08.01.2010
Finanzgericht Brandenburg: Urteil vom 24.02.2005 – 5 K 513/03
Grundsätzlich ist bei Erhaltungsarbeiten an einem Mietwohngebäude zur Bestimmung des für die Investitionszulage maßgeblichen Beendigungszeitpunktes jede Maßnahme getrennt zu betrachten. Ein Bündel von Erhaltungsmaßnahmen ist investitionszulagenrechtlich aber dann als einheitlicher Vorgang zu bewerten, wenn ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht und die Einzelmaßnahmen Gegenstand eines von vornherein gefassten Gesamtplans sind. Die Wertung als einheitliche Baumaßnahme setzt keinen sachlichen (bautechnischen) Zusammenhang der Einzelmaßnahmen voraus (gegen BMF-Schreiben in BStBl I 2003, S. 218).
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
wegen Investitionszulage 2001
hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg – 5. Senat – im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 24. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht …, sowie die ehrenamtlichen Richter … und …
für Recht erkannt:
Der Investitionszulagenbescheid für 2001 vom 30.5.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 5.2.2003 werden mit der Maßgabe geändert, dass von begünstigten Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 133.714,– DM auszugehen ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der festzusetzenden Investitionszulage wird dem Beklagten übertragen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, der Eigentümer eines in L… belegenen, im Jahre 1920 errichteten Mietwohngebäudes ist, stellte für die in den Jahren 1999 bis 2001 durchgeführten Erhaltungsarbeiten einen Antrag auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 2001. Der Beklagte forderte den Kläger auf, für die Jahre 1999 und 2000 gesonderte Anträge auf Investitionszulage zu stellen. Der Kläger machte in seiner Erwiderung geltend, er habe im Jahre 1999 mit umfangreichen Erhaltungsmaßnahmen begonnen und diese erst im Jahre 2001 abgeschlossen. Es seien folgende Baumaßnahmen durchgeführt worden:
Dach- und Fassadenerneuerung
Einbau neuer Fenster und Türen
Neuverlegung der Elektrik
Einbau einer Gasheizung und Warmwasserversorgung
Neugestaltung der Bäder
Von den sechs Wohnungen seien nur fünf vermietet gewesen. Die jeweils freistehende Wohnung sei von den Mietern zur Überbrückung der Baumaßnahme genutzt worden.
Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 30.5.2002 die Investitionszulage auf 0,– DM fest. Er vertrat die Auffassung, der Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeiten sei für jede Erhaltungsmaßnahme grundsätzlich getrennt zu beurteilen. Nur wenn ein bautechnischer oder anderer sachlicher Zusammenhang bestehe, gelte dies nicht. Der Vortrag der Kläger lasse jedoch einen solchen sachlichen Zusammenhang der Baumaßnahmen nicht erkennen.
Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, die durchgeführte Komplettsanierung stelle eine einheitliche Baumaßnahme dar, da ein enger räumlicher, sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Arbeiten bestehe. Die Sanierung sei nach folgendem üblichen und typischen Bauablaufplan vorgenommen worden:
Rückbau der Bad- und Sanitäranlagen
Abriss der Schornsteine
Dachdecker- und Dachklempnerarbeiten
Einbau einer Warmwassersammelheizung sowie einer Warmwasseraufbereitung
Austausch aller Fenster gegen Kunststofffenster
Elektroinstallation
Sanitär- und Badinstallation
Fliesenarbeiten
Fußbodenarbeiten
Malerarbeiten
Die Baumaßnahmen seien Gegenstand eines Gesamtplans gewesen. Die Baumaßnahmen seien dementsprechend in der Weise koordiniert worden, dass – soweit die betroffene Wohnung nicht bewohnbar gewesen sei – diese freigezogen worden sei. Auch sei für die Baumaßnahmen ein einheitlicher Kredit aufgenommen worden.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die Baumaßnahmen in einem bautechnischen Zusammenhang stünden. Allein die Tatsache, dass die Arbeiten unter dem Gesichtspunkt der rationellen Abwicklung nach einer bestimmten Reihenfolge durchgeführt worden seien, reiche für die Begründung eines sachlichen Zusammenhangs nicht aus. Die von den Klägern zitierte Rechtsprechung beschäftige sich mit der Frage, unter welchen Umständen mit Herstellungsarbeiten durchgeführte Erhaltungsmaßnahmen als anschaffungsnahe Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen seien und sei daher auf den Streitfall nicht anwendbar.
Der Kläger macht geltend, der Beklagte verkenne die Rechtslage. Er habe eine Generalsanierung durchgeführt, bei der üblicherweise alte Bauteile durch neue ersetzt würden. Dies reiche für die Annahme einer einheitlichen Baumaßnahme aus. Den Umstand, dass die Baumaßnahmen Gegenstand eines einheitlichen Betätigungswillens gewesen sei, habe er durch Vorlage des Kreditvertrags mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau nachgewiesen. Er habe tatsächlich Wohnung für Wohnung saniert, was auch in der Tatsache begründet sei, dass er sehr viele Arbeiten in Eigenleistung erbracht habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Investitionszulagenbescheid für 2001 vom 5.2.2003 und die Einspruchspruchsentscheidung vom 5.2.2003 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Investitionszulage für 2001 auf 9.897,08 Euro festgesetzt wird,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, die Tatsache, dass sämtliche Erhaltungsarbeiten in einem Zug durchgeführt worden seien, rechtfertige nicht die Beurteilung als einheitliche Baumaßnahme. Hierfür sei vielmehr ein bautechnischer Zusammenhang erforderlich, den der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt habe.
Gründe
Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 InvZulG 1999 sind Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1.1.1991 fertig gestellt wurden, begünstigt, soweit die Gebäude mindestens 5 Jahre nach Beendigung der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Diese Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt, die Beteiligten gehen insbesondere übereinstimmend davon aus, dass keine Baumaßnahmen durchgeführt wurden, die zu einer deutlichen Erhöhung des Gebrauchswertes des Wohngebäudes führten.
Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die den Betrag von 5000,– DM (2556 Euro) übersteigende Summe der Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen, § 3 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1999. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 InvZulG sind die Investitionen in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die nachträglichen Herstellungs- oder Erhaltungsarbeiten beendet worden sind. In welchem Zeitpunkt im Falle einer über mehrere Jahre andauernde Sanierung die Beendigung der Arbeiten anzunehmen ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Nach herrschender Meinung ist grundsätzlich auf die Beendigung der einzelnen Baumaßnahme abzustellen. Nur wenn die Baumaßnahmen in einem engen zeitlichen, räumlichen und sachlichen (im Sinne von bautechnischen) Zusammenhang stehen, sollen die Arbeiten als einheitliche Maßnahme zu beurteilen sein (BMF-Schreiben vom BStBl. I 2003, 218; Stuhrmann in Blümich, EStG, § 3 InvZulG 1999 Rdnr. 37; Rosarius, Investitionszulagenförderung in den Neuen Bundesländern, § 3 InvZulG 1999 Rdnr. 38).
Der Senat vermag dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen. Grundsätzlich ist zwar bei Erhaltungsarbeiten zur Bestimmung des Beendigungszeitpunktes jede Maßnahme getrennt zu betrachten. Ein Bündel von Erhaltungsmaßnahmen ist nach Auffassung des Senats investitionszulagenrechtlich aber dann als einheitlicher Vorgang zu bewerten, wenn ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht und die Einzelmaßnahmen Gegenstand eines von vornherein gefassten Gesamtplans sind. Diese Auslegung hält der Senat im Hinblick auf die erst im Laufe der parlamentarischen Beratung eingefügte Begünstigung von Erhaltungsarbeiten und der in diesem Zusammenhang zum Ausdruck kommenden Gesetzesintention für geboten. Die Erhaltungsarbeiten wurden ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien aufgrund der Erkenntnis, dass Sanierungsmaßnahmen häufig nicht die Qualität von Herstellungsaufwendungen im steuerlichen Sinne erreichen, in die Regelung des § 3 Investitionszulagengesetz aufgenommen (BT-Drucksache 13/8059 S. 20). Um das Ziel des Gesetzes, die Modernisierung des Bestands von Mietwohngebäuden zu fördern (BT-Drucksache 13/7792, S. 7), zu erreichen, war nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch die Begünstigung von Erhaltungsaufwendungen erforderlich. Mit dieser Ergänzung des § 3 InvZulG 1999 hat der Gesetzgeber die Erhaltungsden Herstellungsarbeiten gleichgestellt. Gleichzeitig aber waren die Regelungen zum Selbstbehalt hinzugefügt worden, die insbesondere bei Vorliegen von Erhaltungsarbeiten die Förderung von Bagatellbeträgen verhindern sollten (BT-Drucksache 13/8059 S. 21). Einerseits sollten demnach Herstellungs- und Erhaltungsarbeiten grundsätzlich in gleicher Weise begünstigt sein, andererseits aber sollten Baumaßnahmen, die in Bezug auf den finanziellen Aufwand nicht mit einer Herstellungsmaßnahme vergleichbar sind, über den Selbstbehalt von der Förderung ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund entspricht es der Intention des Gesetzes, zur Bestimmung des Zeitpunkts des Abschlusses von Erhaltungsarbeiten, die Gegenstand einer planmäßig über mehrere Jahre durchgeführten Gesamtmaßnahme sind und nur mangels einer deutlichen Gebrauchswerterhöhung nicht als Herstellungsarbeiten zu beurteilen sind, als einheitliches Bauvorhaben zu betrachten. Dieser gesetzgeberischen Intention wird die herrschende Meinung, die eine einheitliche Baumaßnahme erst dann annimmt, wenn die Einzelmaßnahmen bautechnisch ineinander greifen, nicht gerecht. Der Begriff des bautechnischen Zusammenhangs wurde von der Rechtsprechung der Finanzgerichte zur Beurteilung der Frage entwickelt, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen, die für sich genommen teils Herstellungsteils Erhaltungsaufwendungen darstellen, insgesamt als Herstellungskosten zu beurteilen sind (BFH-Urteile vom 9.3.1962 I R 192/61, BStBl. III 1962, 195, BFHE 74, 523; vom 10. Mai 1995 IX R 62/94, BFHE 178, 46; Urteil vom 21.11.2000 IX R 50/98, BFH/NV 2001, 449; vom 12. September 2001 IX R 39/97, BStBl. II 2003, 569, BFHE 198, 74 unter II. 2. cc). Die Rechtsprechung beruht auf der Erkenntnis, dass Baumaßnahmen, die sich gegenseitig bedingen oder voneinander abhängen, wirtschaftlich und dementsprechend auch steuerlich nicht sinnvoll in Erhaltungsaufwendungen und Herstellungskosten aufgeteilt werden können. Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen sind folglich für die ertragsteuerliche Qualifikation von Aufwendungen, die für sich genommen teils Erhaltungsteils Herstellungsaufwendungen darstellen, maßgebend. Sie betreffen aber nicht die Frage, wann die Beendigung von Erhaltungsmaßnahmen, die in keinem Zusammenhang mit Herstellungsaufwendungen stehen, anzunehmen ist.
Die vom Kläger in den Jahren 1999 bis 2001 durchgeführten Baumaßnahmen sind nach den aufgezeigten Grundsätzen für investitionszulagenrechtliche Zwecke als einheitliche Maßnahme zu betrachten. Sie erfolgten in einem engen zeitlichen Zusammenhang, da sie über den genannten Zeitraum ohne wesentliche Unterbrechung durchgeführt wurden. Der räumliche Zusammenhang ist, da die Arbeiten an einem Wohngebäude vorgenommen worden, ebenfalls gegeben. Eine Mehrzahl von Treppenaufgängen innerhalb desselben Gebäudes konnte der Senat nicht feststellen. Der Kläger hat durch die Vorlage des Kreditantrags bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau vom Juni 1999 nachgewiesen, dass die über mehrere Jahre durchgeführte Sanierung des Mietwohngebäudes Gegenstand einer von Anfang an geplanten Gesamtmaßnahme war. In dem Kreditantrag sind sowohl die Anzahl der zu modernisierenden Wohnungen wie auch die geplanten Baumaßnahmen genannt. Die Höhe des Kredits (150.000,– DM) erreicht die im Rahmen des Investitionszulagenantrags geltend gemachten Aufwendungen (134.047,82 DM).
Von den geltend gemachten Aufwendungen sind für die Berechnung der Investitionszulage Aufwendungen für die Entsorgung eines PKW Rads mit Demontage (Rechnung vom 21.5.1999; 12, – DM zuzüglich Umsatzsteuer), Aufwendungen für die Beseitigung von Gartenabfällen (Rechnung vom 29.10.1999 der Firma Frassur in Höhe 226,20 DM), sowie die Aufwendungen für die Lieferung von Mineralgemisch in Höhe von 93,28 DM abzusetzen. Auf die Geltendmachung der letztgenannten Aufwendungen hat der Kläger bereits mit Schreiben vom 15.5.2002 verzichtet. Den Einwand, die Rechung vom 29.10.1999 weise fälschlicherweise Gartenabfälle aus, es habe sich tatsächlich um Bauschutt gehandelt, kann der Senat mangels entsprechender Nachweise nicht nachvollziehen. Die Bemessungsgrundlage ist demzufolge um 333,40 DM zu mindern, so dass bei der Festsetzung der Investitionszulage von begünstigten Aufwendungen in Höhe von 133.714,– DM auszugehen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –. Die Revision war nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 FGO zuzulassen.