Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Nachricht · Insolvenzrecht

    Rückforderung von Scheinrenditen im Schneeballsystem

    von Rechtsassessor Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof und Speyer

    | Der BGH (22.7.21, IX ZR 26/20) hat entschieden, dass der Insolvenzverwalter Scheinrenditen von Anlegern zurückfordern kann. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen einer ein Schneeballsystem betreibenden AG, forderte von einem Anleger, der als Genussrechteinhaber aufgrund von AGB eine vom Jahresabschluss abhängige Ausschüttung erhalten hatte, diese zurück, da das Betriebsvermögen unzutreffend hoch bewertet worden war (Nichtbeachtung des strengen Niederstwertprinzip für Umlaufvermögen, § 253 Abs. 4 HGB) und sich somit tatsächlich kein Jahresüberschuss ergab. Gestützt wurde dies auf § 134 InsO (Schenkungsanfechtung) bzw. ungerechtfertigte Bereicherung.

     

    Entscheidungsgründe

    Wenn der Anleger einen Anspruch auf die Ausschüttung hatte, greift § 134 InsO nicht. Ebenfalls greift dieser Anspruch nicht, wenn ein Bereicherungsanspruch gegen den Anleger besteht und diesem nicht § 814 bzw. § 817 S. 2 BGB entgegensteht. Ein Bereicherungsanspruch ist nicht deshalb gegeben, weil die Ausschüttung nach § 138 BGB nichtig und somit rechtsgrundlos ist, denn sittenwidrig ist nur der Betrieb des Schneeballsystems selbst. Auch ist keine Nichtigkeit nach § 134 BGB gegeben, weil nur der Betreiber des Schneeballsystems gegen § 263 StGB verstoßen hat (BGH 1.10.20, IX ZR 247/19).

     

    Da bei Verwendung von AGB die Unklarheitsregelung des § 305c Abs. 2 BGB gilt, kommt es auf die tatsächliche Ertragslage der AG an. Dabei greift die Konditionssperre nach § 814 BGB, mit der Folge, dass auch der Insolvenzverwalter keinen Bereicherungsanspruch gegen den Anleger, aber einen solchen gemäß § 134 InsO geltend machen kann, wenn die für die AG verantwortlich handelnden Personen zum Zeitpunkt der Ausschüttung nach der Parallelwertung in der Laiensphäre wussten, dass der Jahresabschluss unrichtig und somit kein Anspruch auf Ausschüttung bestand. Der Betreiber eines Schneeballsystems, das gar keine oder nur eine geringe wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, weiß, dass entsprechend ausgewiesene Gewinne fehlerhaft sind. Die Leistungen der AG an den Anleger sind aber nicht nach § 134 InsO unentgeltlich, weil das Rückforderungsverbot des § 817 S. 2 BGB greift. Denn diese waren selbst nicht gesetzes- oder sittenwidrig (BGH 1.10.20, IX ZR 247/19).

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung zeigt, dass derjenige, der in einem Schneeballsystem Scheinrenditen erzielt, damit rechnen muss, diese wieder auszukehren. Nach Ansicht der Finanzverwaltung können auch Scheinrenditen aus Schneeballsystemen Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen (H 20.2 ‒ Schneeballsystem ‒ EStH). Die Verpflichtung zur Rückzahlung ändert nichts am Zufluss (H 20.2 ‒ Rückgängigmachung einer Gewinnausschüttung ‒ EStH).

    Quelle: ID 47753539

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents