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Fehlerhafte Einnahmenaufzeichnungen bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
| Die Aufzeichnungspflichten für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG folgen bereits aus §§ 140 ff. AO . Des Weiteren gilt für den unternehmerisch tätigen Einnahmenüberschuss-Rechner § 22 UStG (i.V. mit §§ 63 ff. UStDV ) und zwar unabhängig davon, welche Arten von Umsätzen getätigt werden. Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht zwar grundsätzlich keine Pflicht zum Führen eines Kassenbuchs. Entscheidend ist, dass die für die Besteuerung maßgeblichen Vorgänge vollständig erfasst werden. Insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben ist es zur Vermeidung der Einnahmeneinzelaufzeichnung aber kaum zu umgehen, ein detailliertes Kassenkonto oder ein Kassenbuch zu führen. ( FG Saarland 21.6.12, 1 K 1124/10, nrkr.) |
Die Klägerin betrieb ein Kosmetikinstitut. Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. 2007 fand bei der Klägerin für 2003 bis 2005 eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer beanstandete die Aufzeichnungen und nahm erhebliche Zuschätzungen zu den Betriebseinnahmen vor. Und auch das FG Saarland kam zu dem Ergebnis, dass die Aufzeichnungen der Klägerin der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Sie ließen nicht erkennen, ob die Einnahmen zutreffend erfasst worden sind. Die Klägerin war zum Nachweis ihrer Einnahmen gehalten, entsprechende Aufzeichnungen zu führen oder Belege zu fertigen. Beides ist nicht geschehen. Die von ihr geführten Unterlagen vermitteln nicht den Eindruck, dass die Betriebseinnahmen vollständig erfasst sind.
Aufzeichnungspflichten für die Einnahmenüberschuss-Rechnung
Die gesetzlich normierten Aufzeichnungspflichten für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG folgen bereits aus §§ 140 ff. AO, die nicht nur die buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen betreffen. Dies folgt zweifelsfrei aus der Kapitelüberschrift (und der entsprechenden Bezeichnung in den einzelnen Vorschriften) „Führung von Büchern und Aufzeichnungen”. „Aufzeichnungen” sind alle Unterlagen, die nicht aufgrund der Buchführungspflicht angelegt werden bzw. anzulegen sind. So gelten beispielsweise die Ordnungsvorschriften der §§ 146, 147 AO auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (z.B. BFH 26.2.04, XI R 25/02 zur Aufbewahrungspflicht von Schichtzetteln im Taxigewerbe). Des Weiteren gelten für den unternehmerisch tätigen „4-III-Rechner” die Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG i.V.m. §§ 63 ff. UStDV, und zwar unabhängig davon, welche Arten von Umsätzen getätigt oder erwartet werden (Bunjes/Geist/Heidner, UStG, 9. Auflage, München 2009, § 22 Rdn. 3). Die sich aus einem Steuergesetz - z.B. § 22 UStG - ergebende Aufzeichnungspflicht gilt für alle Besteuerungszwecke (BFH 2.3.82, VIII R 225/804) und damit auch für die Einkommensteuer.
Führen eines Kassenbuchs
Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht zwar grundsätzlich keine Pflicht zum Führen eines Kassenbuchs. Eine Regelung, dass vereinnahmte Barentgelte gesondert in einem Kassenbuch aufzuzeichnen sind, enthalten auch § 22 UStG und die UStDV nicht. Bei der Einnahmenüberschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG gibt es keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Entscheidend ist, dass die für die Besteuerung maßgeblichen Vorgänge vollständig erfasst werden (BFH 16.2.06, X B 57/05). Hieraus folgt aber nicht, dass der „4-III-Rechner” von jeglichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten befreit wäre (Becker/Wiethölter, StBp 2006, 377 ff.). Insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben ist es zur Vermeidung der Einnahmeneinzelaufzeichnung kaum zu umgehen, ein detailliertes Kassenkonto oder ein Kassenbuch zu führen (FG Sachsen 4.4.08, 5 V 1035/07; FG Saarland 13.1.10, 1 K 1101/05).
Aufbewahrungspflicht für Belege
Auch die Überschussrechnung setzt voraus, dass die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden. Einnahmen sind einzeln aufzuzeichnen. Dem Grundsatz nach gilt das auch für Bareinnahmen; die Tatsache der sofortigen Bezahlung der Leistung rechtfertigt nicht, die jeweiligen Geschäftsvorfälle nicht einzeln festzuhalten. Aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität besteht die Pflicht zur Einzelaufzeichnung jedoch nicht für Einzelhändler (und vergleichbare Berufsgruppen), die im Allgemeinen Waren an ihnen der Person nach unbekannte Kunden über den Ladentisch gegen Barzahlung verkaufen. Auch Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, sind verpflichtet, die ihrer Gewinnermittlung zugrunde liegenden Belege aufzubewahren. Eine solche Aufbewahrungspflicht ergibt sich in der Regel aus § 147 AO, aber auch aus der den Steuerpflichtigen obliegenden Feststellungslast. In Fällen, in denen Steuerpflichtigen eine Einzelaufzeichnungspflicht nicht zugemutet werden kann, muss die Einnahmeermittlung - z.B. bei Einsatz von Registrierkassen durch Erstellung und Aufbewahrung der Kassenendsummenbons - nachvollziehbar dokumentiert und überprüfbar sein. Die (ggf. freiwillige und im eigenen Interesse liegende) Aufbewahrung aller Belege ist im Regelfall notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass nicht nur die geltend gemachten Betriebsausgaben als durch den Betrieb veranlasst angesehen werden, sondern auch die Betriebseinnahmen vollständig erfasst sind. Nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege verdient eine Einnahmenüberschussrechnung Vertrauen und kann für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen (BFH 7.2.08 X B 189/07; BFH 24.6.09, VIII R 80/06).
Verwendung von Formblättern/Programmen der Fa. Datev
Die Aufzeichnungen, die für 2003 handschriftlich auf dem Formblatt „Kasse” der Fa. Datev und für 2004 und 2005 in elektronischer Form („Kassenerfassung” für Office der Fa. Datev) erfolgt sind, weisen zwar Tageseinnahmen jeweils als Summenzahlen für „Behandlung” und „Verkauf” aus. Diesen Eintragungen sind jedoch keine Belege (Kassenendbons u.ä.) beigefügt, aus denen erkennbar wäre, wie die Summen der Einnahmen ermittelt worden sind. Insbesondere sind die Einnahmen nicht durch eine Ermittlung der tatsächlichen Bargeldbestände am Tagesende und deren Abgleich mit dem Anfangsfangsbestand und den aus der Kasse getätigten Tagesausgaben festgestellt worden. Die in den „Kassenaufzeichnungen” enthaltenen Bestände sind vielmehr ihrerseits durch Fortschreibung der täglichen Einnahmen und Ausgaben rechnerisch ermittelt worden. Wie die Einnahmen - getrennt nach „Verkauf” und „Behandlung” - ermittelt worden sind und ob diese zutreffen, kann auch ein sachverständiger Dritter nicht feststellen, gleichviel, welchen Zeitaufwand er für diese Prüfung investiert. Auch die Klägerin hat hierzu weder während der Prüfung, noch im Einspruchsverfahren, noch in ihren Schriftsätzen des Klageverfahrens nachvollziehbare Angaben gemacht. Der Hinweis, dass die Einnahmen ab 2004 durch das elektronische Kassenbuchsystem der Fa. Datev festgehalten worden seien, besitzt in diesem Zusammenhang keinen Erklärungswert. Zudem ist den Kassenaufzeichnungen nicht zu entnehmen, wann und durch wen sie erstellt und verbucht worden sind. Lediglich den Kassenblättern für Oktober bis Dezember 2003 ist ein Buchungsdatum beigefügt, nämlich der 10. Februar 2004. Die „Kassenerfassung für Office” weist das Datum des Ausdrucks aus (z.B. die Aufzeichnungen für 2005 am 30.7.07). Dieses Vorgehen, das die Höhe der ausgewiesenen Einnahmen letztlich in das unüberprüfbare Ermessen der Klägerin stellt, entspricht nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Einnahmenermittlung von „4-III-Rechnern”.