08.01.2010
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 13.12.2001 – 14 K 210/97
1. Wird an einem Kapitalvermögen ein Zuwendungsnießbrauch bestellt, sind die daraus bezogenen Einkünfte dem Eigentümer, nicht dem Nießbraucher zuzurechnen, wenn letzterem keine über §§ 1076 bis 1079 BGB hinausgehenden Rechte und auch keine weitergehenden tatsächlichen Einflussmöglichkeiten zustehen.
2. Offenbleiben konnte, ob im Falle eines Vorbehaltsnießbrauchs der Nießbraucher die Kapitaleinkünfte erzielt.
3. Wird ein bebautes Grundstück, das im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen worden ist, vom Übernehmer zeitnah veräußert, sind die in Zusammenhang mit der Übertragung vereinbarten Leistungen nicht als Sonderausgaben abziehbar (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
wegen Einkommensteuer 1991
hat der 14. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg – aufgrund der mündlichen Verhandlung – in der Sitzung vom 13. Dezember 2001 durch
Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …
Richter am Finanzgericht …
ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
III. Der Streitwert wird auf 6.182 DM festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Zinseinnahmen aus dem in Wertpapieren und Sparguthaben angelegten Verkaufspreis eines Grundstücks in Höhe von 500.000 DM der Klägerin oder aufgrund eines Nießbrauchs ihren Eltern steuerlich zuzurechnen sind.
Die in den Jahren 1939 und 1940 geborenen Kläger sind verheiratet. Der Kläger ist Chefarzt einer Rehabilitationsklinik der … für die die Klägerin als selbständige Nervenärztin tätig ist. Sie ist einzige Tochter und Alleinerbin (Nacherbin) ihres am 18. April 1905 geborenen Vaters B. E. (verstorben am 29. Mai 1994) und ihrer am 29. Juni 1910 geborenen Mutter E. E. (verstorben am 08. Dezember 1998). Die Eltern der Klägerin waren je zur Hälfte Miteigentümer des 763 m² großen Grundstücks in V. (Hessen), … (Flst. Nr. 81), das mit einem von ihnen genutzten Wohnhaus bebaut war.
Durch notariellen Vertrag vom 11. Februar 1991 übergaben die zu diesem Zeitpunkt 80 und 85 Jahre alten Eltern das lastenfreie Grundstück im Wege vorweggenommener Erbfolge der Klägerin, auf die Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr sofort übergingen. Als „Gegenleistung” für die Schenkung dieses Grundstücks überließ die Klägerin ihren Eltern als Gesamtberechtigten auf Lebenszeit die umfassende Nutzung ihrer Doppelhaushälfte in Z. und räumte ihnen das dinglich gesicherte Nießbrauchsrecht an diesem Grundstück ein (§ 5 Nr. 1 des notariellen Vertrages). Außerdem verpflichtete sie sich für den Fall des Verkaufs des Grundstücks in V. was ihr völlig freigestellt wurde, den Erlös zinsgünstig und sicher anzulegen und, falls die Eltern in Not geraten oder pflegeheimbedürftig werden sollten, dann anfallende Kosten aus den Zinsen und erforderlichenfalls aus dem Kapital zu zahlen. Für den Fall, dass das Haus nicht verkauft werden sollte, sollte dies sinngemäß auch für die Mieterlöse gelten, die die Klägerin auf einem Sonderkonto anzusammeln hatte. Auf die dingliche Sicherung dieser Rechte wurde verzichtet – vgl. § 5 Nr. 2 des notariellen Übergabevertrages vom 11. Februar 1991, auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird. Die Eltern der Klägerin bewohnten das Haus in V. bis Mitte 1991, ehe sie nach Z. umzogen.
Fünf Monate nach dem Erwerb verkaufte die Klägerin das Hausgrundstück in V. durch notariellen Vertrag vom 17. Juli 1991 zum Preis von 500.000 DM, der auf das Konto der Klägerin bei der Bezirkssparkasse Z. überwiesen wurde.
Durch privatschriftlichen Vertrag vom selben Tage bestellte sie „als Fortführung der Verpflichtung gemäß § 5 Nr. 2 des notariellen Übergabevertrages vom 11.02.1991” zugunsten ihrer Eltern den Nießbrauch am Verkaufserlös, der zinsgünstig in Wertpapiere oder Bankguthaben angelegt werden sollte. Die Zinserträge sollten direkt den Nießbrauchsbegünstigten – bei Tod dem Längstlebenden – in voller Höhe zufließen. In dem Vertrag wurde auf Tz. 55 des Nießbrauchserlasses des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 23. November 1983 verwiesen und ausgeführt, es handele sich um einen Vorbehaltsnießbrauch im Sinne dieses Erlasses, so dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen den Nießbrauchsbegünstigten steuerlich zuzurechnen seien. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die genannten Verträge Bezug genommen.
Den Kaufpreis in Höhe von 500.000 DM legten die Kläger auf ihrer beider Namen auf Sparkonten, Festgeldkonten und in festverzinslichen Wertpapieren (Sparbriefen) bei der Bezirkssparkasse Z. an. In dem Depoteröffnungsantrag vom 10. Dezember 1991 ist vermerkt:
„Sonderkonto, eingetrag. Nießbrauch z.G. B. und E. E.”
Als Zeichnungsberechtigte für das Depot sind ausschließlich die Kläger genannt. In den Anträgen für die Eröffnung der Sparkonten wurde jeweils angegeben, dass die Kläger „für eigene Rechnung” handeln. Unter der Rubrik „Sperrvermerk” wurde eingetragen, dass zugunsten der Eltern der Klägerin ein Nießbrauch an der betreffenden Kapitalforderung besteht. Dementsprechend hat die Sparkasse die Zinsen aus den genannten Anlagen in folgender Höhe an die Eltern der Klägerin ausgezahlt:
1991: | 11.687 DM |
1992: | 15.870 DM |
1993: | 38.814 DM |
Die Eltern der Klägerin erklärten diese Beträge in ihren Einkommensteuererklärungen 1991 bis 1993 als Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Die Prüferin einer bei den Klägern im Dezember 1995 durchgeführten Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1993 war dagegen der Auffassung, dass diese Zinseinnahmen der Klägerin zuzurechnen seien, weil es sich bei dem bestellten Nießbrauch an dem Kapitalvermögen nicht um einen Vorbehaltsnießbrauch, sondern um einen Zuwendungsnießbrauch handele. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 20. Dezember 1995 Bezug genommen, insbesondere auf Tz. 26 und Anlage 3.
Das Finanzamt folgte dieser Auffassung und änderte die unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide der Kläger für 1991 bis 1993 durch Bescheide vom 03. Juli 1996, in denen es jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob.
Dagegen legte der Steuerberater der Kläger am 30. Juli 1996 u. a. mit der Begründung Einspruch ein, in § 5 des Übergabevertrages vom 11. Februar 1991 habe die Klägerin die Verpflichtung übernommen, die Mieterlöse aus dem ihr übergebenen Haus ihrer Eltern auf einem Sonderkonto anzusammeln. Im Hinblick auf den anstehenden Verkauf dieses Hauses sei keine dingliche Absicherung vorgenommen worden. Es stehe jedoch unzweifelhaft fest, dass die Verpflichtung bereits im Zeitpunkt der Schenkung (Vermögensübertragung) des Hauses ausgesprochen worden sei. Deshalb könne nicht von einem Zuwendungsnießbrauch ausgegangen werden. Im Betriebsprüfungsbericht sei der notarielle Übergabevertrag nicht zutreffend ausgelegt worden. Der Vorbehalt bezüglich der auf einem Sonderkonto anzusammelnden Mieterlöse sowie der Vorbehalt bei einem Verkauf seien in § 5 Nr. 2 des Vertrages klar und deutlich geregelt. Der Verpflichtungsgrund habe eindeutig festgestanden. Dies dokumentiere der notarielle Übergabevertrag in § 5 Nr. 1 bis 3 deutlich, so dass nicht von einem Zuwendungsnießbrauch ausgegangen werden könne. Für den Fall, dass dennoch die Zinszahlungen der Klägerin zuzurechnen seien, seien sie nach einem Urteil des Hessischen Finanzgerichtes vom 25. Oktober 1993 – 3 K 1116/90 (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 1994, 521) bei ihr als dauernde Last abzugsfähig.
Das Finanzamt gab dem Einspruch hinsichtlich eines nicht mehr streitigen Punktes (Geschenke an Mitarbeiter und Geschäftsfreunde) statt und setzte die Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1993 in der Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 1997 auf die folgenden Beträge herab:
Einkommensteuer 1991 | 267.984 DM |
Einkommensteuer 1992 | 303.302 DM |
Einkommensteuer 1993 | 440.562 DM |
Im Übrigen wies es den Einspruch mit der Begründung zurück, bei der schenkweisen Übergabe des Grundstücks am 11. Februar 1991 hätten sich die Eltern der Klägerin kein als Nießbrauch zu wertendes Recht vorbehalten. Stattdessen hätten sie eine bestimmte Verhaltensweise der Klägerin im Umgang mit dem Verkaufserlös bzw. den Mietverträgen vereinbart. Die Vertragsparteien hätten diese Bestimmungen selbst nicht als Nießbrauch bezeichnet. Sie erfüllten auch nicht die Voraussetzungen dafür. Insbesondere hätten sich die Übergeber nicht die Nutzungen aus ihrem Vermögen einräumen lassen, wie es § 1030 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verlange. Vielmehr hätten sie nur für den Fall ihrer Unterbringung im Alten- oder Pflegeheim bzw. im Fall der Not einen Anspruch auf Verwendung der Erträge ihres früheren Vermögens zu ihren Gunsten gehabt. Trete diese Situation im Leben der Eltern nicht ein, so hätten sie nach dem Übergabevertrag keinerlei Vorteile mehr aus ihrem Grundstück. Damit sei die Vereinbarung ihrem Inhalt nach kein Nießbrauch. Die am 17. Juli 1991 vereinbarte Bestellung eines Nießbrauchsrechts am Kapitalvermögen führe steuerlich nicht zu einer Übertragung der Zinseinkünfte auf die Eltern der Klägerin. Denn es liege ein Zuwendungsnießbrauch und kein Vorbehaltsnießbrauch vor. Zum Zeitpunkt der Nießbrauchsbestellung habe das Grundstück der Klägerin bereits gehört und ihr der Anspruch auf den Veräußerungserlös zugestanden. Ihre Eltern hätten sich selbst kein Recht vorbehalten. Sie hätten von der Klägerin ein Recht eingeräumt bekommen. Beim sonach gegebenen Zuwendungsnießbrauch seien die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Nießbrauchbestellerin, also der Klägerin, zuzurechnen. Die im Nießbrauchsvertrag vorgenommene Bezugnahme auf § 5 Nr. 2 des Übergabevertrages vom 11. Februar 1991 habe keine andere steuerliche Wertung zur Folge. Die Nießbrauchsbestellung sei nicht der Vollzug eines Teils des Übergabe Vertrages. Denn das im Nießbrauchsvertrag den Eltern eingeräumte Recht sei weit umfangreicher als in § 5 Nr. 2 des Übergabevertrages vorgesehen. Im Nießbrauchsvertrag seien die Zinserträge aus dem Verkaufserlös bedingungslos den Eltern zugewiesen, wogegen der Übergabevertrag nur in Ausnahmefällen Ansprüche der Eltern zugelassen habe.
Die diesen zugeflossenen Zinszahlungen seien bei der Klägerin auch nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Einkommensteuergesetz (EStG) als dauernde Last abzugsfähig. Nach neuerer Rechtsprechung seien im Rahmen einer Vermögensübertragung in vorweggenommener Erbfolge erbrachte Leistungen nach dieser Vorschrift in den Fällen als Sonderausgaben abzugsfähig, in denen sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehalte, die nunmehr vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet würden. Zwar habe das im vorliegenden Fall übergebene Wohnhaus im Sinne dieser Rechtsprechung und der dazu ergangenen Anweisung im BMF-Schreiben vom 23. Dezember 1996 Rdz. 5 und 6 zur Kategorie der existenzsichernden und ertragbringenden Wirtschaftseinheiten gehört. Da es der Klägerin nach dem Inhalt des Übergabevertrages freigestellt gewesen sei, das übertragene Grundstück jederzeit zu verkaufen, sei es im Sinne dieser Rechtsprechung nicht zur generationenübergreifenden dauerhaften Anlage bestimmt gewesen. Die Veräußerung des Grundstücks kurze Zeit nach der Übertragung sei eine schädliche Vermögensumschichtung gewesen. Die Umschichtung sei in nicht die Existenz sicherndes Vermögen erfolgt, nämlich in Einlagen bei einem Kreditinstitut. Wie sich aus Rdz. 10 des zuletzt genannten BFM-Schreibens ergebe, gehörten Wertpapiere – und damit auch einfachere Formen der Geldanlage wie Festgeldanlagen – nicht zu den existenzsichernden Wirtschaftseinheiten. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 1997 Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Klage vom 18. August 1997, die am 19. August 1997 bei Gericht einging. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Wesentlichen vor, aus der Aufspaltung der Vermögensübergabe in den notariellen Übergabevertrag vom 11. Februar 1991 und den Nießbrauchsvertrag vom 17. Juli 1991 könnten keine Rechtsfolgen zulasten der Kläger hergeleitet werden. Trotz dieser Aufspaltung liege ein Vorbehaltsnießbrauch vor. Dies ergebe sich zum einen aus dem sachlichen Zusammenhang der Verträge. In dem Nießbrauchsvertrag sei ausdrücklich auf den vorangegangenen Übergabevertrag hingewiesen worden. Ferner sei § 5 Nr. 2 des Übergabevertrages durch die Nießbrauchsbestellung konkretisiert worden. Eine Konkretisierung, welche dem Berechtigten mehr Rechte zugestehe, als vertraglich zunächst vereinbart, sei zivilrechtlich wirksam. Der Vertrag sei auch tatsächlich vollzogen worden. Mit der Nießbrauchsbestellung sei die bestehende Unsicherheit über den Beginn der Verpflichtung aus § 5 Nr. 2 des Übergabevertrages behoben worden. Zu beachten sei ferner, dass die Konkretisierung noch nicht einmal sechs Monate später erfolgt sei. Der zeitliche Zusammenhang sei daher gegeben. Wegen der kurzen Zeitspanne gelte die Konkretisierung rückwirkend zum 11. Februar 1991. Die Aufspaltung, wie sie das Finanzamt vorgenommen habe, sei formalistisch und entspreche nicht einer natürlichen Betrachtungsweise. Die streitigen Zinseinnahmen seien nicht der Klägerin, sondern ihren Eltern zuzurechnen, weil der Begriff der Einnahmen personenbezogen sei. Sie seien demjenigen zuzurechnen, der sie erziele. Soweit die Einkunftsquelle übertragen sei, führe dies zu originären Einkünften des Begünstigten. Der Nießbrauch am Kapitalvermögen sei zivilrechtlich wirksam bestellt und von den Vertragsparteien tatsächlich durchgeführt worden. Er sei daher steuerlich beachtlich. Die Zurechnung der Zinseinnahmen auf die Eltern hätte nur erfolgen dürfen, wenn sie über den Zufluss der Kapitaleinkünfte keinen hinausgehenden Teil des Besteuerungstatbestandes erfüllt hätten. Nur in diesem Falle käme die Nießbrauchsbestellung wirtschaftlich einer Vorausabtretung der Kapitalerträge gleich. Den Eltern der Klägerin sei ein Kapitalvermögen in Höhe von 500.000 DM zur vorübergehenden Nutzung überlassen worden. Die Überlassung sei weder frei widerruflich noch zu irgendeinem Zeitpunkt kündbar gewesen. Sie sei als lebtäglicher Nießbrauch ausgestaltet worden. Das Geld sei am 13. Januar 1992 wie folgt angelegt worden: 100.000 DM seien als Sparbrief mit einer Fälligkeit von einem Jahr angelegt worden. Je 200.000 DM seien in Wertpapieren einerseits fällig am 01. Juni 1994, andererseits fällig am 02. September 1996 angelegt worden. Die Wertpapiere seien aber schon vor Fälligkeit kündbar gewesen. Die Anlage am 13. Januar 1992 sei einvernehmlich zwischen den Eltern und den Klägern erfolgt. Dies könne der Vermögensberater der Sparkasse, Herr M., als Zeuge bestätigen. Der bereits nach einem Jahr fällige Sparbrief sei einvernehmlich wieder angelegt worden. Dies sei die von der Rechtsordnung zwingend vorgeschriebene Folge gewesen (vgl. §§ 1078 f. BGB). Entsprechend dieser Regelung sei das Geld erneut als Sparbrief mit einer Fälligkeit von einem Jahr auf den Namen der Kläger mit einem Sperrvermerk zugunsten der Nießbraucher angelegt worden. Nach § 1079 Satz 2 BGB bestimme der Nießbraucher die Art der Anlegung. Im vorliegenden Fall sei die Wiederanlage einvernehmlich erfolgt. Die Vertragsparteien hätten sich bei den Finanzgeschäften auf den Vermögensberater der Bezirkssparkasse verlassen. Das Recht, die Wiederanlage zu bestimmen, sei dadurch aber nicht berührt worden. Die Eltern hätten es in der Hand gehabt, die Art der Anlage zu bestimmen. Sie hätten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und damit aktiv am Markt teilgenommen. Ihre Position hätte sich nicht lediglich im Erhalt der Erträge beschränkt. Sie hätten ihre Mitwirkungs- und Verwaltungsrechte genutzt. Hätten die Eltern durch kurzfristige Anlagen Verkaufserlöse erzielt, so wären diese Spekulationsgewinne ausgehend von der Ansicht des Finanzamts den Klägern zuzurechnen, obwohl sie wegen § 1079 Satz 2 BGB noch nicht einmal die Möglichkeit zur Einflussnahme gehabt hätten.
Sollten die Zinseinnahmen der Klägerin zugerechnet werden, so seien sie in jedem Fall bei ihr als Sonderausgaben abziehbar. Es handele sich im vorliegenden Fall um einen Vorbehaltsnießbrauch im Rahmen der Vermögensübergabe. Die Umwandlung in Kapitalvermögen sei nicht schädlich, da der Klägerin das Vermögen zur Fortsetzung des Wirtschaftens überlassen worden sei. Mit ihr sei vereinbart worden, dass das Kapital zinsgünstig in Wertpapiere oder Bankguthaben angelegt werde. Das Kapitalvermögen sei daher zweckgebunden gewesen. Ein sachlicher Grund, weshalb ein Vermögen bestehend aus Wertpapieren und Spareinlagen anders als z. B. bebaute Grundstücke, Gesellschaftsanteile usw. behandelt werden solle, sei nicht ersichtlich. Es sei zu beachten, dass sich die Klägerin durch den Nießbrauchsvertrag aus ihrer Verpflichtung aus dem Übergabevertrag freigekauft habe. Die Nießbrauchsverpflichtung sei an die Stelle der Verpflichtung aus § 5 Nr. 2 des Übergabevertrages getreten. Es handele sich um ein Surrogat, mit der die alte Verpflichtung abgelöst worden sei. Damit würde es sich, wenn nicht um Werbungskosten, so zumindest um nachträgliche Anschaffungskosten handeln.
Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 08. Juli 1998 – I R 112/97 (Bundessteuerblatt –BStBl– II 1999, 123) entschieden, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen demjenigen zuzurechnen seien, der das betreffende Kapital im eigenen Namen und für eigene Rechnung zur Nutzung überlasse. Es sei dabei nicht zwingend, auf die erstmalige Kapitalüberlassung abzustellen. Eine Zurechnung auf den Abtretungsempfänger komme in Betracht, wenn dieser nunmehr die Einkünfte erziele. Entscheidend sei, wer die Kapitalerträge vereinnahmen dürfe und wessen Vermögen sie vermehren sollen. Die Mutter der Klägerin habe in einer schriftlichen Erklärung vom 07. Januar 1998 bestätigt, dass sie Verfügungsmacht über das streitige Kapitalvermögen gehabt habe, sie keinen Bindungen unterläge und es ihr möglich gewesen sei, mit dem Vermögen zu wirtschaften. Die ihr zustehenden Kapitalerträge seien ihr auch zugeflossen, in Rechtsprechung und herrschender Lehre sei unumstritten, dass ein Zuwendungsnießbrauch an Unternehmen bzw. bebauten Grundstücken dazu führe, dass die Einkünfte dem Nießbraucher zuzurechnen seien. Ein sachlicher Grund, Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerlich anders zuzurechnen sei nicht ersichtlich. Einkünfte erziele daher nur der Nießbraucher. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 18. August 1997 und den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 15. Januar 1998 sowie die Erklärung der Mutter der Klägerin vom 07. Januar 1998 Bezug genommen.
Das Finanzamt hat im Laufe des Klageverfahrens den Einkommensteuerbescheid 1991 durch Bescheid vom 27. März 2001 gemäß § 165 Abs. 2 Satz 2 Abgabenordnung (AO) geändert und unter Anwendung der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs in § 53 EStG die Einkommensteuer 1991 auf 266.906 DM herabgesetzt.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1991 in der zuletzt geänderten Fassung erneut zu ändern und die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 11.687 DM zu mindern.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest, dass es sich bei der Nießbrauchsvereinbarung vom 17. Juli 1991 nicht um einen Vorbehaltsnießbrauch, sondern um einen Zuwendungsnießbrauch handele. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf seinen Schriftsatz vom 19. November 1997 verwiesen.
Am 13. Dezember 2001 fand eine mündliche Verhandlung statt, auf deren Sitzungsniederschrift Bezug genommen wird. Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten der Kläger für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1993 und die Betriebsprüfungsakten einschließlich der Handakten der Prüferin vorgelegen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Das Finanzamt hat die streitigen Einkünfte aus Kapitalvermögen zu Recht den Klägern zugerechnet und rechtsfehlerfrei den Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG versagt.
Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Zinsen aus Kapitalforderungen jeder Art, z. B. aus Einlagen und Guthaben bei Kreditinstituten sowie aus Darlehen und Anleihen. Einkünfte aus Kapitalvermögen sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG). Den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen erfüllt nach ständiger Rechtsprechung derjenige, der Kapital im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. Das ist derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Macht hat, das in § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG genannte Kapitalvermögen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen. Entscheidend ist das Rechtsverhältnis, auf dem die Überlassung des betreffenden Kapitalvermögen beruht (vgl. u. a. Beschluss des Großen Senates des BFH vom 29. November 1982 – GrS 1/81, BStBl II 1983, 272 sowie BFH-Urteil vom 26. November 1997 – X R 114/94, BStBl II 1998, 190 und BFH-Urteil vom 08. Juli 1998 – I R 112/97, BStBl II 1999, 123 jeweils mit weiteren Nachweisen). Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt daher nur der Inhaber des betreffenden Kapitalvermögens, nicht aber der Nießbraucher oder derjenige, an den die Kapitalerträge abgetreten sind. Die Einräumung des Nießbrauchs am Kapitalvermögen ist einkommensteuerlich als bloße Vorausabtretung künftiger Erträgnisansprüche zu werten, die nichts daran ändert, dass die Einkünfte dem Inhaber des Kapitalvermögens zuzurechnen sind. Zwar hat der Nießbraucher gemäß § 1076 bis 1079 BGB Mitwirkungsrechte bei der Kündigung, der Einziehung und der Wiederanlage der betreffenden Kapitalforderung. Er kann nach § 1079 Satz 2 BGB die Art der Anlage bestimmen. Diese Rechte des Nießbrauchers richten sich ausschließlich gegen seinen Vertragspartner, den Inhaber des Kapitalvermögens, nicht aber gegen die betreffende Bank. Der Nießbraucher tritt daher nicht in die Rolle des Überlassers von Kapitalvermögen ein, sondern realisiert nur den aufgrund des Nießbrauchs erworbenen Erträgnisanspruch. Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt er allenfalls dann, wenn er im Sinne von § 39 Abs. 2 AO als wirtschaftlicher Inhaber des betreffenden Kapitalvermögens anzusehen ist. Das ist aber dann nicht der Fall wenn seine Rechte und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten nicht über die in den §§ 1076 bis 1079 BGB normierten Rechte hinausgehen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1976 – VIII R 146/73, BStBl II 1977, 115; BFH-Urteil vom 22. August 1990 – I R 69/89, Sammlung der Entscheidungen des BFH –BFHE– 162, 263 und BFH-Urteil vom 28. Januar 1992 – VIII R 207/85, BStBl II 1992, 605).
Nach diesen Grundsätzen sind die streitigen Einkünfte aus Kapitalvermögen den Klägern zuzurechnen, da sie Inhaber des auf ihren Namen und für ihre Rechnung angelegten Kapitalvermögens von 500.000 DM waren. Sie allein – nicht auch die Eltern der Klägerin – waren hinsichtlich der betreffenden Geldanlagekonten zeichnungsbefugt. Die Eltern der Klägerin hatten zwar die Mitwirkungsrechte gemäß §§ 1076 bis 1079 BGB. Diese Rechte richteten sich ausschließlich gegen die Klägerin und nicht gegen die betreffende Bank. Offen bleiben kann, in welchem Umfang die im Zeitpunkt des Abschlusses des Nießbrauchsvertrages vom 17. Juli 1991 81 und 86 Jahre alten Eltern der Klägerin diese Rechte tatsächlich ausgeübt haben. Wie der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, hatten die Eltern der Klägerin keine über §§ 1076 bis 1079 BGB hinausgehenden Rechte und auch keine weitergehenden tatsächlichen Einflussmöglichkeiten. Nach der o.a. Rechtsprechung des BFH waren sie daher nicht als wirtschaftliche Inhaber des Kapitalvermögens von 500.000 DM anzusehen. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Prozessbevollmächtigten der Kläger, den Vermögensberater der Sparkasse als Zeugen dazu zu vernehmen, in welchem Umfang die Eltern der Klägerin ihre Mitwirkungsrechte als Nießbraucher wahrgenommen haben, ist unerheblich. Denn selbst wenn sie diese Rechte trotz ihres hohen Alters in vollem Umfang ausgeübt hätten, wären sie nach der o.a. Rechtsprechung nicht wirtschaftliche Inhaber des Kapitalvermögens von 500.000 DM gewesen. Die streitigen Einkünfte aus Kapitalvermögen sind daher nicht den Eltern, sondern den Klägern zuzurechnen.
Offen bleiben kann, ob der vorliegende Fall anders zu beurteilen wäre, wenn es sich bei dem Nießbrauch der Eltern der Klägerin um einen sog. Vorbehaltsnießbrauch gehandelt hätte. Die Finanzverwaltung rechnet in diesen Fällen die Einkünfte aus Kapitalvermögen dem Nießbraucher zu (vgl. Tz. 55 des Nießbrauchserlasses vom 23. November 1983, BStBl I 1983, 508, 512). Der BFH hat diese Frage – soweit ersichtlich – bisher nicht entschieden. Sie kann auch im vorliegenden Fall offen bleiben, da es sich bei dem Nießbrauch an dem Kapitalvermögen von 500.000 DM nicht um einen Vorbehalts–, sondern um einen Zuwendungsnießbrauch handelt. Denn Eigentümer dieses Kapitalvermögens waren zu keinem Zeitpunkt die Eltern der Klägerin, so dass sie sich hieran auch keinen Nießbrauch vorbehalten konnten. Zwar waren sie Eigentümer des Grundstücks aus dessen Verkauf das in das Eigentum der Klägerin übergegangene Kapitalvermögen von 500.000 DM resultierte. Bei der Übergabe des Grundstücks an die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 11. Februar 1991 hatten sich die Eltern weder den Nießbrauch an dem Grundstück noch den Nießbrauch an dem Erlös im Falle eines Verkaufs vorbehalten. Die Klägerin hatte sich in dem notariellen Vertrag lediglich verpflichtet, den Verkaufserlös bzw. die Mieteinnahmen zinsgünstig und sicher anzulegen und, falls die Eltern in Not geraten oder pflegeheimbedürftig werden sollten, dann anfallende Kosten aus den Zinsen und erforderlichenfalls aus dem Kapital zu zahlen. Diese, aufschiebend bedingt für den Fall der Not oder der Pflegeheimbedürftigkeit der Eltern getroffene Vereinbarung, beinhaltet weder ein vorbehaltenes Nutzungsrecht im Sinne von § 1030 BGB an dem übergebenen Grundstück noch an dem daraus erzielten Kaufpreis und ist daher nicht als Vorbehaltsnießbrauch anzusehen. Der mit privatschriftlichem Vertrag vom 17. Juli 1991 zugunsten der Eltern der Klägerin bestellte Nießbrauch an dem Verkaufspreis von 500.000 DM stellt daher einen Zuwendungsnießbrauch dar, so dass nach Tz. 56 des Nießbrauchserlasses a.a.O. die streitigen Einkünfte aus Kapitalvermögen den Klägern zuzurechnen sind.
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind die den Eltern der Klägerin zugeflossenen Zinsen bei den Klägern nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG als dauernde Last abzugsfähig. Wird ein bebautes Grundstück, das im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen worden ist, vom Übernehmer – wie im vorliegenden Fall – zeitnah veräußert, so sind nach der Rechtsprechung des BFH im Zusammenhang mit der Übertragung vereinbarte Leistungen nicht als Sonderausgaben (Rente oder dauernde Last) abziehbar (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 – X R 167/95, BStBl II 1997, 315; BFH-Urteil vom 20. August 1997 – X R 5/96, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 1998, 688: BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 – X R 104/94, BFHE 186, 280 und BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 – X R 129/96, BFH/NV 1999, 294 m.w.N.).
Die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) und die Streitwertfestsetzung aus § 13 und § 25 Gerichtskostengesetz (GKG).
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt