ist, dass der Steuerpflichtige wirtschaftlich mit der Zinslast belastet ist. Dies setzt voraus, dass er zivilrechtlich oder zumindest wirtschaftlich Schuldner der Darlehensverpflichtung ist und die Zinsen aus eigenen Mitteln aufbringt.
Im vorliegenden Fall verbleibt das Darlehen beim Vater, und die Tochter übernimmt weder die Schuld noch die Zahlungsverpflichtung. Sie ist folglich weder rechtlich noch wirtschaftlich mit den Darlehenszinsen belastet. Selbst wenn die Zinsen zur Finanzierung einer weiterhin vermieteten Immobilie gezahlt werden, kann sie mangels eigener Belastung keinen Schuldzinsenabzug geltend machen. Damit sind die Schuldzinsen sowohl beim Vater (wegen fehlendem Zusammenhang zur Einkünfteerzielung, § 12 Nr. 1 EStG) als auch bei der Tochter (mangels eigener Belastung) steuerlich nicht abzugsfähig. Diese steuerliche Konsequenz ist bei der Übertragungsplanung besonders zu beachten, da sie über Jahre hinweg zu einem merklichen Wegfall steuerlicher Vorteile führen kann. |
5.3 Alternative 2: Übertragung unter zeitlich beschränktem Nießbrauchsvorbehalt
Eine wirksame Alternative zur teilentgeltlichen Übertragung durch Schuldübernahme besteht darin, das Grundstück vollständig unentgeltlich auf die Tochter zu übertragen, ohne dass diese die Darlehensschuld übernimmt, und sich gleichzeitig ein zeitlich befristetes Nießbrauchsrecht durch den Vater vorzubehalten ‒ und zwar befristet bis zur vollständigen Tilgung des Darlehens.
5.4 Steuerliche Folgen einer Übertragung unter zeitlich beschränktem Nießbrauchsvorbehalt
- Anerkennung des befristeten Vorbehaltsnießbrauchs (BFH-Rechtsprechung): Ein zeitlich beschränkter Vorbehaltsnießbrauch ist steuerlich anzuerkennen, sofern er zivilrechtlich wirksam vereinbart wurde und ernstlich gewollt ist. Dies hat der BFH in seinem Urteil vom 6.2.18 (IX R 11/17; BStBl II 18, 531), ausdrücklich bestätigt: „Ein zeitlich befristeter Vorbehaltsnießbrauch (bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses, z. B. Tilgung eines Darlehens) ist zivilrechtlich möglich und steuerlich anzuerkennen, wenn der Nießbraucher weiterhin Einkünfte erzielt.“ Der BFH stellt klar, dass auch befristete Nießbrauchsrechte ‒ etwa zur Absicherung der eigenen Darlehensverpflichtung ‒ einkommensteuerlich wirksam sind.
- Steuerliche Konsequenzen während der Dauer des Nießbrauchs: Solange das Nießbrauchsrecht besteht, gilt der Vater einkommensteuerlich weiterhin als derjenige, der die Immobilie wirtschaftlich nutzt und daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Der Nießbraucher wird dabei nicht nur zivilrechtlich, sondern auch steuerlich als Eigentümer behandelt, soweit er das Objekt nutzt und die Einnahmen erzielt. Die Konsequenzen im Einzelnen:
- Zurechnung der Mieteinnahmen: Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung werden dem Vater als Nießbraucher steuerlich voll zugerechnet, nicht der Tochter (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO analog).
- Abziehbarkeit der Schuldzinsen: Die weiterhin vom Vater getragenen Schuldzinsen stehen im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung (vgl. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG). Folge: Die Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzugsfähig, solange das Nießbrauchsrecht besteht.
- AfA und sonstige Werbungskosten: Auch die Abschreibung (AfA) sowie sonstige Werbungskosten (z. B. Erhaltungsaufwand) stehen dem Vater als wirtschaftlichem Nutzungsberechtigten zu.
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5.5 Beendigung des Nießbrauchs
Mit vollständiger Tilgung der Darlehensverbindlichkeit endet das Nießbrauchsrecht (z. B. automatisch nach § 1090 Abs. 2 BGB, sofern vertraglich geregelt). Ab diesem Zeitpunkt
- gehen die Mieteinnahmen vollständig auf die Tochter über,
- die Tochter wird ab dann auch Steuersubjekt der Einkünfte (§ 21 EStG),
- beim Vater fallen keine Zinsen mehr an, da das Darlehen vollständig getilgt ist.
FAZIT | Ein befristeter Vorbehaltsnießbrauch ist eine steuerlich wirksame Gestaltung, um bei unentgeltlicher Übertragung einer Immobilie sowohl die steuerliche Belastung nach § 23 EStG zu vermeiden als auch die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen beim Schenker bis zur Entschuldung aufrechtzuerhalten. Die zivilrechtliche und steuerliche Ausgestaltung sollte jedoch sorgfältig dokumentiert und vertraglich eindeutig geregelt sein. |
6. Bewertung und Praxistipp
Die Entscheidung des BFH bestätigt auch für Grundstücke die Trennungs- theorie bei teilentgeltlichen Übertragungen im Privatvermögen (wie zuletzt auch für die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, BFH 12.12.23, IX R 15/23) und stellt klar, dass auch Übertragungen unterhalb der eigenen historischen Anschaffungskosten steuerpflichtig sein können. Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Schenkung und vorweggenommenen Erbfolge von Immobilien eine sorgfältige steuerliche Prüfung erforderlich ist, insbesondere bei Verfügungen über Grundstücke innerhalb der Spekulationsfrist.
PRAXISTIPP | Berater sollten Mandanten darauf hinweisen, dass auch scheinbar unentgeltliche Übertragungen steuerliche Konsequenzen haben können, wenn eine Gegenleistung z. B. in Form der Schuldübernahme erfolgt. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass zur Anwendung der Trennungstheorie im Bereich des Betriebsvermögens aktuell noch ein Revisionsverfahren beim BFH (IV R 15/23) anhängig ist. Dabei geht es um die Frage, ob auch bei der teilentgeltlichen Übertragung von Anteilen oder Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen (insbesondere bei Mitunternehmeranteilen oder Sonderbetriebsvermögen) die strenge Aufteilung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil ‒ wie sie im Privatvermögen nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung gilt ‒ durchgängig anzuwenden ist oder ob hier abweichende Grundsätze (z. B. modifizierte Trennungs- oder Einheitstheorie) in Betracht kommen. Das Verfahren betrifft insbesondere die Abgrenzung zwischen unentgeltlicher und ggf. (teil-)entgeltlicher Veräußerung und ist für die steuerliche Behandlung in der betrieblichen Sphäre von erheblicher Bedeutung. |
FAZIT | Ein befristeter Vorbehaltsnießbrauch ist eine steuerlich wirksame Gestaltung, um bei unentgeltlicher Übertragung einer Immobilie sowohl die steuerliche Belastung nach § 23 EStG zu vermeiden als auch die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen beim Schenker bis zur Entschuldung aufrechtzuerhalten. Die zivilrechtliche und steuerliche Ausgestaltung sollte jedoch sorgfältig dokumentiert und vertraglich eindeutig geregelt sein. |