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  • · Fachbeitrag · Praxisnachfolge

    Erhebliche Gefahren bei der Praxisveräußerung und bei der Praxiseinbringung

    von StB Alfred P. Röhrig, Bad Honnef, www.steuerberaterkanzlei-roehrig.de

    | Praxisverkauf und Praxiseinbringung gehören zwar nicht zum Tagesgeschäft des Steuerberaters. Sie sind aber auch nicht die absoluten Ausnahmen. Eine in diesem Zusammenhang immer wieder aufkommende Frage ist, wann Einnahmen-Überschussrechner zur Bilanzierung überzugehen haben. Der Beitrag klärt die Frage anhand von fünf Szenarien aus der Beratungspraxis. |

    1. Grundfragen und Fallunterscheidung

    Mit Blick auf eine Praxisveräußerung nach § 16 EStG ist zu fragen, ob ein Übergang von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG erfolgen muss. Bei § 24 UmwStG stellt sich die Frage, wie zum Ausdruck kommt, dass dem Einbringenden Gesellschaftsrechte gewährt werden. Je nachdem, wie die Antworten ausfallen, sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden.

     

    In der Praxis sind daher folgende Fälle zu differenzieren:

     

    • Das Ausscheiden eines Gesellschafters und der „Erwerb“ durch die übrigen Gesellschafter (BFH 17.9.15, III R 49/13, BStBl II 17, 27)

    2. Die Veräußerung an einen fremden Dritten

    Bei einer Veräußerung durch einen Freiberufler an einen fremden Dritten muss der Veräußerer von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG übergehen. Ein entstehender Übergangsgewinn ist dem Veräußerer zuzurechnen (BFH 13.9.01, IV R 13/01, BStBl II 02, 287). Eine Verteilung des Übergangsgewinns nach R 4.6 Abs. 1 S. 2 EStR kommt nicht in Betracht (BFH 13.9.01, IV R 13/01, BStBl II 02, 287, OFD Niedersachsen 3.3.17, S 1978d ‒ 10 ‒ St 243, DStR 17, 985). Hintergrund ist, dass der Übergangsgewinn nicht zwangsläufig, sondern aufgrund einer freiwilligen Entscheidung anfällt (Urban, DStR 17, 1251).

     

    Eine sofortige Versteuerung des Übergangsgewinns kann in der Praxis jedoch regelmäßig dadurch verhindert werden, dass die Altforderungen im Restbetrieb des Veräußerers zurückbehalten werden. Eine solche Vereinbarung ist in der Praxis die Regel, sodass der Übergang von § 4 Abs. 3 EStG zu § 4 Abs. 1 EStG im Ergebnis nur der präzisen Ermittlung des Veräußerungsgewinns dient.

    3. Das Ausscheiden eines Gesellschafters und der „Erwerb“ durch die übrigen Gesellschafter ‒ mit Spitzenausgleich

    Beim entgeltlichen Ausscheiden eines Partners aus einer Freiberufler-Personengesellschaft liegt ein Veräußerungstatbestand vor. Die Personengesellschaft muss zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns bzw. des Erwerbs zwingend zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG übergehen (vgl. BFH 17.9.15, III R 49/13, BStBl II 17, 27, Levedag, FR 16, 733).

     

    Nach der „reinen Lehre“ betrifft der Übergang jedoch ausschließlich den Teil der Einkünfte, den anteilig der Ausscheidende bis zum Veräußerungszeitpunkt zu versteuern hat. Der anteilige Gewinn ist ausschließlich dem Ausscheidenden zuzurechnen. Die so ermittelten anteiligen lfd. Einkünfte und der Veräußerungsgewinn sind ausschließlich dem Ausscheidenden zuzurechnen.

     

    PRAXISTIPP | Es ist schwer vorzustellen, wie das praktisch umgesetzt werden könnte. Allein zur Ermittlung der Höhe der Abfindungszahlung etc. ist es m. E. ohnehin notwendig eine Bilanz aufzustellen. Die Altgesellschafter und der Ausscheidende können daran anschließend direkt wieder zu § 4 Abs. 3 EStG übergehen (vgl. Mertzbach, DStZ 18, 33). Hierdurch wird die Versteuerung der Forderung beim Übergang von § 4 Abs. 3 EStG zu § 4 Abs. 1 EStG sofort wieder rückgängig gemacht. Zudem ist zu beachten, dass die Altforderungen der alten Berufsausübungsgemeinschaft zuzurechnen sind.

     

    4. Das Ausscheiden eines Gesellschafters durch Realteilung/§ 6 Abs. 5 EStG ‒ ohne Spitzenausgleich

    Scheidet ein Gesellschafter ohne Spitzenausgleich aus einer freiberuflichen Personengesellschaft aus, so liegt nach neuerer Rechtsprechung des BFH eine Realteilung und somit kein Veräußerungstatbestand vor. Die Finanzbehörden differenzieren hier zurzeit noch und gelangen möglicherweise zu einem Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 EStG. Entscheidend ist jedoch, dass in beiden Fallgestaltungen kein Veräußerungsvorgang vorliegt. Ein Übergang zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG ist daher nicht erforderlich (BFH 11.4.13, III R 32/12, BStBl II 14, 242). Dieser Rechtsauffassung ist das BMF gefolgt (BMF 20.12.16, IV C 6 - S 2242/07/10002: 004, BStBl II 17 I, 36; vgl. OFD Niedersachsen, DStR 17, 985). Zu den Diskrepanzen zwischen Realteilungserlass und BFH-Rechtsprechung siehe Levedag, DStR 17, 1233, 1241.

     

    PRAXISTIPP | Wiederum sei die pragmatische Frage erlaubt, wie sich die sicherlich wohlgemeinten Worte des BFH praktisch umsetzen lassen. Der BFH ist der Auffassung, dass die praktische Umsetzung den Übergang zu § 4 Abs. 1 EStG voraussetzt. Der Berater ist ohne eine Bilanz schwerlich dazu in der Lage § 16 Abs. 3 EStG/§ 6 Abs. 5 EStG praktisch umzusetzen.

    Daher empfehle ich ‒ zur praktischen Umsetzung ‒ eine Bilanz zu erstellen. Unmittelbar danach können sämtliche Beteiligten wieder zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG übergehen (Mertzbach, DStZ 18, 33) Hierdurch wird die Versteuerung der Forderung beim Übergang von § 4 Abs. 3 EStG zu § 4 Abs. 1 EStG sofort wieder rückgängig gemacht.

     

    5. Die Einbringung nach § 24 UmwStG

    Verschiedentlich wird durch Notare und Gesellschaftsrechtler darauf verwiesen, dass bei Einbringung nach § 24 UmwStG bei Freiberuflern auf die Gewährung von Gesellschaftsrechten i. S. des Kapitalkontos I verzichtet werden kann. Hierzu wird dann regelmäßig auf Rz. 24.07 des UmwSt-Erlasses (BMF 11.11.11, IV C 2 - S 1978 b/08/10001, BStBl II 11 I, 1314) verwiesen. Dort ist tatsächlich ausgeführt, dass die Einbringung gegen das gesamthänderisch gebundene Rücklagenkonto ebenfalls als Vorgang i. S. des § 24 UmwStG zu beurteilen ist.

     

    Der BFH (29.7.15, IV R 15/14 und BFH 4.2.16, I V R 46/12) hat dieser Rechtsauffassung jedoch eine Absage erteilt. Nach Auffassung des BFH müssen Gesellschaftsrechte (Kapitalkonto I) gewährt werden. Zu diesen Urteilen hat das BMF (26.7.16, BStBl I 16 I, 684) Stellung genommen und seine alte Rechtsauffassung aufgegeben. Es folgt nun dem BFH. Für Verträge, die bis zum 31.12.16 abgeschlossen worden sind, gibt es eine Übergangsregelung.

     

    Bei einer reinen Einbringung nach § 24 UmwStG (die Einlage des neuen Gesellschafters erfolgt in vollem Umfang in die Gesamthand) liegt nach Auffassung des BFH keine Veräußerung von Mitunternehmeranteilen der bisherigen Gesellschafter vor. Vielmehr wird ein derartiger Vorgang als gleichwertig mit einer Sachneugründung eingestuft (BFH 7.11.06, VIII R 13/04, BStBl II 08, 545). In den Fällen, in denen sowohl die einbringende als auch die übernehmende Personengesellschaft den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, besteht somit keine Verpflichtung zum Übergang nach § 4 Abs. 1 EStG.

     

    Allerdings fragt man sich, wie dieser praktische Sachverhalt ohne eine Bilanz gelöst werden soll. Denn in der neuen Personengesellschaft benötigen sämtliche Gesellschafter zunächst einmal ein Kapitalkonto. Das ist allein aus dem Grund erforderlich, weil die Beteiligten aufgrund des § 24 UmwStG Gesellschaftsrechte erlangen müssen. Ohne die Gewährung von Gesellschaftsrechten liegt kein Anwendungsfall des § 24 UmwStG und somit eine Buchwertfortführung vor. Es ist aus diesem Grund erstaunlich, wie der BFH und die Literatur mit diesem Thema (sorglos) umgehen, ohne es auch nur zu erwähnen. Seien Sie daher bitte vorsichtig und treten Sie nicht in diese Falle.

     

    PRAXISTIPP | An dieser Stelle darf es nicht unerwähnt bleiben, dass Notare und andere Gesellschaftsrechtler diese Problematik in der Regel gar nicht kennen. Daher ist es dringend erforderlich, dass sowohl im Gesellschaftsvertrag als auch im Einbringungsvertrag die Grundlagen für eine Anwendung des § 24 UmwStG gelegt werden.

     

    6. Die Kombination von § 24 UmwStG und § 16 EStG

    Problematisch ist der in der Praxis häufig anzutreffende Sachverhalt, in dem der (oder die) Altgesellschafter einen Teil der bisherigen Praxis an einen neuen Gesellschafter gegen eine Zahlung ins Privatvermögen veräußern und den restlichen Teil für sich selber in die neue Personengesellschaft einbringen. Soweit der/die bisherige(n) Gesellschafter eine Zuzahlung ins Privatvermögen erhält (erhalten), liegt ein Veräußerungsvorgang in Höhe der Differenz zwischen der Zuzahlung und dem Buchwert der anteilig übertragenen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens vor. Insoweit ist dieser Vorgang in eine Einbringung nach § 24 UmwStG und in eine Veräußerung aufzusplitten.

     

    Nach Auffassung des BFH (und auch der hier aktuell zitierten Literatur) ist die Aufteilung auf diese Weise vorzunehmen:

    • Insoweit als eingebracht wird, muss nicht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG gewechselt werden.
    • Insoweit als veräußert wird, muss jedoch zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG gewechselt werden.

     

    In der Praxis wird der Berater stets in vollem Umfang zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG übergehen, um einerseits den Veräußerungsgewinn ermitteln zu können (wie vom BFH gefordert) und andererseits die Kapitalkonten der Gesellschafter zutreffend darstellen zu können.

     

    Auch ein evtl. entstehender Übergangsgewinn stellt in der Praxis kein Problem dar. Denn der oder die Altgesellschafter werden die bestehenden Altforderungen ohnehin in der bisherigen Einzelpraxis / Berufsausübungsgemeinschaft zurückbehalten. Die Versteuerung der Altforderungen erfolgt jeweils bei Zufluss im Restbetriebsvermögen der Einzelpraxis oder der alten Berufsausübungsgemeinschaft.

     

    FAZIT | Wie die vorstehenden Ausführungen deutlich machen, besteht in relativ überschaubaren Sachverhalten ein extremer Beratungsbedarf. In der Praxis wird hier häufig nicht genügend Sorgfalt geübt. In diesen Fällen kann es dann zu einem „bösen Erwachen“ und enttäuschten Mandanten kommen. Aus diesem Grund sollten die vorstehenden Ausführungen und Grundsätze in der Praxis im Detail beachtet werden. Auf diese Weise lassen sich Stress im Rahmen von Betriebsprüfungen und Ärger mit Mandanten vermeiden. Im Übrigen können auf diese Weise Kapitalkonten und Gewinne präzise ermittelt werden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Die Einbringung in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG (Rotter/Buhl, DB 17, 2635)
    • Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei der Übertragung von freiberuflichen Sachgesamtheiten und Gewinnermittlung durch EÜR nach § 4 Abs. 3 EStG (Mertzbach, DStZ 18, 33)
    • Pflicht zur Übergangsbilanz bei Veräußerung oder Einbringung eines Einnahme-Überschussrechners? (Urban, DStR 17, 1251)
    • Eintritt in und Austritt aus Freiberuflerpraxen (Levedag, DStZ 17, 1233)
    Quelle: Sonderausgabe 02 / 2018 | Seite 13 | ID 45350609

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