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  • · Fachbeitrag · CSRD-Schwellenwerte final gekappt

    EU-Parlament bestätigt den Kompromiss zum Omnibus-I-Paket

    von Alexander Spahn, Gründer von CSR Tools, Stuttgart

    In den letzten Monaten glich die europäische ESG-Regulatorik einer Achterbahnfahrt. Am 16.12.25 hat nun das Europäische Parlament den im Trilog ausgehandelten Kompromiss zum Omnibus‑I‑Paket bestätigt und damit die neuen CSRD‑Schwellenwerte sowie die verschärften CSDDD‑Grenzen final besiegelt. Die CSRD wird künftig nur noch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und 450 Mio. EUR Nettoumsatz gelten, was den ursprünglich vorgesehenen Anwendungsbereich um rund 90 % reduziert. Zugleich werden die Sorgfaltspflichten der CSDDD begrenzt. Vor diesem Hintergrund beleuchtet dieser Beitrag die drei zentralen Säulen des Omnibus‑I‑Pakets: die finalen Schwellenwerte, die neuen ESRS‑Entwürfe zur deutlichen Vereinfachung der Berichterstattung und den Stand der deutschen Umsetzung.

    1. CSRD final beschlossen ‒ neue Schwellenwerte stehen fest

    Die Festlegung der Geltungsgrenzen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und die Lieferketten-Sorgfaltspflichten (CSDDD) durchlief in den letzten Monaten eine dynamische Entwicklung. Ursprünglich galt die klassische Definition für große Kapitalgesellschaften. Im Zuge der Omnibus-Verhandlungen zur Entlastung der Wirtschaft wurden die Grenzen immer wieder nachjustiert.

     

    1.1 Entwicklung der CSRD-Schwellenwerte im Überblick

    Ausgangslage: Ursprünglich waren Unternehmen im Fokus der Nachhaltigkeitsberichtspflicht, die zwei der drei Kriterien überschreiten: 250 Mitarbeitende, 25 Mio. EUR Bilanzsumme und 50 Mio. EUR Umsatz.

     

    Februar 2025: Die EU-Kommission schlug vor, die CSRD-Schwelle auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und entweder 25 Mio. EUR Bilanzsumme oder 50 Mio. EUR Umsatz anzuheben. Damit wären rund 80 % der ursprünglich betroffenen Unternehmen aus der Berichtspflicht gefallen.

     

    Oktober 2025: Am 13.10.25 hat der Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) den Omnibus-Kompromissvorschlag mit einer Schwelle von 1.000 Mitarbeitenden und 450 Mio. EUR Jahresumsatz angenommen.

     

    November 2025: Am 13.11.25 verabschiedete das EU-Parlament seinen Standpunkt zum Omnibus-I-Paket. Dieser sah eine massive Anhebung der Schwellenwerte vor, um rund 92 % der ursprünglich betroffenen Unternehmen aus der Pflicht zu nehmen. Der Vorschlag lag bei 1.750 Beschäftigten und 450 Mio. EUR Umsatz.

     

    Dezember 2025: Im finalen Kompromiss (Trilog-Einigung) zwischen Rat und Parlament wurde dieser Wert am 9.12.25 wieder nach unten korrigiert. Die Einigung sieht nun vor, dass die CSRD für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden (FTE) und 450 Mio. EUR Nettoumsatz gilt. Dies entspricht immer noch einer Reduktion des Anwendungsbereichs um ca. 90 % gegenüber dem ursprünglichen Entwurf, bleibt aber unter dem Parlamentsvorschlag.

     

    1.2 Änderungen bei der CSDDD (Lieferkettengesetz)

    Auch bei der CSDDD wurden die Hürden im finalen Deal deutlich angehoben:

     

    • Die Sorgfaltspflichten gelten künftig erst für Unternehmen mit 5.000 Mitarbeitenden und 1,5 Mrd. EUR Umsatz.
    • Die Umsetzungsfrist wurde um ein weiteres Jahr verschoben. Die Compliance-Pflicht greift nun erst ab Juli 2029.
    • Klimatransitionspläne wurden aus dem CSDDD-Pflichtenkatalog gestrichen. Zudem entfällt die Pflicht zum umfassenden Mapping der gesamten Lieferkette (Comprehensive Mapping). Stattdessen ist ein risikobasierter Ansatz (Scoping) vorgesehen, der sich bei gleichwertigen Risiken primär auf direkte Geschäftspartner fokussieren darf. Zudem können Finanzholdinggesellschaften von der direkten Berichtspflicht befreit werden.

     

    1.3 Parlament bestätigt das Omnibus-I-Paket

    Am 16.12.25 hat das Europäische Parlament im Plenum über den im Trilog ausgehandelten Kompromiss zum Omnibus-I-Paket (CSRD und CSDDD) abgestimmt und den Vorschlag bestätigt. Dieses Votum markiert den entscheidenden Meilenstein für die Wirtschaft: Es herrscht endlich die dringend benötigte Rechtssicherheit für Unternehmen, insbesondere hinsichtlich der finalen Geltung der neuen Schwellenwerte.

     

    Nach der Plenarabstimmung steht noch die formale Zustimmung des Rats aus, der bereits angekündigt hat, dem Vorschlag zuzustimmen. Nach der Veröffentlichung im Amtsblatt können die Mitgliedstaaten die Änderungen in nationales Recht umsetzen. Die Reform tritt anschließend in Kraft und ermöglicht Unternehmen, ihre Berichterstattung ab dem Geschäftsjahr 2027 entsprechend den neuen Vorgaben auszurichten.

     

    PRAXISTIPP — Eine Überprüfungsklausel (Review Clause) wurde vereinbart, um eine mögliche spätere Ausweitung des Anwendungsbereichs beider Richtlinien auf weitere Unternehmen zu evaluieren.

     

    2. Vereinfachte ESRS: Was ändert sich voraussichtlich?

    Der Kern des Omnibus-Updates ist eine drastische Vereinfachung der ESRS. Die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) hat nun geliefert: Anfang Dezember 2025 wurden die finalen technischen Ratschläge für die vereinfachten ESRS an die Europäische Kommission übergeben. Und dabei wurde der Rotstift angesetzt: Die Anzahl der verpflichtenden Datenpunkte (Datapoints) soll um rund 60 % sinken.

     

    MERKE — Doch Vorsicht: 60 % weniger Datenpunkte bedeuten nicht automatisch 60 % weniger Arbeit. Der Fokus verschiebt sich von einer Checklisten-Mentalität hin zu mehr Relevanz und Nutzbarkeit.

     

    Hier sind die wichtigsten Änderungen im Überblick:

     

    • Wesentlichkeit als oberster Filter: Das Wesentlichkeitsprinzip wird gestärkt und Informationen müssen nur berichtet werden, wenn sie wesentlich sind. Dies gilt nun explizit auch für viele Angaben, die bisher als obligatorisch galten. Unternehmen können zudem einen „Top-Down-Ansatz“ wählen, bei dem sie Themen basierend auf ihrem Geschäftsmodell ausschließen, ohne eine detaillierte Bottom-Up-Analyse für jeden einzelnen Datenpunkt durchführen zu müssen.

     

    • Flexibilität in der Darstellung: Die starre Struktur wird aufgebrochen. Unternehmen erhalten mehr Freiheit, ihren Bericht so zu gestalten, dass er für ihre Stakeholder lesbar ist:
      • Executive Summary: Es wird empfohlen (und ermöglicht), eine Zusammenfassung der wichtigsten ESG-Faktoren voranzustellen.
      • Anhänge: Detaillierte Tabellen, wie die umfangreichen EU-Taxonomie-Angaben oder komplexe CO2-Berechnungen, dürfen in Anhänge ausgelagert werden, um den Lesefluss nicht zu stören.

     

    • Inhaltliche Straffungen in den Standards
      • Massive Reduktion der Datenpunkte: Die Anzahl der verpflichtenden Datenpunkte (Shall-Datapoints) sinkt um ca. 60 %. Freiwillige Angaben (May-Datapoints) wurden zu 100 % aus dem verpflichtenden Text gestrichen.
      • Fokus auf Relevanz: Unwesentliche, granulare Details entfallen. Der Maßstab ist nun strikt die Entscheidungsnützlichkeit (Decision Usefulness) für die Nutzer der Berichte, statt einer reinen Checklisten-Mentalität.
      • Verschlankte Struktur: Die Dokumente sind im Umfang um über 50 % reduziert. Allgemeine Anforderungen wurden zentral im Standard ESRS 2 zusammengefasst, um Dopplungen in den Themenstandards zu vermeiden.
      • Auslagerung in Leitlinien: Viele gestrichene Datenpunkte sind nicht ersatzlos verschwunden, sondern wurden in unverbindliche Leitlinien (NMIG) verschoben. Sie dienen nun als Best Practice-Orientierungshilfe.

     

    • Prinzip des „angemessenen Aufwands“: Ein neuer Grundsatz zieht sich durch die Standards: „Undue cost or effort“. Unternehmen dürfen bestimmte Informationen weglassen oder schätzen, wenn die Beschaffung der Daten (insbesondere aus der Wertschöpfungskette) einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde. Dies ist eine pragmatische Handreichung an den Mittelstand und Unternehmen mit komplexen Lieferketten.

     

    • Fair Presentation: Der Grundsatz der „Fair Presentation“ ersetzt die starre Checklisten-Mentalität. Ziel ist ein vollständiges und neutrales Bild der Nachhaltigkeitsleistung. Reichen die Standards dafür nicht aus, müssen unternehmensspezifische Informationen ergänzt werden. Umgekehrt können unwesentliche Details weggelassen werden, um die Relevanz des Berichts zu steigern.

     

    Mit der Übergabe der technischen Empfehlungen (Technical Advice) durch die EFRAG an die Europäische Kommission im Dezember 2025 ist ein wichtiger Meilenstein erreicht, aber der Gesetzgebungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Der Ball liegt nun im Feld der Kommission, die auf Basis dieser Entwürfe einen delegierten Rechtsakt ausarbeiten wird.

     

    MERKE — Es wird erwartet, dass der Entwurf im Frühjahr 2026 in die öffentliche Konsultation geht, gefolgt von der formalen Annahme durch die Kommission sowie einer Prüfungsfrist für Parlament und Rat. Verläuft dieser Prozess ohne Veto, wird mit einem Inkrafttreten der neuen Standards bis Mitte 2026 gerechnet.

     

    3. Umsetzung in Deutschland: CSRD-Gesetz weiter in der Warteschleife

    Während Brüssel auf das Gaspedal drückt, stockt der Motor in Berlin. Die Umsetzung der CSRD in deutsches Recht (CSRD-Umsetzungsgesetz) lässt weiter auf sich warten. Deutschland ist mit der Umsetzung der CSRD im Verzug. Der Regierungsentwurf vom September 2025 steckt fest, gebremst durch politische Streitpunkte und die laufenden EU-Verhandlungen. Eine Verabschiedung noch 2025 gilt als höchst unwahrscheinlich. Für Unternehmen entsteht damit eine rechtliche Grauzone.

     

    • CSRD-Pflicht ab 2027 stark eingeschränkt: Für Geschäftsjahre ab dem 1.1.27 müssen nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und über 450 Mio. EUR Nettoumsatz ‒ also über den neuen Schwellenwerten ‒ einen Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD erstellen.
    • Wave-1-Unternehmen nur noch befristet im Scope: Unternehmen der sogenannten ersten Welle bleiben höchstens für die Geschäftsjahre 2024 bis 2026 im CSRD-Anwendungsbereich, sofern sie die neuen Schwellenwerte nicht überschreiten.
    • Stop-the-Clock für 25/26 möglich, aber nicht automatisch: Die EU erlaubt (durch den § 18a) den Mitgliedstaaten, die Wave-1-Unternehmen bereits für die Geschäftsjahre 2025 und 2026 von der Berichtspflicht zu befreien, wirksam wird dies jedoch erst nach nationaler Umsetzung.
    • Deutschland verzögert die Umsetzung: Solange die CSRD nicht in deutsches Recht umgesetzt ist, gilt weiterhin das nationale NFRD-Regime, also für Deutschland das CSR-RUG. Ob für 2025 und 2026 noch eine Berichtspflicht besteht, hängt maßgeblich vom Zeitpunkt und Inhalt der deutschen CSRD-Umsetzung ab. Somit besteht aktuell noch keine abschließende Rechtssicherheit.

     

    FAZIT — Das Omnibus-Update ist ein starkes Signal für mehr Pragmatismus in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die radikale Kürzung der Datenpunkte und die Ausweitung von Wesentlichkeitsfiltern nehmen den Unternehmen die Last einer reinen Compliance-Übung. Wer jetzt klug agiert und die neuen Spielräume nutzt, kann aus der Pflicht eine Kür machen, auch wenn der deutsche Gesetzgeber noch auf sich warten lässt.

     

    ZUM UNTERNEHMEN — CSR Tools, mit Sitz nahe Stuttgart, bietet pragmatische Lösungen für ESG- und Nachhaltigkeitsberichterstattung und unterstützt Organisationen dabei, Anforderungen wie die CSRD effizient umzusetzen und Nachhaltigkeit sichtbar zu machen.

    Quelle: ID 50661488