· Nachricht · 19. IWW-Kongress Ärzteberatung
Ärzteberatung ‒ Chancen im Umbruch finden
von Alexandra Buba, M. A., Fuchsmühl
| Eine Fülle aktuellen Wissens erhalten Beratende im medizinischen Bereich alljährlich beim IWW-Kongress „Praxis Ärzteberatung“. Am 21.3.25 fand der auch als Pflichtfortbildungsveranstaltung für den Fachberatertitel anerkannte Kongress in Düsseldorf bereits in seiner 19. Auflage statt. Neben Detailfragen aus der Beratungspraxis ging es auch um aktuelle Gesetzesänderungen und -vorhaben ‒ bei denen vielfach die Auswirkungen noch unklar sind. |
1. Aktuelle Entwicklungen im Sozialversicherungsrecht
„Die Formalien bitte unbedingt einhalten!“ ‒ Diesen Rat gab der traditionelle Anfangsredner des IWW-Kongresses „Praxis Ärzteberatung“, Prof. Dr. Halbe, nicht nur einmal. Hilfreich ist er offenbar in vielen Kontexten. Konkret befasste sich Halbes Rückschau auf aktuelle rechtliche Entwicklungen für die Heilberufe-Beratung nicht zufällig zunächst mit Fragen der Dokumentationen und Stellvertretungsregelung. In zwei Entscheidungen ging es um die zwingende Leitung eines MVZ durch einen Arzt oder eine Ärztin vor Ort. Inwieweit diese anwesend sein müssen, ist strittig. So urteilte das SG München im Fall einer Zahnärztin mit einem vorübergehenden Beschäftigungsverbot wegen einer Schwangerschaft, dass das Honorar für ein halbes Jahr nicht abgerechnet werden konnte. Im anderen Fall ging es um eine MVZ-Filiale, für die bestimmte Auflagen ausgesprochen worden waren. Sie aber waren im Grundsatz rechtswidrig, da es schlichtweg keinerlei Grundlage dafür gab.
1.1 GÖA als zwingende Abrechnungsgrundlage
Im Weiteren ging es dann um GOÄ-Abrechnungen. So müssten sich sowohl MVZ-GmbH als auch Privatkliniken, die bisher ambulante Leistungen mittels Pauschalhonorar abgerechnet haben, auf Rückforderungsansprüche seitens der Kostenträger und Patienten gefasst machen. Der BGH hatte in mehreren Fällen geurteilt, dass Rabatte, Pauschalen oder bestimmte Privatrechnungen oftmals nicht den Vorgaben genügten. Halbe empfiehlt generell, vor Behandlungsbeginn eine Honorarvereinbarung nach § 2 GOÄ zu schließen. Das solle für den jeweiligen Einzelfall und in persönlicher Absprache mit dem Patienten geschehen. Außerdem gelte das Erfordernis der Schriftform.
Verhandelt worden sei inzwischen auch der Zwang zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur, andernfalls drohen Honorarkürzungen. Dies sei zurecht so ‒ wie das BSG urteilte (6.3.24, B 6 KA 23/22 R).
1.2 Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz als „Rohrkrepierer“
Halbe ordnete auch das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz ein, das kaum wahrgenommen worden sei, weil es so wenig Inhalt habe. Ein zentraler Regelungsbereich, nämlich die Entbudgetierung in einem budgetierten System, sei nur ein psychologischer Erfolg, werde die Praxen aber nicht weiter nach vorne bringen. Denn die Krankenkassen sind nicht bereit, zusätzliche Gelder zur Verfügung zu stellen. Die GKV habe verlauten lassen, dass die Versorgung auf diese Weise ja nicht besser würde, sondern nur teurer und habe von einem „Ärztehonorarerhöhungsgesetz“ gesprochen. So hätten Primärversorgungszentren entstehen und Zulassungsvoraussetzungen für MVZs sich verändern sollen, derartige konstruktive Strukturveränderungen seien aber nicht passiert.
1.3 DigiG und Krankenhauskooperationsverträge
Das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) beurteilte der Experte zwar etwas günstiger, wenngleich sich hier die Umsetzung stetig weiter verzögert. „Solange die ePA noch nicht da ist, haben wir an den meisten Stellen Stillstand“, so sein Urteil.
Einen Praxistipp für Krankenhauskooperationsverträge hatte Halbe auch im Gepäck: So können die zwischen MVZs, niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern geschlossenen Verträge seiner Meinung nach bedenkenlos weitergeführt werden. Denn die gesetzlichen Änderungen, die darauf Auswirkungen hätten, bezögen sich allenfalls auf Level1i-Krankenhäuser.
1.4 Doc-Buy-Out weniger attraktiv
Außerdem beobachtet Halbe wieder vermehrt Ärztinnen und Ärzte, die nach einer Anstellung in einem MVZ doch in die Selbstständigkeit streben. Die Praxisverkaufswelle der vergangenen Jahre indes flaue eher ab. Denn die Investoren hätten festgestellt, dass sich viele Erlöse nicht zufriedenstellend entwickelt hätten. So gebe es im Zahnarztbereich wohl nur eine Kette, die sehr breit aufgestellt ist und als einzige erfolgreich sei, weil sie ihren Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit zur Beteiligung einräume. Für die mittel- und langfristige Nachfolgeplanung der Praxis empfiehlt er, junge Kolleginnen und Kollegen unmittelbar an die Hand zu nehmen und mit den Herausforderungen der Selbstständigkeit vertraut zu machen.
1.5 GOÄ-Reform
Im Hinblick auf die geplante Reform der GOÄ, die Kardiologen 60 % Minus und Radiologen 20 % Minus bringen könnte, sagte Halbe, er halte den Entwurf für rechtlich nicht gedeckt. Denn Ziel der Novelle solle die Förderung der sprechenden und zuwendungsorientierten Medizin sein, wie es im Entwurf heißt. Im Gegensatz dazu stehe z. B. die Rechtsprechung des BSG aus 2010, die Einnahmen aus privatärztlicher Praxis berücksichtigen will, wenn es um die Beurteilung der angemessenen Höhe der Vergütung für einzelne Arztgruppen gehe.
2. Aktuelle Entwicklungen im Steuerrecht
2.1 Umsatzsteuerfreiheit in Praxisgemeinschaften
Den Blick auf die Steuern richtete anschließend Thomas Ketteler-Eising und regte direkt eine eigene Veranstaltung zum Doc-Buy-Out an.
Seine erste zentrale Frage beschäftigte sich mit der Zukunft der Praxisgemeinschaften (Kostengemeinschaften) respektive der Umsatzsteuerbefreiungen. Diese seien nach einem Beschluss des BFH (4.9.24, XI R 37/21) zwar wohl gerettet, aber dies sei nicht zu 100 % sicher. Von den Leistungen einer Praxisgemeinschaft, die unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallen, sind die sonstigen Leistungen dann steuerfrei, soweit sie für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeiten verwendet werden. Dieser Knackpunkt der Unmittelbarkeit war bislang schon eher unstrittig, etwa beim Schreiben von Arztberichten, allerdings nicht im Hinblick auf Reinigungsleistungen. Diese als nicht unmittelbar zu qualifizieren, sei nicht richtig, da im ärztlichen Bereich die Hygiene zentral sei, so Ketteler-Eising.
Zu den Leistungen der Bürokraft, soweit sie auf die Praxisorganisation und das Schreiben von Arztberichten und ähnlichen Dokumentationen entfielen, gingen FA und Steuerpflichtiger im verhandelten Fall übereinstimmend davon aus, dass diese Leistungen umsatzsteuerfrei seien. Das FG habe diese Auffassung in seiner Entscheidung als zutreffend bestätigt, so Ketteler-Eising. Der BFH habe hierzu allerdings leider mangels Entscheidungserheblichkeit keine klare Aussage getroffen. Dies entspreche aber nicht mehr uneingeschränkt der Auffassung im Schreiben des BMF (19.7.22, III C 3 - S 7189/20/10001 :001 BStBl I 22, 1208 unter 1.4). Es bleiben daher Restrisiken, so die Einschätzung des Experten.
2.2 Eingereichte Steuerbilanz kein Antrag mehr
Ein zweites Schlaglicht waren die Ausführung des BFH zum Themenkomplex Buchwertansatz in der Bilanz/Steuererklärung im Zusammenhang mit Umstrukturierungen. Der BFH (10.7.24, IV R 8/22) hat einem konkludenten Antrag über die Einreichung von Steuerbilanzen/-erklärungen unter Buchwertansatz seiner Einschätzung nach die Argumentation entzogen. Es bedürfe vielmehr eines ausdrücklichen, wenn auch formfreien Antrags. Das werfe in der Praxis die Frage auf, was gelte, wenn der Einbringungsvertrag, wie im ärztlichen Bereich üblich, nicht notariell geschlossen wurde, aber eine Antragsklausel enthält und der Einbringungsvertrag vom bevollmächtigten Steuerberater an das FA übersandt wird. Offen sei auch, was passiere, wenn es bei einer fortgesetzten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gar keine Schlussbilanz gebe.
2.3 Umwandlungssteuerrecht
Ebenfalls besprochen wurde § 22 Abs. 2 UmwStG bzw. die Nachweispflicht als Ausschlussfrist bei der Einbringung. Der Experte empfiehlt in diesem Zusammenhang: „Segeln Sie bei Put-Optionen nicht zu hart am Wind und beachten Sie penibel die Nachweispflichten!“ Es sei offen, ob der BFH die Auffassung des FG geteilt hätte, dass der § 22 Abs. 3 S. 1 UmwStG mit seinem klaren und eindeutigen Wortlaut überhaupt auslegungsbedürftig ist, auch wenn der Wortlaut nicht der gesetzgeberischen Intention entspricht. „Im Zweifel stellen Sie auch Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen“, so Ketteler-Eising.
3. Betriebswirtschaftliche Beratung für Zahnarztpraxen
Prof. Dr. Johannes Georg Bischof wandte sich danach den Zahnmedizinerinnen und -medizinern zu.
3.1 Tendenzen im Dentalmarkt
Insgesamt verzeichnete der Dentalmarkt in Deutschland im Jahr 2022 einen Umsatz von ca. 29 Mrd. EUR. Während die Zahl der behandelnden Zahnärzte aktuell noch stabil sei, werde bis zum Jahr 2030 ein Rückgang prognostiziert, wie der Experte zu berichten wusste. Gleichzeitig nimmt die Zahl angestellter Zahnärzte zu, während die Gesamtzahl der Zahnarztpraxen sinkt. Es zeichnet sich ein Trend hin zu größeren Praxen mit mehreren Behandlern ab.
3.2 Wirtschaftliche Situation der Zahnarztpraxen
Die aktuelle Lage von Zahnarztpraxen ist durch erhebliche wirtschaftliche Herausforderungen gekennzeichnet. Dazu zählen insbesondere der Personalmangel, der das Gehaltsniveau beeinflusst, sowie Preissteigerungen, die viele Praxen nicht vollständig an die Patienten weitergeben konnten. Zudem herrscht ein stärkerer Wettbewerb um die finanziellen Mittel der Patienten, deren Sorgen um die eigene wirtschaftliche Zukunft ebenfalls eine Rolle spielen.
Im Jahr 2024 betrug der durchschnittliche Umsatz pro Praxis 751.000 EUR und der durchschnittliche Gewinn pro Inhaber lag bei 200.000 EUR im arithmetischen Mittel. 9 % der Praxisinhaber verfügen über ein Einkommen von über 400.000 EUR pro Jahr. Die gesamten Kosten beliefen sich auf durchschnittlich 68,5 % der Praxiseinnahmen, wobei die Personalausgaben mit 29 % den größten Kostenfaktor darstellen.
Dies führt dazu, dass die Praxisgewinne unter Druck geraten sind und im Vergleich zum Vorjahr leicht um 1,3 % gesunken sind. Für Zahnarzt-Einzelpraxen sollte ein Gewinn von etwa einem Drittel der Praxiseinnahmen angestrebt werden. Steigen jedoch die Kosten, beispielsweise um 11 %, während die Einnahmen unverändert bleiben, kann sich der Gewinn auf nur noch ein Viertel der Einnahmen reduzieren. Bei Preiserhöhungen ist zu beachten, dass eine geplante Mehreinnahme durch Preisanpassungen gegenüber Patienten i. d. R. doppelt so hoch ausfallen muss, da Abrechnungen mit der KZV nicht direkt verändert werden können.
3.3 Leistungskalkulation
Die Kalkulation zahnärztlicher Leistungen basiert auf den Kosten pro zahnärztlicher Behandlungsstunde. Hierbei werden sämtliche Praxiskosten auf die Behandlungszeit des Zahnarztes umgelegt, ohne jedoch die Kosten für Labormaterial und Fremdlabore sowie die Kosten der Prophylaxe zu berücksichtigen. Die Behandlungszeit umfasst ausschließlich die Zeit, in der der Zahnarzt direkt am Patienten behandelt. Bei der Kalkulation sollte auch der kalkulatorische Unternehmerlohn berücksichtigt werden, der in einer Ein-Behandlerpraxis als Daumenregel etwa 100 EUR pro Stunde betragen kann.
3.4 Weitere Beratungsaspekte
Die Investition in moderne Technologien wie Cerec kann die Praxisabläufe verändern, erfordert jedoch eine genaue Wirtschaftlichkeitsanalyse. Hierbei ist es entscheidend, den Break-Even-Point unter Berücksichtigung aller Kostenfaktoren sowie der veränderten Behandlungszeit zu berechnen.
Die Prophylaxe (PZR) hat sich als eine wichtige und von Patienten anerkannte Leistung etabliert. Sie muss nicht zwingend vom Zahnarzt selbst erbracht werden und trägt maßgeblich zur Patientenbindung bei und steigert i. d. R. den Praxisgewinn. Ein Beispiel zeigt, dass die Prophylaxe den Praxisgewinn um etwa 48.000 EUR pro Jahr erhöhen kann. Der Experte verwies aber darauf, unbedingt die eigene Arbeitszeitveränderung als entscheidenden Faktor mit einzukalkulieren.
Im Bereich der Praxisabgabe gibt es zunehmend Herausforderungen. Weniger junge Zahnärzte entscheiden sich für eine eigene Niederlassung, was die Nachfolgersuche erschwert. Eine mögliche Alternative stellt die Übergangs-BAG dar, bei der der Abgeber und ein Übernehmer für eine gewisse Zeit gemeinsam die Praxis führen.
4. Tendenzen in der Gesundheitswesen-Beratung
Über Tendenzen im Gesundheitswesen und Konsequenzen für die Berater machte sich Janine Peine Gedanken. Im ambulanten Gesundheitswesen sinkt der Anteil niedergelassener Ärzte weiter. Bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten war zuletzt eine Anzahl von 102.584 in Deutschland tätig, davon waren 72.853 zahnärztlich aktiv, 44.599 in eigener Praxis und 28.254 im Angestelltenverhältnis. Im Jahr 2023 betrug der Anteil weiblicher Absolventen in der Zahnmedizin zwei Drittel und der Anteil weiblicher Studienanfänger 73 %.
4.1 Mehr Aufgaben für Apotheken, Aufwertung der Therapie
Auch bei den Apotheken sinkt die Anzahl weiter. Die Expertin betonte eine mögliche künftige Rolle der Apotheken als Gesundheitsberatungscenter, die aktuell schon Impfleistungen anbieten können. Therapeutenberufe erleben einen Wandel mit Vergütungssteigerungen in allen Bereichen. Die Blankoverordnung wurde für Ergotherapie seit dem 1.4.24 und für Physiotherapie seit dem 1.11.24 eingeführt, ist dort aktuell aber nur bei Schultererkrankungen möglich. Gerade verabschiedet wurde eine Honorarerhöhung für Physiotherapeuten um rund 4 %.
4.2 Beratung von Pflegeunternehmen
Als äußerst attraktiv für die Beratung qualifizierte die Expertin die ambulante Pflege: Sie stehe zwar vor großen Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel, erlebe aber auch eine zunehmende Digitalisierung. Sie verwies auf einige besonders erfolgreiche Pflegeunternehmen, die „allesamt ihre Zahlen verstanden hätten“, so die Expertin.
Die Krankenhausstrukturreform betrifft aktuell rund 1.700 Krankenhäuser, wobei ein Drittel der Betten nicht belegt ist. Es sollen 65 Leistungsgruppen an Krankenhäuser vergeben werden, und die Vergütung soll sich aus 60 % Vorhaltebudget und 40 % Behandlungsfällen zusammensetzen. Diese Entwicklung sei für die Beratung hochattraktiv, da der Übergang hin zur hybriden patientenorientierten Versorgung gestaltet werden müsse. Diesen Trend zu einer hybriden, patientenzentrierten Versorgung gebe es auch andernorts mit zunehmenden sektorenübergreifenden Kooperationen. Für die Beratung müsse vor allem das Sektorendenken überwunden werden.
5. Podiumsdiskussion
Die anschließende Diskussion widmete sich den Fragen der Teilnehmenden. Zunächst ging es um Coaching-Leistungen eines Psychotherapeuten. Jene seien nicht GOÄ-gebunden, klärte Prof. Dr. Halbe. Weitere Fragen drehten sich um den Datenschutz beim unverschlüsselten E-Mail-Versand von Diagnosen, die ideale Form der Praxisübertragung und die Meldepflicht für Kassensysteme. Neben den fachlichen Fragen standen auch Prof. Dr. Halbes Thesen zur Entbudgetierung erneut zur Debatte. Er wiederholte, dass der Geldtopf nicht größer würde und das Plus ja irgendwo herkommen müsse. Größeren Raum in der Diskussion nahmen Fragen zur Sozialversicherungspflicht in unterschiedlichen Konstellationen ein.
6. Gestaltungen für Arztpraxen
6.1 Was spricht für eine GmbH?
Über „Gestaltung in der Arztpraxis ‒ was ist rechtlich und steuerlich möglich?“ machten sich Gerrit Tigges und Joachim Blum Gedanken.
Grundsätzlich erklärten sie erst einmal: Die Heilberufler-GmbH erfordere u. a., dass ihr ausschließlicher Gegenstand die Heilkunde ist und Gesellschafter den Beruf persönlich ausüben; MVZ könnten in verschiedenen Rechtsformen gegründet werden, unter ärztlicher Leitung stehen und von bestimmten Trägern gegründet werden. Für Privatkliniken sei eine Konzession nötig, wobei Gesellschafter und Geschäftsführer keine Ärzte sein müssen, aber eine ärztliche Leitung erforderlich ist.
Beweggründe für eine Heilberufler-GmbH seien u. a. die niedrigere Steuerbelastung bei der Thesaurierung von etwa 30 %, wobei bei Vollausschüttung die Belastung höher sein kann. Bei Gründung einer Heilberufler-GmbH neben der Praxis bestehen steuerliche Risiken bei gemeinsamer Nutzung von Ressourcen oder Übertragung des Patientenstamms. Die Betriebsaufspaltung droht bei Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen. Eine Praxisgemeinschaft kann zur Vermeidung der Umsatzsteuerpflicht sinnvoll sein.
Die Gründung einer Holding für ein MVZ sei rechtlich umstritten und werde von den KV meist abgelehnt. Ein Treuhandmodell werde als Ausweichgestaltung diskutiert, berge aber steuerliche und berufsrechtliche Risiken. Die Gesamtsteuerbelastung mit Holding könne bei Vollausschüttung etwa 49 % betragen.
Eine Praxiserweiterung bei Zulassungssperren ist durch Sitzteilung, Jobsharing mit Leistungsmengenbegrenzung, Sonderbedarfszulassung, Entlastungs- oder Weiterbildungsassistenz möglich. Bei angestellten Ärzten in einer Praxis ist die Gewerbesteuerpflicht ein wichtiges Thema. Der Investitionsabzugsbetrag (IAB) könne zur Verlustvermeidung bei Praxisneugründung genutzt werden, z. B. durch freiwillige Bilanzierung im Vorjahr. In einem Berechnungsbeispiel können durch IAB oder Bilanzierung rund 10.000 EUR Steuern gespart werden.
6.2 Nachfolge in der BAG
Jonas Kaufhold und Christoph Gasten beschäftigten sich im Anschluss mit Nachfolgen in der (ü)BAG und wie sich diese steuerlich und rechtlich sicher gestalten lassen.
Die Auflösung einer Gesellschaft könne steuerliche Folgen haben, insbesondere durch echte oder unechte Realteilung. Bei der echten Realteilung sei eine Betriebsaufgabe nötig, es erfolge ein zwingender Buchwertansatz, und es gelte eine dreijährige Sperrfrist für übertragene einzelne Wirtschaftsgüter. Bei der unechten Realteilung bestehe die Gesellschaft fort, der Buchwertansatz sei ebenfalls zwingend und die Sperrfrist gelte nur für den Ausscheidenden.
Das Umsatzsteuerrisiko bei der Übertragung von Anteilen oder der Praxis sei immer zu prüfen. Die Schenkungsteuer könne relevant werden, wenn der Wert des Gesellschaftsanteils beim Ausscheiden aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen den Abfindungsanspruch übersteige. Hierbei sei ein subjektiver Bereicherungswille nicht notwendig. Die Experten empfehlen daher separate Kauf- oder Austrittsverträge. Beim Ausscheiden durch Tod und späterem Wiedereintritt kann es zur Vermengung der Anteile und zur Realisierung von Veräußerungsgewinn kommen, was durch Anwendung von § 24 UmwStG vermieden werden kann.
7. Brennpunkt Umsatzsteuer in der Pflege
Dem „Brennpunkt Umsatzsteuer in der Pflege“ widmete sich Anja Schwinger. Sie erläuterte, dass § 4 Nr. 16 UStG Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, die eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, kognitiv oder psychisch hilfsbedürftiger Personen verbunden sind. Diese Steuerbefreiung gilt sowohl im Bereich der gesetzlichen Versicherungen als auch bei Vorliegen eines privaten Versicherungsschutzes. So können beispielsweise Leistungen eines Unternehmers an eine Krankenkasse mit Vertrag nach § 132 SGB V steuerfrei sein, ebenso wie identische Leistungen an hilfsbedürftige Privatversicherte und an eine Krankenkasse ohne entsprechenden Vertrag.
Betreibt ein Unternehmer sowohl ein Pflegeheim als auch einen Integrationsfachdienst, muss die Steuerbefreiung für beide Bereiche gesondert nachgewiesen werden. Auch wenn z. B. mit einer Krankenkasse ein Leistungspaket mit einmaliger Hilfe beim Baden vereinbart wurde, diese Hilfe aber nicht nur einmal, sondern fünfmal geleistet wurde, bleibt sie steuerfrei. Für stationäre Pflegeeinrichtungen greift die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. n UStG, wenn mindestens 25 % der Pflegefälle zu mindestens 50 % von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung vergütet werden.
8. Bewertung großer Einheiten ‒ Ertragswertmethode
Aktuelles zur Praxisbewertung stellte Peter Goldbach vor. Künftig sollen die Prozess- und Verwaltungsqualität, Digitalisierung und Datenschutz stärker in die Bewertung einfließen. Der neue IDW ES 1 stärke die Eigenverantwortung des Gutachters, unterscheide klarer zwischen Management- und Zukunftserfolgsplanung, führe neue Rollen ein und ermögliche die Einbeziehung plausibel erwarteter zukünftiger Maßnahmen.
Zudem werde ein plausibilisierter Entscheidungswert eingeführt und die Berücksichtigung von Synergien sowie steuerlichen Aspekten bei Kapital- und Personengesellschaften angepasst. Die modifizierte Ertragswertmethode wird nicht als sachgerechte Modifikation des IDW Standards angesehen. MVZ-GmbH und Großpraxen ab etwa 50 Mitarbeitenden und über 10 Mio. EUR Umsatz empfiehlt der Experte die klassische Ertragswertmethode, die eine umfangreichere Datenerhebung und idealerweise eine integrierte Unternehmensplanung mit Plan-GuV, Bilanz, Liquidität und Ausschüttungsplanung erfordert.
Die Kuchentheorie behandelt Abfindungen bei Mitnahme der KV-Zulassung, wobei der ausscheidende Gesellschafter sich entscheiden muss, ob er Patienten mitnimmt oder sich für deren Zurücklassung abfinden lässt. Aus Bewertungssicht wird der Praxiswert zum Stichtag auf Basis künftiger Umsätze und Kosten berechnet (neuer Kuchen). Der Mitnahmewert der Zulassung ist Gesellschaftsvermögen, wird aber isoliert bewertet, beispielsweise als Differenz zwischen altem und neuem Kuchen oder als immaterieller Vermögenswert. Die Mitnahme der Zulassung führt i. d. R. zu einer Minderung des Gesamtwerts. Allerdings liege das Problem eigentlich auf einer anderen Ebene, so der Experte. Klassische Streitpunkte vor Gericht seien Unstimmigkeiten im Vertrag.
PRAXISTIPP | Der 20. Kongress Praxis Ärzteberatung findet am 20.3.26 in Düsseldorf statt (www.kongress-praxis-aerzteberatung.de) |