· Fachbeitrag · Ahnen-differenziert und -gestärkt in die Zukunft gehen
Strategien im Umgang mit dem familiären Vermächtnis in Familienunternehmen
von Prof. Dr. Heiko Kleve, Witten/Herdecke
| Mehrgenerationale Familienunternehmen sind mit einem Vermächtnis der Ahnengenerationen verbunden, das als Gesamtheit aller Faktoren verstanden werden kann, die mit der Weitergabe des Unternehmenseigentums und der familiären Weitergabe des Lebens von der einen an die nächste Generation einhergehen. Dieses Vermächtnis lässt sich grundsätzlich als ambivalent bewerten. Denn es beinhaltet für die jeweils aktuell Verantwortung tragende Generation sowohl problematische als auch potenzialorientierte Aspekte. Daher hat jede Generation zunächst die Aufgabe, diese Ambivalenz ihres Vermächtnisses zu akzeptieren und Umgangsweisen zu realisieren, die das Problematische zu beenden und das Potenzialgebende zu perpetuieren erlauben. In diesem Beitrag wird gezeigt, wie dies gelingen kann, nämlich durch eine ahnen-differenzierte Fokussierung der Vergangenheit, die bestenfalls dazu führt, dass jede gegenwärtige Generation ihre Zukunft ahnen-gestärkt in den Blick nehmen kann. Ein Schlüssel dafür ist strategisch eingesetztes Vermächtnismanagement in Unternehmerfamilien (vgl. ausführlich dazu Kle ve 2025 ). |
1. Das familiäre Vermächtnis
Kürzlich schrieb mir ein 80-jähriger Familienunternehmer, der aufgrund familiärer Konflikte und Probleme mit dem Geschäftsmodell bereits vor Jahren sein Familienunternehmen verkaufen musste, einen bewegenden Brief. In diesem schilderte er viele familiäre Probleme, die insbesondere seit den 1950er Jahren in seiner Unternehmerfamilie auftreten. Mehrere Suizide, psychosomatische Krankheiten und Erbschaftsstreitigkeiten zwischen Mitgliedern verschiedener Familienstämme prägten die Familiengeschichte. Diese Konflikte seien auch heute noch nicht gelöst, ziehen sich von Generation zu Generation, also von der Vergangenheit über die Gegenwart wohl auch in die Zukunft. Er zeichnete ein äußerst pessimistisches Bild seiner Familie und sah den „Untergang des Unternehmens“ als eine Folge tabuisierter Schuld aus der Vergangenheit, insbesondere der Zeit des Zweiten Weltkriegs.
Die Schuld, die die Familie trage und für die sie niemals offen, klar und bewusst die Verantwortung übernommen habe, sei ein menschenverachtender Einsatz von Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter gewesen. Es wurden ca. 80 Zwangsarbeiter beschäftigt, die unter „Hunger, Krankheit, brutaler Behandlung, insbesondere durch den Betriebsleiter“ litten (Mail von Januar 2025). „Gemäß Zeugenaussagen mussten sie auch im Winter auf unserm Fabrikhof bei Eis und Schnee ‒ oft ohne Schuhe, nur mit Lappen umwickelt ‒ arbeiten.“
Möchten Sie diesen Fachbeitrag lesen?
Kostenloses PU Probeabo
0,00 €*
- Zugriff auf die neuesten Fachbeiträge und das komplette Archiv
- Viele Arbeitshilfen, Checklisten und Sonderausgaben als Download
- Nach dem Test jederzeit zum Monatsende kündbar
* Danach ab 107,50 € / Monat
Tagespass
einmalig 20 €
- 24 Stunden Zugriff auf alle Inhalte
- Endet automatisch; keine Kündigung notwendig