Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Nachricht · Wirtschaftlichkeitsprüfung

    Individuelle Beratung muss mehr sein als die Begründung der Überschreitungen und möglichen Einsparpotenziale im Bescheid

    von RA, FA für MedR und Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Die individuelle Beratung (früher § 106 Abs. 5e SGB V ‒ nun § 106b Abs. 2 SGB V) hat zusätzlich zu der ohnehin nach § 35 Abs. 1 SGB X notwendigen Begründung der Überschreitungen und möglichen Einsparpotenziale im Widerspruchsbescheid zu erfolgen. Die Trennung der Beratung in eine Festsetzung im Prüf- bzw. Widerspruchsbescheid und der verwaltungsmä- ßig gesondert durchgeführten Umsetzung in einem nachfolgenden Beratungsgespräch bzw. einem Angebot zu einem solchen ist nicht zu beanstanden (LSG Bayern 26.7.17, L 12 KA 13/16). |

     

    Sachverhalt

    Gegen eine allgemeinärztliche Gemeinschaftspraxis wurde in einer Richtgrö- ßenprüfung bezüglich der Arzneimittelverordnungen wegen Überschreitung des Richtgrößenvolumens um 26,12 % mit Bescheid vom 17.12.08 ein Regress in Höhe von ca. 5.800 EUR festgesetzt. Dem Widerspruch gab der Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom 8.7.14 insoweit statt, als statt des Regresses eine individuelle Beratung nach § 106 Abs. 5e SGB V a. F. festgesetzt wurde, da es sich um eine erstmalige Überschreitung um mehr als 25 % handele. Die Beratung sollte mit der Zustellung des Widerspruchbescheids erfolgen. Dagegen klagten die Ärzte. Die Festsetzung der Beratung selbst monierten sie nicht. Aufgehoben werden solle der Widerspruchsbescheid aber insoweit, als die Beratung mit der Zustellung des Widerspruchbescheids erfolgt sein solle. Dieser unterscheide sich inhaltlich nicht von den üblichen schriftlichen Beratungen der Prüfgremien nach § 106 Abs. 5a S. 1 SGB V a. F. Konkrete Darlegungen zu betragsmäßigen Einsparpotenzialen, geschweige denn zielführende Lösungsansätze lasse der Bescheid vermissen. An eine „individuelle Beratung“ seien höhere Anforderungen zu stellen.

     

    • Formulierung laut Sachverhalt

    Bei einer erstmaligen Überschreitung des Richtgrößenvolumens war nach § 106 Abs. 5e SGB V a. F. statt eines Regresses eine individuelle Beratung festzusetzen. Ein Regress konnte sodann bei künftiger Überschreitung erstmals für den Prüfzeitraum nach der Beratung festgesetzt werden. Der so fixierte Grundsatz „Beratung vor Regress“ hat ‒ wie vorliegend ‒ viele Streitverfahren nach sich gezogen.

     

    Der Beschwerdeausschuss erwidert, dass die Beratung über ein Verordnungsverhalten, das fast 10 Jahre zurückliege, nicht zielführend sei, sondern bloße Förmelei. Da somit jedenfalls mit Zustellung des Bescheids im Juli 2014 die Beratung erfolgt sei, ende der „Regressschutz“ mit Ablauf des Quartals III/2014. Das Sozialgericht entschied zugunsten der Ärzte. Die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeausschusses blieb ohne Erfolg.

     

    Anmerkungen

    Die individuelle Beratung könne sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeausschusses nicht in den Ausführungen des Prüfbescheids erschöpfen. Der Gesetzgeber habe das Ziel verfolgt, Ärzte nach erstmaligem Überschreiten des Richtgrößenvolumens nicht unmittelbar einem Regress auszusetzen, sondern ihnen über eingehende Beratung die Möglichkeit zu geben, ihr Verordnungsverhalten zu modifizieren.

     

    Ferner sei gesetzlich verankert, dass der betroffene Vertragsarzt die ihm angebotene Beratung ablehnen dürfe. Dies setze indes begrifflich bereits die Möglichkeit der Annahme oder Ablehnung voraus. Dies sei bei Zustellung eines isolierten Bescheids gerade nicht möglich.

     

    Markant sei im Übrigen, dass in der später abgeschlossenen Prüfvereinbarung verankert worden sei, dass die individuelle Beratung von der Prüfungsstelle vollzogen werde und in einem persönlichen, auf Wunsch des Arztes auch fernmündlichen Gespräch stattzufinden habe. Lehne der Arzt die Beratung ab, werde dies in einem gesonderten Bescheid fixiert. Mit dieser (später getroffenen) Regelung werde also genau das kodifiziert, was der Beschwerdeausschuss vorliegend als „bloße Förmelei“ ablehne.

     

    Relevanz für die Praxis

    Das LSG stellt klar, was an sich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Eine individuelle Beratung muss individuell und gesondert vom eigentlichen Prüfbescheid erfolgen. Der Prüfbescheid ist in seinen Ausführungen zur Unwirtschaftlichkeit sicherlich Grundlage des Beratungsgesprächs. Die Beratung hat sich indes auch auf das Gesamtverordnungsverhalten des Arztes zu beziehen. Die bundesweit insoweit anzutreffenden Versuche der Prüfgremien, hier auf unterschiedlichsten Wegen eine „individuelle Beratung“ herbeizuführen, sind illuster. Das LSG tritt dem zu Recht entgegen.

    Quelle: ID 45333893

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents