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  • 26.11.2013

    Finanzgericht Hamburg: Gerichtsbescheid vom 12.08.2013 – 6 K 279/12

    1. Wie der Bundesfinanzhof (BFH)
    bereits mehrfach entschieden hat (BFH-Urteil vom 10. November 1993 I R 53/91, BStBl II 1994,
    218; Urteil vom 5. September 2001 I R 55/00, BFH/NV
    2002, 478; Beschlüsse vom 26. April 2005 I B 86/04,
    Juris, und vom 18. Mai 2010 I B 204/09, BFH/NV
    2010, 1636), kann ein Unternehmen i. S. des Art. 15 Abs.
    3 DBA-Zypern nur ein Unternehmen i. S. von Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern
    sein, das selbst internationalen See- und Luftverkehr betreibt.
    Zugleich muss dieses Unternehmen wirtschaftlicher Arbeitgeber des
    Besatzungsmitglieds im Sinne des Abkommensrechts sein.


    2. Eine andere Auslegung des Begriffs des „Unternehmens” i.
    S. von Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern lässt sich auch nicht
    aus dem erst für Veranlagungszeiträume ab dem 01.01.2012
    geltenden DBA-Zypern 2011 ableiten, denn es ergibt sich weder ausdrücklich
    noch konkludent aus dem Protokoll oder der Denkschrift (BT-DS 17/6259
    S. 27), dass die von den Vertragsstaaten gewollte Regelung bezüglich
    des neuen Art. 14 DBA-Zypern 2011rückwirkend auch auf das
    DBA-Zypern 1974 anzuwenden ist.


    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der vom Kläger
    bezogene Arbeitslohn der deutschen Besteuerung unterliegt.


    Der Kläger ist Kapitän und war in den Streitjahren
    auf den Kreuzfahrtschiffen „MS A”, „MS
    B” und „MS C” tätig. Arbeitsvertragliche
    Grundlage war ein Seaman's Employment Contract vom ...
    2000 mit der D Ltd (D) mit Sitz in E auf Zypern. Die D stellte auf
    Grund eines Crewingvertrages mit der Schiffseignerin F-1 Ltd. die
    Besatzung der Schiffe. Die Kreuzfahrtschiffe wurden von der Eignerin
    an die F-2 AG verchartert, die dann ihrerseits die Schiffe an die
    F-3 GmbH mit Sitz in G weiter verchartert. Die D hat ca. 8.000 Seeleute
    angestellt und verfügt über ca. 200 Mitarbeiter,
    die sich ausschließlich mit der Verwaltung der Seeleute
    beschäftigen. Die D betreut ca. 300 Schiffe.


    Für die Jahre 2002 bis 2005 führte der Kläger
    ein Verfahren beim Niedersächsischen Finanzgericht, weil
    er die Ansicht vertrat, dass seine Einkünfte aus nichtselbständiger
    Tätigkeit in Deutschland nicht steuerpflichtig seien. Durch Urteil
    vom 10.11.2009 wurde die Klage als unbegründet zurückgewiesen
    (13 K 186/07).
    Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde
    am 18.05.2010 als unbegründet zurück (I B 204/09).


    Der Kläger erklärte in 2006 einen in Deutschland
    steuerfreien Bruttoarbeitslohn in Höhe von 80.070 €.
    Außerdem erklärte er Einkünfte aus Kapitalvermögen
    in Höhe von 6.529 €. In 2007 erklärte
    er einen in Deutschland steuerfreien Bruttoarbeitslohn in Höhe
    von 79.336 €. Weitere Einkünfte erklärte
    er nicht. In 2008 erklärte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb
    in Höhe von 194 €. Außerdem erklärte
    er einen in Deutschland steuerfreien Bruttoarbeitslohn in Höhe
    von 88.291 €. 2009 betrug der Bruttoarbeitslohn des Klägers
    68.461 €. Auch diesen erklärte er als in Deutschland
    steuerfrei. Weitere Einkünfte erklärte er nicht.


    Der Beklagte unterwarf die Einkünfte des Klägers
    aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit der Besteuerung
    und setzte mit Bescheid für 2006 vom 14.02.2008 die Einkommensteuer
    auf 25.503 €, mit Bescheid für 2007 vom 27.05.2010
    die Einkommensteuer auf 22.541 €, mit Bescheid für
    2008 vom 27.05.2010 die Einkommensteuer auf 26.662 € und
    mit Bescheid vom 10.08.2010 die Einkommensteuer auf 17.520 € fest.


    Der Kläger legte am 11.03.2008 für 2006,
    am 24.06.2010 für 2007 und 2008 und am 16.08.2010 für
    2009 Einsprüche ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 04.12.2012 änderte
    der Beklagte die angefochtenen Bescheide im Hinblick auf die streitigen
    Verpflegungsmehraufwendungen und setzte die Einkommensteuer für
    2006 auf 23.305 €, für 2007 auf 19.063 €, für
    2008 auf 23.867 € und für 2009 auf 14.488 € fest.
    Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet
    zurück.


    Hiergegen hat der Kläger am 21.12.2012 Klage erhoben.
    Zur Begründung trägt er vor, der Beklagte habe
    seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit
    zu Unrecht besteuert.


    Sowohl das Niedersächsische Finanzgericht als auch der
    BFH seien bei ihren Entscheidungen von einer falschen Auslegung
    ausgegangen, weil zu dem Zeitpunkt ihrer Entscheidungen das Protokoll
    zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik
    Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung
    der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen
    und vom Vermögen vom 18.02.2011 (Protokoll zum DBA-Zypern
    2011) noch nicht vorgelegen habe.


    Denn die Einkünfte aus der Tätigkeit als Seemann
    unterlägen gem. Art. 15 Abs. 3 des Abkommens zwischen der
    Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung
    der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen
    und vom Vermögen vom 09.05.1974 (DBA-Zypern 1974) nicht
    der deutschen Einkommensteuer.


    Es ergebe sich aus dem Protokoll zum DBA-Zypern 2011, dass als
    Unternehmen im Sinne des Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern 2011, welcher
    gleichlautend mit der alten Fassung des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern
    1974 sei, das Unternehmen des Arbeitgebers des Bordpersonals gemeint
    sei. Die Vertragsparteien des DBA hätten übereinstimmend
    hierdurch klargestellt, dass sie die von der deutschen Rechtsprechung
    praktizierte Auslegung nicht teilten, wie der Begriff des Arbeitgebers
    zu verstehen sei. Da es sich um eine Klarstellung handele, komme diese
    auch rückwirkende Bedeutung für das DBA-Zypern
    1974 zu. Denn durch die Klarstellung und Beibehaltung der bisherigen
    Regelung hätten die Vertragsparteien deutlich gemacht,
    wie sie die Regelung auch bereits vorher verstanden hätten.
    Auch werde an anderen Stellen der Denkschrift zum DBA-Zypern 2011, z.
    B. bei Art. 8, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die
    Regelung nicht rückwirkend anzuwenden sei.


    Die Finanzverwaltung habe diese Klarstellung, welche bereits
    im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und auch in der Denkschrift
    zur Gesetzesvorlage DBA-Zypern neu vom 22.06.2011 bestätigt
    worden sei, bisher nicht zur Kenntnis genommen.


    Entscheidend sei der zivilrechtliche Arbeitgeber und damit grundsätzlich
    derjenige, der die Arbeitskraft fordere und auf der anderen Seite
    das Arbeitsentgelt schulde. Konkretisiert werde dies durch das Weisungsrecht
    seitens des Arbeitgebers. Da die D bestimme, auf welchem Schiff
    der Kläger tätig werde, werde dadurch die Arbeitgeberstellung
    der D hinreichend belegt. Es könne auch nicht auf den Begriff
    des wirtschaftlichen Arbeitgebers abgestellt werden, denn das Auseinanderfallen
    von wirtschaftlichem und rechtlichem Arbeitgeber setze eine gewerbliche
    Arbeitnehmerüberlassung voraus. Im DBA-Zypern 2011 sei
    zwar eine Sonderregelung zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung
    in Art. 14 Abs. 3 DBA-Zypern 2011 erfolgt. Diese Regelung gelte
    jedoch nicht, wenn die Spezialregelung des Art. 14. Abs. 4 DBA-Zypern
    2011 zur Anwendung gelange. Denn bei Seeleuten, die im internationalen
    Schifffahrtverkehr tätig seien, entstehe gerade kein örtlicher
    Bezug zu einem Land, da die Seeleute weltweit tätig seien.
    Die mit dem Einsatz von Seeleuten verbundenen spezifischen Aufgaben
    eines Arbeitgebers gingen weit über die Aufgaben eines Arbeitgebers
    hinaus, der Arbeitnehmer an Land überlässt. Das
    Crewingunternehmen habe insbesondere folgende Aufgaben:


    internationale Suche nach
    geeigneten Seeleuten,


    rechtliche Anstellung und Abschluss von Arbeitsverträgen,
    die alle durch die ILO für Seeleute geforderten Bedingungen
    erfüllen,


    Risiko der Vergütungszahlungen bei Ausfall
    der Kundenzahlung oder Nichtbeschäftigung,


    Prüfung, Überwachung und Risiko der
    fachlichen Eignung,


    Ersatz bei Ausfall des Arbeitnehmers,

    Einhaltung internationaler Visa-Regelungen,

    Einhaltung internationaler Beschäftigungsvorschriften,

    Einhaltung internationaler Steuervorschriften und Sozialversicherungsregeln,

    Einhaltung der vorgeschriebenen Trainingsvorschriften,

    laufende Gesundheitskontrolle,

    Gesundheitszertifikate,

    Anordnung und Überwachung der Regeln bezüglich
    Alkohol und Drogen,


    Ausrüstung mit Arbeitskleidung bzw. Uniformen,

    Beförderungen weltweit zum und vom Schiff,

    Lohnabrechnungen unter Beachtung von Vorschriften des
    Wohnsitz- und Arbeitgeberstaates,


    regelmäßige Kontrollbesuche an Bord
    durch Superintendenten der D.


    Mit der Übernahme dieser Aufgaben erbringe die D wesentlich
    mehr Tätigkeiten, als dies bei einer Anstellung an Land
    der Fall wäre. Wegen der typischerweise vorhandenen räumlichen
    Distanz sei der Arbeitnehmer auch noch mehr auf die Fürsorge
    seines Arbeitgebers angewiesen. Für die Durchführung
    der bestehenden Aufgaben unterhalte die D folgende Abteilungen:
    Personal, Aus- und Fortbildung, Heuer, Reise, EDV und Recht. Gerade
    wegen dieses Organisationsaufwandes sei es für kleinere
    und mittlere Schifffahrtsunternehmen wirtschaftlich nicht sinnvoll,
    alle diese Aufgaben selbst durchzuführen. Deshalb stelle
    das sog. „Crewing” heute in der Seeschifffahrt
    die bevorzugte Anstellung von Seeleuten dar. Es handele sich damit
    auch gerade nicht um eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung.
    Angesichts dieses Umfangs der Tätigkeiten trete der Einfluss
    des Entleihers in den Hintergrund. Zumal der Kapitän eines
    Schiffes an Bord keinen Weisungen des Schiffsbetreibers unterliege.
    Dies werde auch durch den Anstellungsvertrag bestätigt,
    denn dieser enthalte kein Weisungsrecht des Reeders. Die vertragliche
    Situation könne daher auch nicht mit einer Arbeitnehmerüberlassung
    gleichgesetzt werden.


    Es könne auch nicht aus der Tatsache, dass es sich bei
    der D um ein dienstleistungsorientiertes Unternehmen handele, welches
    natürlich die Wünsche der Reeder berücksichtige,
    geschlossen werden, dass die Reederei der wirtschaftliche Arbeitgeber
    sei. Die D berechne das Gehalt der Seeleute auch nicht einfach weiter,
    sondern die Abrechnung erfolge auf der Grundlage von kalkulatorischen Stundensätzen
    unter Berücksichtigung des Stundenlohnes, weiter entstehender Kosten
    und einer Gewinnmarge. Bei dem Vertrag zwischen der D und der F-1 Ltd.
    handele es sich um einen sog. „Lump-sum Crewing Vertrag”,
    bei dem D eine Pauschalsumme (lump-sum) für die gesamte
    Crewingleistung erhalte. Die D sei damit nicht nur zivilrechtlicher,
    sondern auch wirtschaftlicher Arbeitgeber. Nur die D und nicht der
    Reeder könne den Arbeitsvertrag kündigen.


    Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus
    nichtselbständiger Tätigkeit obliege damit ausschließlich
    Zypern. Zypern habe hingegen auf sein Besteuerungsrecht grundsätzlich
    bei allen nicht in Zypern ansässigen Besatzungsmitgliedern
    verzichtet. Dies ergebe sich insbesondere aus der als Anlage 6 vorgelegten
    Bescheinigung.


    Der Kläger beantragt,

    die Einkommensteuerbescheide 2006, 2007, 2008 und 2009, jeweils
    in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2012, dahingehend
    zu ändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger
    Tätigkeit nicht der deutschen Besteuerung unterworfen werden
    und die Einkommensteuer jeweils auf 0 € herabgesetzt wird.


    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung
    vom 04.12.2012. Ergänzend führt er aus, dass das
    Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus nichtselbständiger
    Arbeit Deutschland zustehe. Dies habe bereits das Niedersächsische
    Finanzgericht für die Vorjahre entschieden. Der Sachverhalt habe
    sich gegenüber den Vorjahren auch nicht verändert.
    Auch der BFH habe im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde unter
    Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass
    Unternehmen im Sinne von Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 nur ein
    Unternehmen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern 1974 sein könne,
    das selbst internationalen See- und Luftverkehr betreibe. Außerdem
    müsse dieses Unternehmen zugleich wirtschaftlicher Arbeitgeber
    des Besatzungsmitgliedes im Sinne des Abkommensrechts sein. Diese
    im Anwenderstaat Deutschland gefundene Auslegung könne
    auch nicht rückwirkend durch eine Protokollerklärung
    zum neuen DBA-Zypern 2011 beseitigt werden. In diesem Zusammenhang
    werde auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg
    vom 06.05.2013 (6
    K 645/12) verwiesen. Durch das Protokoll zum Abkommen
    seien nur Klarstellungen hinsichtlich des Abkommens vom 18.02.2011
    erfolgt und nicht auch bezüglich des DBA-Zypern 1974. Es
    könne auch nicht aus dem Fehlen des Satzes „Diese
    Regelung ist nicht rückwirkend anzuwenden” darauf
    geschlossen werden, dass die Regelung für Art. 14 DBA-Zypern
    2011 bzw. Art. 15 DBA-Zypern 1974 rückwirkend anzuwenden
    sei. Es ergebe sich im Gegenteil gerade aus der Klarstellung, dass
    keine Rückwirkung für die erweiterte Anwendung des
    Art. 8 DBA-Zypern 2011 habe erfolgen sollen und die Vertragsparteien
    die bestehende Rechtsprechung des BFH nur für die Zukunft
    und nicht für die Vergangenheit hätten ändern
    wollen.


    Die D betreibe unstreitig keine Kreuzfahrtschiffe und scheide
    bereits daher als möglicher Arbeitgeber aus.


    Die D sei auch nicht wirtschaftlicher Arbeitgeber des Klägers,
    denn der Kapitän eines Schiffes besitze eine exponierte
    Stellung, und es sei deshalb für die Reederei von erheblichem
    Interesse, welcher Kapitän auf welchem Schiff eingesetzt
    werde. Der Kapitän müsse an Bord auch selbst entscheiden,
    wie die vorgegebene Route im Einzelnen umgesetzt werden solle. Im
    Einzelfall werde er Neuerungen bei der Umsetzung auch mit der Reederei
    und nicht mit der D besprechen. Die vom Kläger vorgetragene
    vertragliche Situation werde gerade nicht durch die von ihm eingereichten
    Verträge bestätigt. Wegen weiterer Einzelheiten
    wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 22.07.2013 verwiesen.


    Auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins
    vom 10.05.2013 wird verwiesen. Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten
    und die Rechtsbehelfsakten zu der Steuernummer .../.../...
    vorgelegen.


    Gründe

    Die Entscheidung ergeht gem. § 90a Abs. 1 Finanzgerichtsordnung
    (FGO) durch Gerichtsbescheid.


    I.

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2009 in der
    Fassung der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2012 sind rechtmäßig
    und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100
    Abs. 1 FGO), denn der Beklagte hat zu Recht die Einkünfte
    des Klägers aus seiner nichtselbständigen Arbeit
    der deutschen Besteuerung unterworfen.


    1. Der im Inland wohnhafte Kläger ist gem. § 1
    Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) grundsätzlich mit allen
    seinen erzielten Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig.
    Die Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit
    werden nicht gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Zypern 1974
    von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen. Insbesondere
    steht nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 das Recht der Besteuerung
    hierfür nicht Zypern zu.


    Anwendbar auf den Streitfall ist das DBA-Zypern 1974, da das
    neue DBA-Zypern 2011 erst ab dem 01.01.2012 zur Anwendung gelangt.


    2. Gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Zypern
    1974 werden bei einer in der Bundesrepublik ansässigen
    Person von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer u. a. die
    Einkünfte aus Zypern ausgenommen, die dort nach dem Abkommen
    besteuert werden können. Die Frage, ob die Einkünfte
    des Klägers in Zypern besteuert werden können,
    beantwortet sich nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974. Danach können
    Vergütungen für unselbständige Arbeit, die
    von einem Mitglied der Besatzung an Bord eines Seeschiffes im internationalen
    Verkehr ausgeübt wird, in dem Staat besteuert werden, in
    dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung
    des Unternehmens befindet.


    a) Wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mehrfach entschieden
    hat (BFH-Urteil vom 10. November 1993 I R 53/91, BStBl II 1994,
    218; Urteil vom 5. September 2001 I R 55/00, BFH/NV
    2002, 478; Beschlüsse vom 26. April 2005 I B 86/04,
    Juris, und vom 18. Mai 2010 I B 204/09, BFH/NV
    2010, 1636 - Verfahren des Klägers für
    die Vorjahre -), kann ein Unternehmen i. S. des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern
    1974 nur ein Unternehmen i. S. von Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern sein,
    das selbst internationalen See- und Luftverkehr betreibt. Zugleich muss
    dieses Unternehmen wirtschaftlicher Arbeitgeber des Besatzungsmitglieds
    im Sinne des Abkommensrechts sein.


    b) Diese Voraussetzungen werden im Streitfall nicht erfüllt.
    Arbeitgeber des Klägers war das Crewing-Unternehmen D mit
    Sitz in Zypern, das selbst keinen internationalen Seeverkehr betreibt.
    Aber auch die Einschaltung eines Arbeitnehmerverleihers als sog.
    Crewing-Ausrüster führt nicht dazu, dass die Arbeitgeberfunktion
    auf das das Schiff betreibende Unternehmen als „Nutzer” des entliehenen
    Arbeitnehmers übertragen würde und diesem die
    Funktion zuzurechnen wäre.


    c) Ebenfalls ist geklärt, dass es nicht darauf ankommt,
    ob seitens der zypriotischen Steuerbehörden ein abweichendes
    Abkommensverständnis vertreten wird, das auf den dort ansässigen
    Arbeitnehmerverleiher als i. S. von Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974
    maßgebendes Unternehmen abstellt.


    d) Scheidet damit ein Besteuerungsrecht Zyperns nach Art. 15
    Abs. 3 DBA-Zypern 1974 aus, entfällt eine Steuerfreistellung
    der in Rede stehenden Einkünfte nach Art. 23 Abs. 1 Buchst.
    a DBA-Zypern 1974, und es bleibt beim inländischen Besteuerungsrecht
    nach Maßgabe des Einkommensteuergesetzes.


    e) Eine andere Auslegung des Begriffs des „Unternehmens” i.
    S. von Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 lässt sich auch nicht
    aus dem erst für Veranlagungszeiträume ab dem 01.01.2012
    geltenden DBA-Zypern 2011 ableiten.


    aa) Zwar haben sich die Vertragsstaaten im Protokoll zum DBA-Zypern
    2011 in Nummer 4 zu Art. 14 darauf geeinigt, dass die Vergütung
    von Besatzungsmitgliedern Absatz 4 dieses Artikels unterliegt, und
    der Ausdruck „Unternehmen” in diesem Absatz das
    Unternehmen des Arbeitgebers der Besatzungsmitglieder bedeutet.
    Auch ist die Vorschrift des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern1974 im Wesentlichen
    wortgleich in Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern 2011 übernommen worden.
    Gem. Art. 29 DBA-Zypern 2011 ist dieses beigefügte Protokoll
    auch Bestandteil des Abkommens. Eine ausdrückliche Regelung
    dazu, ob diese Neuregelung auch auf das DBA-Zypern 1974 anwendbar
    sein soll, ist jedoch weder im Protokoll noch in der Denkschrift
    (BT-DS 17/6259 S. 27) erfolgt.


    bb) Es ergibt sich auch nicht konkludent aus dem Protokoll oder
    der Denkschrift (BT-DS 17/6259 S. 27), dass diese von den
    Vertragsstaaten gewollte Regelung rückwirkend ebenso auf
    das DBA-Zypern 1974 anzuwenden ist.


    aaa) Zwar haben die Vertragsstaaten eines DBA grundsätzlich
    die Möglichkeit zu vereinbaren, wie die von den Vertragsstaaten
    in einem völkerrechtlichen Vertrag verwandten Begriffe
    auszulegen sind. Dies folgt aus ihrer Stellung als Subjekte der
    durch den Vertrag zwischen ihnen geschaffenen Rechtsbeziehungen
    (Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, S. 121).


    Da die Vertragsstaaten nicht ausdrücklich geregelt haben,
    ob die Regelung im Protokoll zum DBA-Zypern 2011 in Nummer 4 zu
    Art. 14 rückwirkende Bedeutung haben soll, muss diese Frage
    durch Auslegung des DBA entschieden werden.


    Maßgeblich für die Auslegung von Verträgen
    zwischen zwei Staaten und damit auch von Doppelbesteuerungsabkommen
    ist das Wiener Übereinkommen über das Recht der
    Verträge vom 23.05.1969, das in Deutschland am 20.08.1987
    in Kraft getreten ist (BGBl 1987 II, 757) - WÜRV
    -.


    Gem. Art. 31 Abs. 1 und 2 WÜRV ist ein Vertrag nach
    Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen,
    seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung
    und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Für
    die Auslegung eines Vertrags bedeutet der Zusammenhang außer
    dem Vertragswortlaut samt Präambeln und Anlagen jede sich auf
    den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen
    Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses getroffen
    wurde, und jede Urkunde, die von einer oder mehreren Vertragsparteien
    anlässlich des Vertragsabschlusses abgefasst und von den
    anderen Vertragsparteien als eine sich auf den Vertrag beziehende
    Urkunde angenommen wurde.


    Gem. Art. 31 Abs. 3 WÜRV gilt:

    „Außer dem Zusammenhang sind in gleicher Weise
    zu berücksichtigen


    a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über
    die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung der Bestimmungen;


    b) jede spätere Übung bei der Anwendung des
    Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über
    seine Auslegung hervorgeht;


    c) jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare
    einschlägige Völkerrechtssatz.”


    Gem. Art. 31 Abs. 4 WÜRV ist einem Ausdruck eine besondere
    Bedeutung beizulegen, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien
    dies beabsichtigt haben.


    Damit finden die klassischen Auslegungsmethoden des deutschen
    Rechts auch Anwendung, wenn es um die Auslegung von völkerrechtlichen
    Verträgen geht, wobei hier insbesondere die Auslegungshoheit
    der beteiligten Staaten zu beachten ist, falls diese sich explizit
    zu einem Thema bzw. einem Begriff geäußert haben.
    Auch besteht bei völkerrechtlichen Verträgen die
    Möglichkeit, spätere Übereinkommen oder
    Klarstellungen rückwirkend einzubeziehen. Grundsätzlich
    steht es den Vertragsparteien frei, die von ihnen verwandten Begriffe
    selbständig auszulegen, zu verändern oder neu
    zu definieren. Dieses Recht wird auch nicht dadurch eingeschränkt,
    dass die Staaten sich bei dem Abschluss des DBA an dem OECD-Muster-DBA
    orientieren. Denn es ist nicht zwingend, dass sich die Vertragsstaaten
    in jedem Fall an dem Musterabkommen orientieren.


    bbb) Im Streitfall haben die Vertragsparteien jedoch weder ausdrücklich
    noch konkludent vereinbart, dass die Regelung im Protokoll zum DBA-Zypern
    2011 in Nummer 4 zu Art. 14 rückwirkend auch für
    das DBA-Zypern 1974 anzuwenden sein soll.


    Insbesondere ergibt sich eine Rückwirkung nicht daraus,
    dass in der Denkschrift zu Art. 14 DBA-Zypern 2011 eine Rückwirkung
    nicht ausgenommen ist.


    Bei der Auslegung muss einbezogen werden, dass die Besteuerung
    im internationalen Schifffahrtsverkehr eine komplexe Regelungsmaterie
    darstellt und die diese betreffende Vorschriften des DBA in Wechselwirkung
    zueinander stehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des
    BFH zu Art. 15 DBA-Zypern 1974 stand fest, dass Deutschland das
    Besteuerungsrecht für sich in Anspruch nahm, wenn der Unternehmer
    im Sinne von Art. 15 DBA-Zypern 1974 nicht ein Schiff im internationalen
    Verkehr betrieb und somit nicht die Voraussetzungen gem. Art. 8
    DBA-Zypern 1974 erfüllte. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
    des Klägers für die Vorjahre wies der BFH zudem
    ausdrücklich darauf hin, dass es dem Gericht im Hinblick
    auf Art. 20 Abs. 3 GG verwehrt sei, entgegen Wortlaut, Vorschriftenzusammenhang
    und Zweck eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aus
    tatsächlichen Erwägungen (hier: betreffend den
    internationalen Seeverkehr) heraus Abhilfe zu schaffen; dies müsse den
    Vertragsstaaten vorbehalten bleiben (BFH-Beschluss vom 18. Mai 2010 I B 204/09 unter
    Hinweis auf seine Urteile vom 10. November 1993 I R 53/91 und
    vom 11. Oktober 2000 I
    R 44-51/99).


    Diese Rechtsprechung war den Vertragsstaaten bewusst, wie die
    Ausführungen in der Denkschrift zu Art. 8 DBA-Zypern 2011
    zeigen. Die Vertragsstaaten haben auch reagiert und Art. 8 DBA-Zypern
    2011 angepasst (Wegfall der Rückfallklausel des Art. 8
    Abs. 3 DBA-Zypern 2011, Erweiterung des Anwendungsbereichs auf die
    Binnenschifffahrt gem. Art. 8 Abs. 2 DBA-Zypern 2011 und Regelung
    der gelegentlichen Leervermietung von Schiffen sowie der Nutzung oder
    Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 DBA-Zypern 2011). Eine weitere Änderung
    erfolgte in diesem Zusammenhang durch die im Protokoll zum Abkommen
    in Nummer 3 zu Art. 8 festgehaltene Einigung der Vertragsstaaten
    darüber, dass Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen (auch) Gewinne
    von Unternehmen erfassen, die die verschiedenen Aufgaben beim Betrieb
    von Seeschiffen für die Schifffahrtsgesellschaften übernehmen,
    wie zum Beispiel Besatzung, technisches und kaufmännisches
    Management. Gemäß Art. 29 DBA-Zypern 2011 ist
    das angefügte Protokoll Bestandteil des Abkommens und damit
    ebenfalls erst ab
    dem 01.01.2012 verbindlich.


    In der Denkschrift zum Gesetzentwurf (BT-Drucks 17/6259)
    zu Art. 8 des Abkommens wird hierzu ausgeführt: „In
    Abweichung zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. November 1993
    (I R 53/91) haben
    sich die Vertragsparteien in der Nummer 3 des Protokolls zum Abkommen
    geeinigt, dass mit der Anwendung des neuen Doppelbesteuerungsabkommens
    zu den Einkünften aus dem Betrieb von Schiffen auch solche
    aus technischem und wirtschaftlichem Management sowie die Ausrüstung
    mit Schiffspersonal gehören. Diese Regelung ist nicht rückwirkend
    anzuwenden (vgl. hierzu die Ausführungen des Bundesfinanzhofs
    in der Entscheidung vom 18. Mai 2010, I B 204/09 NV).”


    Im Gegensatz zu diesen Ausführungen zu Art. 8 DBA-Zypern
    2011 enthält die Denkschrift zum Gesetzentwurf zu Art.
    14 DBA-Zypern 2011 keine ausdrückliche Regelung über
    die Frage der Rückwirkung. Hier wird in der Denkschrift lediglich
    ausgeführt: „Nach Nummer 4 des Protokolls zum
    Abkommen bedeutet der Ausdruck „Unternehmen” in
    diesem Absatz das Unternehmen des Arbeitgebers des Bordpersonals”.


    Hieraus leitet der Kläger im Umkehrschluss ab, dass
    die Vertragsstaaten die rückwirkende Auslegung auch für
    das DBA-Zypern 1974 gewollt haben, da sie anderenfalls eine Rückwirkung
    wie bei Art. 8 DBA-Zypern 2011 ausgeschlossen hätten.


    Dieser Ansicht folgt der Senat nicht, denn die Vertragsstaaten
    hätten eine solche Auswirkung auf das alte DBA ausdrücklich
    vereinbaren müssen. Sowohl die Denkschrift als auch das
    Protokoll beziehen sich ausschließlich auf das DBA-Zypern
    2011, so dass die Vertragsschließenden hätten
    zum Ausdruck bringen müssen, wenn sie auch Auswirkungen
    für die Vergangenheit beabsichtigt hätten (im
    Ergebnis so auch: Rauert, Das neue DBA-Zypern aus Sicht der Schifffahrt
    - ein Überblick, IStR 05/2012). Dabei muss einbezogen
    werden, dass die Auslegung dieser Vorschriften zwischen den Vertragsstaaten
    zum Teil kontrovers gewesen ist und das DBA-Zypern 2011 deshalb
    neue Regelungen beinhaltet. So haben sich für die den Betrieb
    von Seeschiffen betreffenden Vorschriften des Art. 8 und Art. 14
    DBA-Zypern 2011 wichtige Änderungen ergeben; diese Vorschriften
    müssen insoweit im Gesamtzusammenhang ausgelegt werden.
    Hierbei ist zu berücksichtigen, dass durch das DBA-Zypern
    2011 von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode (Art. 22
    Abs. 1 DBA-Zypern 2011; siehe hierzu die Erläuterungen
    in der Denkschrift BT-DS 17/6259 S. 30) übergegangen
    wurde. Außerdem ist die Rückfallklausel gem. Art.
    8 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 weggefallen, wonach das Besteuerungsrecht
    unter bestimmten Voraussetzungen an Deutschland zurückfiel
    (siehe: Rauert, a. a. O., S. 165). Auch andere Bestimmungen sind
    in diesem Zusammenhang angepasst worden, um insbesondere von Deutschland
    nicht gewollte Ergebnisse zu korrigieren (z. B. Definition des Ortes
    der Geschäftsleitung in Nr. 1 des Protokolls). Es kann
    deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragspartner
    ohne ausdrückliche Ausnahme Bestimmungen bereits vorher
    anwenden wollten, wenn die anderen Regelungen erst ab dem 01.01.2012
    anwendbar sein sollten. Dies gilt insbesondere, weil sich durch
    eine Anwendung der Neuregelung des Art. 14 DBA-Zyperns 2011 auf
    die Streitjahre das Besteuerungsrecht dahingehend geändert
    hätte, dass statt Deutschland nunmehr Zypern für die
    Besteuerung zuständig gewesen wäre.


    Der Senat ist deshalb der Ansicht, dass es sich bei der Bestimmung
    in Nummer 4 zu Art. 14 des Protokolls zum Abkommen nicht nur um
    eine gesetzgeberische Klarstellung eines schon seit langem bestehenden
    unbestimmten Rechtsbegriffs handelt, sondern gemäß Art.
    29 DBA-Zypern 2011 um eine Neuregelung im DBA-Zypern 2011, welche
    nicht rückwirkend auf die Streitjahre anwendbar ist (so
    auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 06. Mai 2013 6 K 645/12,
    zitiert nach juris).


    II.

    Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135
    Abs. 1 FGO.


    Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO
    wegen der Frage zugelassen, ob der Regelung in Nr. 4 zu Art. 14
    im Protokoll zum DBA-Zypern 2011 rückwirkende Bedeutung
    für das DBA-Zypern 1974 zukommt. Obwohl es sich bei dem
    DBA-Zypern 1974 um auslaufendes Recht handelt, gibt es noch eine
    Vielzahl an offenen Verfahren zu dieser Problematik.

    VorschriftenEStG § 34c, DBA-Zypern 1974 Art. 8, DBA-Zypern 1974 Art. 15

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