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  • · Fachbeitrag · Vorweggenommene Erbfolge

    Gibt es wiederkehrende Leistungen ohne Zinsanteil?

    von RiFG Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

    | Bei der Veräußerung einer freiberuflichen Praxis gegen Kaufpreisraten oder wiederkehrende Leistungen ist wichtig, in welcher Höhe im Veräußerungsjahr ein Gewinn nach § 16 EStG entsteht und in den späteren Jahren steuerpflichtige Zinsen anfallen, denn die Gegenleistung ist in einen Tilgungs- und in einen Zinsanteil aufzuteilen. Wenn jedoch die Tilgungsanteile in Summe genau dem Wert des übertragenen Vermögens entsprechen, wie ist dann die Übertragung steuerlich zu beurteilen? |

    1. Wiederkehrende Leistungen versus Kaufpreisraten

    Das FG Düsseldorf (22.10.14, 7 K 451/14 E; Rev. BFH VIII R 55/14) hat in einer aktuellen Entscheidung die Ansicht vertreten, dass in bestimmten Fällen trotz Veräußerung gegen Kaufpreisraten kein Zinsanteil in den Folgejahren entstehe. Werde die Höhe der monatlich zu entrichtenden Rate allein aus einer Aufteilung des Werts des Vermögensgegenstands errechnet, komme es bei den Zahlungsempfängern zu keinem Zinszufluss, sodass kein Zinsanteil (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) anzusetzen sei.

     

    • Beispiel: Übergabe einer Steuerberaterpraxis

    Steuerberater V (65 Jahre) ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich und übergibt zum 31.12.14 an seinen Sohn S seine Steuerberatungspraxis. Zu zahlen sind auf die Dauer von 30 Jahren jährlich nachschüssig 24.000 EUR, insgesamt also 720.000 EUR. Der Wert der Steuerberatungspraxis beträgt unstreitig (laut Gutachten) genau 720.000 EUR, die Summe der Buchwerte (= Kapitalkonto) beträgt 200.000 EUR. Eine besondere Begründung hinsichtlich der Motivation für die Stundung der Raten enthält der Vertrag nicht. Wie ist die Übertragung steuerlich zu bewerten?

     

    Die Veräußerung der Steuerberatungspraxis fällt dem Grunde nach unter § 18 Abs. 3 S. 2 EStG i.V. mit § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Es liegt eine Veräußerung vor. Die Raten sind nicht als private Versorgungsleistungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu beurteilen da keine Zahlungen auf Lebenszeit vereinbart wurden und zudem eine Veräußerung offenbar von den Beteiligten gewollt war. Eine insgesamt unentgeltliche Übertragung liegt nicht vor. Zu versteuern ist die Differenz zwischen Veräußerungspreis und Kapitalkonto. Als Veräußerungspreis ist bei wiederkehrenden Leistungen der mit 5,5 % abgezinste (Renten)Barwert anzusetzen, während der Zinsanteil bei Leibrenten nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG (Ertragsanteil) bzw. bei dauernden Lasten nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG anzusetzen ist. Eine gestundete Kaufpreisforderung ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns mit dem gemeinen Wert anzusetzen (BFH 19.1.78, BStBl II 78, 295). Im Beispiel wären die Zinsanteile nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG anzusetzen.

    2. Auffassung von BFH und Verwaltung

    Im Beispiel wurden Kaufpreisraten vereinbart, die über einen Zeitraum von 30 Jahren zu zahlen sind. Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen einen in Raten zu zahlenden Kaufpreis, sind die Grundsätze der R 16 Abs. 11 S. 1 bis 9 EStR (Wahlrecht zwischen Sofortversteuerung und Zuflussbesteuerung) mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelten Barwerts der Rente der Barwert der Raten tritt, wenn die Raten während eines mehr als zehn Jahre dauernden Zeitraums zu zahlen sind und die Ratenvereinbarung sowie die sonstige Ausgestaltung des Vertrags eindeutig die Absicht des Veräußerers zum Ausdruck bringen, sich eine Versorgung zu verschaffen (BFH 23.1.64, BStBl III, 64, 239 und BFH 12.6.68, BStBl II, 68, 653 sowie H 16 Abs. 11 EStH - Ratenzahlungen).

     

    Da eine Absicht des Veräußerers, sich eine Versorgung zu verschaffen, im Vertrag nicht zum Ausdruck gekommen ist, besteht kein Wahlrecht dahingehend, die Zahlungen nach § 15 i.V. mit § 24 Nr. 2 EStG nachträglich mit Zufluss zu besteuern.

     

    PRAXISHINWEIS | Auch bei der Zuflussbesteuerung muss (bei Betriebsveräußerungen seit VZ 2004) ebenfalls jährlich der in den jeweiligen Raten enthaltene Zinsanteil versteuert werden (vgl. R 16 Abs. 11 S. 6 ff. EStR).

     
    • Gewinnberechnung

    Gemeiner Wert der Gegenleistung

    (24.000 EUR Jahresleistung x 14,933 (Vervielfältiger bei Ratenzahlung für 30 Jahre):

    358.392 EUR

    ./. Wert des Betriebsvermögens (= Kapitalkonto)

    - 200.000 EUR

    Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 2 EStG

    158.392 EUR

     

    Der Gewinn ist nach der Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG) oder - alternativ, da V das 55. Lebensjahr vollendet hatte - nach § 34 Abs. 3 EStG (ermäßigter Steuersatz) begünstigt. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG kommt nur gekürzt zur Anwendung, da der Gewinn 136.000 EUR um 22.392 EUR übersteigt (§ 16 Abs. 4 S. 3 EStG).

     

    Der Vater muss ab VZ 2015 mit Zufluss der Raten einen Zinsanteil nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG versteuern. Der Zinsanteil ist zu ermitteln, indem nach Tabelle 2 zu § 12 BewG der jeweilige Tilgungsanteil bestimmt wird. Für 2015 ergibt sich:

     

    Gegenwartswert 31.12.14:

    358.392 EUR

    ./. Gegenwartswert 31.12.15: 24.000 EUR X 14,727 (Vervielfältiger bei einer Laufzeit von 29 Jahren):

    - 353.448 EUR

    Tilgungsanteil

    4.944 EUR

    2015 zu versteuernder Zinsanteil (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG):

    24.000 EUR ./. 4.944 EUR =

    19.056 EUR

     

    Eine entsprechende Berechnung ist für die VZ 2016 ff. vorzunehmen.

     

    3. Auffassung des FG Düsseldorf

    Das FG Düsseldorf entschied in einem Fall, in dem die Eltern an Sohn und Schwiegertochter ein Grundstück verkauften und der Kaufpreis über 31 Jahre in monatlichen Raten (gekoppelt an die Entwicklung des Preisindexes für die Lebenshaltung) zu entrichten war. Das FG verneinte einen entgeltlichen Leistungsaustausch hinsichtlich des fiktiven Zinsanteils zwischen Eltern (Kläger) und Käufern. Die über den gesamten Zeitraum geleisteten Zahlungen hätten in etwa dem Nennwert der Kapitalforderung entsprochen. Die wiederkehrenden Zahlungen konnten nach Ansicht des FG also keinen Zinsanteil enthalten. Hätten die Eltern den Gegenwert sofort als Einmalbetrag erhalten und zinsbringend angelegt, hätte sich diese Summe durch Zins und Zinseszins, gerechnet auf die Laufzeit von 31 Jahren, gegenüber dem tatsächlichen Wert erheblich erhöht. Monatliche Zahlungen, die dem Rechnung tragen, hätten daher deutlich höher ausfallen müssen als die von den Klägern vereinnahmten Beträge. Die Eltern haben den Kindern danach kein Kapital entgeltlich überlassen, weswegen es auch nicht zur Zinspflicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gekommen sei.

     

    • Anwendung auf das Beispiel

    Folgt man der Auffassung des FG Düsseldorf, entsteht im VZ 14 folgender Gewinn nach § 16 Abs. 2 EStG:

     

    Veräußerungspreis (= Summe nicht abgezinster Kaufpreisraten):

    720.000 EUR

    ./. Wert des Betriebsvermögens (= Kapitalkonto)

    - 200.000 EUR

    Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 2 EStG

    520.000 EUR

     

    Der deutlich höhere Gewinn ist nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG oder alternativ nach § 34 Abs. 3 EStG (ermäßigter Steuersatz) begünstigt. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG kommt hier im Hinblick auf § 16 Abs. 4 S. 3 EStG (s.o.) nicht zur Anwendung. V müsste ab VZ 2015 nach dieser Auffassung keinen Zinsanteil nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG versteuern, hätte aber einen höheren (nach § 34 EStG begünstigten) Veräußerungsgewinn zu versteuern.

     

    4. Stellungnahme

    Erforderlich für eine Steuerbarkeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist die Überlassung von privatem Geldvermögen an Dritte. Diese liegt insbesondere im Falle von Veräußerungsgeschäften auch ohne Vereinbarung von Zinsen vor, wenn die Gegenleistung über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr gestundet wird. Die Gestattung langfristiger Ratenzahlung zur Tilgung einer Schuld stellt eine Kreditgewährung durch den Gläubiger dar. Denn nach dem Gedanken von § 12 Abs. 3 BewG ist bei Stundung über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ein Zinsanteil in den Zahlungen enthalten.

     

    Die unter Tz. 3 dargelegte Lösung auf Grundlage der Entscheidung des FG Düsseldorf überzeugt vor diesem Hintergrund m.E. nicht. Das FG verweist auf zwei jüngere Entscheidungen des BFH bezüglich der Frage der Versteuerung eines Zinsanteils bei wiederkehrenden Leistungen.

     

    Der BFH hatte entschieden, dass allein der Umstand, dass eine Leistung nicht in einem Betrag, sondern in wiederkehrenden Zahlungen zu erbringen ist, deren Steuerbarkeit nicht begründet (BFH 9.2.10 VIII R 43/06, BStBl II 10, 818 und BFH 9.2.10 VIII R 35/07). Die Beteiligten hatten allerdings bei den - diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten - erbrechtliche Verträge, die der Regulierung der Vermögensnachfolge und ihrer Modalitäten im Todesfall des potenziellen Erblassers dienten, abgeschlossen. In den BFH-Sachverhalten ging es um einen vor Eintritt des Erbfalls erklärten Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht. Derartige Verträge werden durch einen unentgeltlichen Charakter geprägt (BFH 9.2.10, VIII R 35/07, BFH/NV 10,1793). Verzichtet ein (erbberechtigtes) Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält dafür im Gegenzug von den Eltern wiederkehrende Zahlungen, liegt kein entgeltliches Geschäft vor, sodass die wiederkehrenden Zahlungen keinen Zinsanteil enthalten. Auch der BGH (3.12.08, IV ZR 58/07, NJW 09, 1143, unter II.3.b) bewertet derartige Verträge als unentgeltlich. Liegt kein (entgeltlicher) Leistungsaustausch vor, kann in der Folge keine Kapitalüberlassung des Kindes an die Eltern angenommen werden, sodass in den wiederkehrenden Zahlungen auch kein einkommensteuerbarer Zinsanteil enthalten ist.

     

    • Anwendung auf das Beispiel

    Im Ausgangsfall sollte nach dem Willen der Beteiligten aber gerade keine unentgeltliche, sondern eine entgeltliche Übertragung durchgeführt werden. Der Irrtum der Beteiligten darüber, dass sie statt eines voll entgeltlichen eine nur teilentgeltliche Veräußerung vornehmen, ist m.E. unbeachtlich und führt aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht dazu, dass der in den Zahlungen - enthaltene - Zinsanteil den Verkäufern nicht zugerechnet wird.

     

    Dementsprechend hat auch der BFH nunmehr klargestellt, dass die Stundung einer Kaufpreisforderung für mehr als ein Jahr (im Streitfall aus einem Grundstücksverkauf) dazu führt, dass die im Zeitraum zwischen Besitzübergang und Fälligkeit des Kaufpreises zu zahlenden Raten einen Zinsanteil enthalten und die o.g. Rechtsprechung betreffend eines vor dem Erbfall erklärten Erbteilsverzichts nur bei Beurteilung als unentgeltlicher Vorgang anzuwenden ist (BFH 8.10.14, VIII B 115/13). Der BFH bestätigte bei dieser Gelegenheit zudem, dass der in § 12 Abs. 3 BewG vorausgesetzte Zinssatz von 5,5 % nicht zu beanstanden ist.

    5. Fazit

    Die vom FG Düsseldorf vorgeschlagene Lösung kann zwar bei der Berechnung der Gesamtsteuerbelastung - aufgrund der Privilegien des höheren Veräußerungsgewinns nach den §§ 16, 34 EStG - i.d.R. steuerlich günstiger gegenüber der Lösung der herrschenden Meinung sein. Sie überzeugt m.E. aber im Ergebnis nicht und widerspricht auch dem wirtschaftlichen Sachverhalt. Entsprechende Fallgestaltungen können dennoch nach § 363 Abs. 2 AO offengehalten werden (BFH VIII R 55/14). Im Hinblick auf den aktuell veröffentlichten Beschluss des BFH (8.10.14, VIII B 115/13) ist allerdings m.E. davon auszugehen, dass eine Revision des Beklagten (soweit sie eingelegt wird) erfolgreich ist.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2015 | Seite 133 | ID 43198051

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