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  • · Fachbeitrag · Firmenwagen und 1 %-Regelung

    Die Erschütterung des Anscheinsbeweises zur privaten Mitnutzung eines betrieblichen Kfz

    von StB Christian Herold, Herten, www.herold-steuerrat.de

    | Eine Reihe jüngerer Entscheidungen befasst sich mit der Erschütterung des Anscheinsbeweises der privaten Mitnutzung eines betrieblichen Kfz, wenn sich auch Fahrzeuge im Privatvermögen befinden. In aller Regel ist es für den Steuerpflichtigen schwierig, den Anscheinsbeweis zu widerlegen. Die in diesem Beitrag aufgeführten Entscheidungen geben zumindest etwas Anlass zur Hoffnung, dass sich die Beweislast langsam etwas zugunsten des Steuerpflichtigen verschiebt. |

    1. Grundsatz

    Für einen Firmenwagen, der sich im Betriebsvermögen befindet, will die Finanzverwaltung stets die 1 %-Regelung zur Versteuerung der ‒ angeblichen ‒ Privatnutzung anwenden, wenn kein Fahrtenbuch geführt worden ist. Dabei beruft sie sich auf den BFH (13.12.11, VIII B 82/11, Beschluss), wonach der „Beweis des ersten Anscheins“ für eine Privatnutzung eines Fahrzeugs spreche. Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden betriebliche Fahrzeuge, die auch zur Nutzung für private Zwecke zur Verfügung stehen, tatsächlich auch privat genutzt.

     

    Nach gegenwärtiger FG-Rechtsprechung kommt jedoch eine Erschütterung dieses „Anscheinsbeweises“ dann in Betracht, wenn für Privatfahrten ein weiteres Fahrzeug zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung steht. Voraussetzung für eine solche Entkräftung ist jedoch, dass dieses Privatfahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist. Aber auch wenn sich ein weiteres Kfz im Privatvermögen befindet, verzichtet der Fiskus zumeist nicht auf die Versteuerung des Privatanteils.

     

    • Beispiel

    Im vergangenen Jahr hatte das FG Niedersachsen (20.3.19, 9 K 125/18) diesbezüglich entschieden, dass eine Privatnutzung für einen VW Touareg auch dann anzunehmen ist, wenn sich im Privatvermögen ein Opel Corsa befindet. Denn die Fahrzeuge seien in Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar ‒ und darauf komme es entscheidend an.

     

    Wenn sich im Privatvermögen hingegen ein Volvo XC 90 befindet, könne der Anscheinsbeweis der Privatnutzung des VW Touareg erschüttert werden. Allerdings sei dazu Voraussetzung, dass der Volvo dem Betriebsinhaber jederzeit und uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Werde der Volvo indes auch vom Ehepartner genutzt, so sei diese Voraussetzung nicht erfüllt.

     

    Beachten Sie | Wird kein Fahrtenbuch geführt, erfolgt die Versteuerung der ‒ unterstellten ‒ privaten Nutzung nach der 1 %-Regelung.

    2. FG Münster (21.3.18, 7 K 388/17 G,U,F)

    Ähnlich argumentiert auch das FG Münster. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

     

    • Sachverhalt

    Eine GmbH & Co. KG hielt im Betriebsvermögen einen BMW X3, den verschiedene Arbeitnehmer für Technikereinsätze, Botengänge, Auslieferungen und als Ersatzfahrzeug nutzten. Ein Fahrtenbuch wurde für das Fahrzeug nicht geführt. An der GmbH & Co. KG waren drei Kommanditisten (ein Vater und zwei Söhne) beteiligt. Dem Vater, der mit seiner Ehefrau in unmittelbarer Nähe zum Betriebsgelände lebt, standen im Streitzeitraum zunächst ein Mercedes S 420 und danach ein BMW 750 zur Verfügung. Seine Ehefrau fuhr ‒ bis sie gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage war, ein Fahrzeug zu führen ‒ einen BMW Z4.

     

    Einer der beiden Söhne wohnt unter derselben Adresse wie seine Eltern und ist ledig. Ihm stand während des gesamten Streitzeitraums ein BMW 320d Touring zur Verfügung, den er zunächst alleine nutzte und später mit den anderen Familienmitgliedern teilte. Ab diesem Zeitpunkt nutzte er zusätzlich einen BMW Z4. Der andere Sohn lebt mit seiner Familie ca. 7 km vom Betriebsgelände der Klägerin entfernt. Er nutzte einen BMW 530d Touring und seine Ehefrau zunächst einen Opel Corsa und später einen Citroën C3.

     

    Das FA versteuerte für den BMW X3 einen Privatanteil nach der 1 %-Regelung. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, dass allen Gesellschaftern ausreichend Fahrzeuge zur Verfügung gestanden hätten, die dem Betriebsfahrzeug in Status und Gebrauchswert zumindest vergleichbar seien. Die Ehefrauen hätten die den Gesellschaftern für private Fahrten zur Verfügung stehenden Fahrzeuge nicht genutzt.

     

    Aus der Entscheidung kann „Honig gesogen“ werden; denn das FG gab der Klage statt. Es war davon überzeugt, dass der BMW X3 tatsächlich nicht privat genutzt worden sei, denn den Kommanditisten hätten im Streitzeitraum in Status und Gebrauchswert zumindest vergleichbare Fahrzeuge zur Verfügung gestanden.

     

    Beachten Sie | Besonders eine Aussage lässt aufhorchen: „Schließlich hat der Beklagte (=FA) keine Umstände vorgetragen, die eine tatsächliche private Nutzung des BMW X3 durch die Gesellschafter der Klägerin oder deren erwachsene Angehörige belegen.“

    3. FG Niedersachsen (19.2.20, 9 K 104/19)

    Soeben hat sich das FG Niedersachsen intensiver mit der Frage auseinandergesetzt, welche Anforderungen an die Vergleichbarkeit in puncto Status und Gebrauchswert zu stellen sind. Das Urteil könnte für viele Unternehmer äußerst interessant sein, da es positiv ist (19.2.20, 9 K 104/19).

     

    • Sachverhalt

    Der alleinige Kommanditist einer GmbH & Co. KG nutzte einen recht neuen Pkw Fiat Doblo (Easy 2.0 16V Multijet Kastenwagen) für betriebliche Zwecke, insbesondere für tägliche Fahrten zu den Betriebsstätten. Das Kfz befand sich im Betriebsvermögen; ein Privatanteil wurde nicht versteuert. Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt.

     

    Das FA rügte den fehlenden Ansatz eines Privatanteils nach der 1 %-Regelung. Dass sich ein Mercedes Benz C 280 T (Baujahr 1997) im Privatvermögen des Kommanditisten befand, erschüttere den für die Privatnutzung sprechenden Anscheinsbeweis nicht, da dieses Fahrzeug weder in Bezug auf den Gebrauchswert (kein variables Sitzkonzept, geringeres Kofferraumvolumen, veraltete Technik aufgrund des Alters, höhere Laufleistung, geringerer Sicherheitsstandard, größere Reparaturanfälligkeit) noch im Hinblick auf den Status vergleichbar sei. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG Niedersachsen gab der Klage jedoch statt.

     

    Nach Auffassung des FG ist unter dem Begriff „Gebrauchswert“ der Wert einer Sache hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit und ihrer Eignung für bestimmte Funktionen und Zwecke (Nutzwert) zu verstehen. In diesem Zusammenhang könnten Umstände wie Motorleistung, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit und Ausstattung Berücksichtigung finden.

     

    Unter dem Aspekt des „Status“ eines Fahrzeugs seien dagegen vornehmlich Prestigegesichtspunkte zu berücksichtigen. Der Mercedes Benz C 280 T sei trotz des Alters, der weitaus höheren Laufleistung und des (veralteten) technischen Zustandes mit dem betrieblichen Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet in Status und Gebrauchswert mindestens vergleichbar.

     

    Beachten Sie | Mangels feststellbarer Privatnutzung war für die steuerliche Erfassung eines Privatanteils danach kein Raum.

    4. FG München (11.6.18, 7 K 634/17)

    Zu guter Letzt soll hier noch kurz ein Urteil des FG München vorgestellt werden, in dem es um eine GmbH ging. Kurz gesagt gilt danach in Bezug auf die untersagte Privatnutzung eines Kfz: „Einer GmbH muss das FA glauben“.

     

    Oder etwas ausführlicher: Bestreitet die GmbH eine private Nutzung eines zu ihrem Betriebsvermögen gehörenden Kfz (hier eines Mercedes) und steht dem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer für private Fahrten ein anderes, privates Fahrzeug von Mercedes zur Verfügung, das dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist bzw. einen höheren Gebrauchswert hat, ist nach den Grundsätzen des BFH (4.12.12, VIII R 42/09) der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des betrieblichen Pkw entkräftet. Zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) muss das FA eine private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs beweisen.

     

    • Sachverhalt

    Dabei gab der Sachverhalt durchaus Anlass zur Skepsis. Die Klägerin ist eine GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist das Betreiben von Bars, Restaurants und Clubs und die Beteiligung an solchen Unternehmen. Im Rahmen einer Betriebsprüfung war das FA der Auffassung, dass die beiden Fahrzeuge Mercedes Benz G500 und G290 nicht als Betriebsfahrzeuge anzuerkennen seien, da für den Betrieb der Bar grundsätzlich kein Fahrzeug notwendig sei. Alle Waren würden komplett angeliefert und für die restlichen kleineren Besorgungsfahrten sei ein weiterer Pkw im Betriebsvermögen vorhanden.

     

    Dagegen legte die GmbH Einspruch ein. Sie wandte sich gegen die Nichtanerkennung der Kosten des Mercedes Benz G290, bei dem es sich um ein Nutzfahrzeug handle und legte ein Foto des Fahrzeugs vor, welches zum Zweck einer rollenden Bar gekauft worden sei. Dieses Vorhaben sei jedoch aufgrund der Auflagen und der damit verbundenen Kosten unterlassen worden. Das Fahrzeug sei in der Zwischenzeit für Transport- und Reparaturfahrten, insbesondere im Rahmen diverser Umbauten, für Materialeinkauf und Schuttabfuhr genutzt worden. Im Übrigen habe der alleinige Gesellschafter für die Privatnutzung einen MB 230 GE gehabt, welcher auf ihn zugelassen gewesen sei. Somit habe für private Fahrten ein anderes Fahrzeug zur Verfügung gestanden, das dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sei bzw. einen höheren Gebrauchswert habe.

     

    Nach Ansicht des FG fehlten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vGA. Insbesondere sei nicht erkennbar gewesen, dass das Fahrzeug nicht von der Klägerin, sondern vom Gesellschafter für außerbetriebliche Zwecke genutzt wurde.

    5. Relevanz für die Praxis

    Die Urteile der Finanzrichter aus Münster, Hannover und München bedeuten letztlich eine ‒ zumindest kleine ‒ Verschiebung der Beweislast: Es reicht zumindest den FG nicht (mehr) aus, dass das FA eine Privatnutzung lediglich behauptet. Das FA muss schon den einen oder anderen Punkt vortragen, der auf eine tatsächliche Privatnutzung hinweist. Zugegebenermaßen handelt es sich jeweils um Einzelfallentscheidungen und es soll nicht verschwiegen werden, dass andere FG strenger urteilen (siehe z. B. FG Hamburg 6.2.18, 6 K 172/17) und der BFH in jüngster Zeit ohnehin vehementer auf die Führung eines Fahrtenbuchs als alleiniges Heilmittel verweist, um der 1 %-Regelung zu entgehen (siehe z. B. BFH 12.6.18, VIII R 14/15).

     

    FAZIT | Unternehmer sollten die Privatnutzung ihres Firmenwagens in ähnlich gelagerten Fällen nicht hinnehmen und sich gegen ablehnende Bescheide zur Wehr setzen. Sie sollten dem FA ‒ und später gegebenenfalls dem FG ‒ darlegen, warum die betroffenen Kfz in „Gebrauchswert“ und „Status“ vergleichbar sind.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2020 | Seite 207 | ID 46574374

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