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  • 09.10.2008 | Europäischer Gerichtshof

    Reverse-Charge-Verfahren – Verstöße gegen Formalien lassen Vorsteuerabzug unberührt

    von Dipl.-Fw. Rüdiger Weimann, Dortmund

    Das EU-Umsatzsteuerrecht lässt grundsätzlich auch nationale Regelungen zu, die den Vorsteuerabzug von der Einhaltung einer Ausschlussfrist abhängig machen. Ausnahmen gelten jedoch für das Reverse-Charge-Verfahren. Der EuGH stellt klar, dass nationale Formalien hier nicht zur Versagung des Vorsteuerabzugs führen dürfen (EuGH 8.5.08, C-95/07 und C-96/07, Ecotrade SpA, UR 08, 512, Abruf-Nr. 082826, 082827).

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin (Ecotrade SpA = E), ein italienisches Unternehmen, bezog in den Steuerjahren 2001 und 2002 sonstige Leistungen von ausländischen Unternehmern. Die den Leistungsbezügen zuzuordnenden Eingangsrechnungen ergingen netto und enthielten keinerlei Hinweise auf die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens (vgl. § 14b Abs. 1 S.?4 Nr. 3 UStG). E ging daher davon aus, dass die Eingangsumsätze nicht der Mehrwertsteuer unterlagen. Folglich behandelte E die Rechnungen als mehrwertsteuerunbelastet und trug sie nur in das nach italienischem Umsatzsteuerrecht erforderliche Register der Eingangsrechnungen, nicht aber in das der Ausgangsrechnungen ein. Die Finanzbehörde unterwarf die Leistungsbezüge jedoch unter Anwendung des italienischen Reverse-Charge-Verfahrens der Umsatzsteuer, ohne den korrespondierenden Vorsteuerabzug zuzulassen.  

     

    Dem Vorsteuerabzug steht nach Auffassung der italienischen Finanzbehörden entgegen, dass E den ihr insoweit nach italienischem Mehrwertsteuerrecht obliegenden Pflichten – insbesondere: Erstellung einer Eigenrechnung mit Aufnahme in das Ausgangsregister – nicht nachgekommen sei. Das Vorsteuerabzugsrecht müsse innerhalb einer Ausschlussfrist ausgeübt werden, und zwar bis zum Ablauf der Frist für die Abgabe der Jahreserklärung für das zweite auf das Jahr folgende Jahr, in dem der Vorsteuerabzug entstanden ist. Im Streitfall hätte also das Vorsteuerabzugsrecht spätestens in der in 2004 für 2003 (zweites Folgejahr) abzugebenden Jahreserklärung geltend gemacht werden müssen. Die Klägerin bleibe aber verpflichtet, die geschuldete Steuer zu entrichten, weil die Festsetzungsfrist mit vier Jahren länger sei als die Frist für die Ausübung des Vorsteuerabzugs mit lediglich zwei Jahren.  

     

    Anmerkungen

    Grundsätzlich wird der Vorsteuerabzug vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Zeitraum schuldet, den Vorsteuerbetrag abzieht, für den während des gleichen Zeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und ausgeübt wird (Art. 18 Abs. 2 der 6. EG-RL; ab 1.1.07: Art. 179 MwStSystRL). Gleichwohl kann einem Steuerpflichtigen das Abzugsrecht auch gewährt werden, wenn er es nicht während des Zeitraums, in dem es entstanden ist, ausgeübt hat (Art. 18 Abs. 3 der 6. EG-RL; ab 1.1.07: Art. 180 MwStSystRL). In diesem Fall gelten für sein Abzugsrecht jedoch die von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen und Einzelheiten. Insbesondere Ausschlussfristen können geregelt werden. Die Möglichkeit, das Abzugsrecht ohne jede zeitliche Beschränkung auszuüben, liefe dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwider. Allerdings muss die Festlegung einer Ausschlussfrist gemeinschaftsrechtlichen „Spielregeln“ standhalten:  

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