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  • · Nachricht · Vorsteuer/Investitionsumsatz

    Vorsteuerabzug für die Gesellschaft, obwohl Rechnung auf Gründer ausgestellt war

    von StB Christian Herold, Herten, www.herold-steuerrat.de

    | Bei Sachgründung einer Ein-Mann-GmbH durch Sacheinlage eines PKW, der während des Bestehens der Vor-GmbH geliefert wird und den die Gesellschaft nach Gründung für ihre wirtschaftliche Tätigkeit ausschließlich unternehmerisch nutzt, steht nach dem Neutralitätsgrundsatz der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des PKW der Gesellschaft zu ‒ auch wenn die diesbezügliche Rechnung an den Gründungsgesellschafter adressiert ist‒, sofern der Gründungsgesellschafter selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Insofern hat umsatzsteuerlich eine personenübergreifende Zurechnung in der Unternehmensgründungsphase zu erfolgen (FG Niedersachsen 3.4.25, 5 K 111/24).

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin ist eine GmbH, die von Frau A als alleiniger Gesellschafterin gegründet wurde. A selbst war zuvor nicht unternehmerisch tätig gewesen. Laut Gesellschaftsvertrag vom April 2021 war eine Sachgründung der GmbH vorgesehen. Die Gesellschafterin sollte auf das Stammkapital eine Sacheinlage erbringen, indem sie einen in ihrem Eigentum stehenden Pkw auf die GmbH übereignet. Im Mai 2021 erwarb A diesen Pkw. Die Rechnung vom 7.5.21 war adressiert an Frau A. Im Juni 2021 wurde die GmbH im Handelsregister eingetragen. Das FA versagte den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Pkw, weil das Fahrzeug von A erworben worden sei und die Rechnung nicht auf die GmbH in Gründung lautete. Das FG Niedersachsen (3.4.25, 5 K 111/24) ist dem jedoch entgegengetreten und hat den Vorsteuerabzug zugelassen ‒ und zwar auf Ebene der GmbH.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Gesellschafterin A war nach Auffassung des FG nicht selbst Unternehmerin i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 UStG, und zwar auch nicht durch den Erwerb des Pkw und dessen Sacheinlage im Zusammenhang mit der Gründung der GmbH. Insofern unterscheidet sich der Streitfall aus Sicht des FG auch bereits vom Sachverhalt, der dem Urteil (EuGH 29.4.04, C-137/02) und der Nachfolgeentscheidung des BFH (15.7.04, V R 84/99) zugrunde lag, da dort mehrere von der Vorgründungsgesellschaft erworbene Gegenstände auf die neu gegründete Kapitalgesellschaft übertragen worden waren.

     

    Die Begründung knüpft vielmehr an eine andere Entscheidung des EuGH (1.3.12, C-280/10) an. Der hatte dort entschieden, dass entweder die Gesellschafter einer Gesellschaft oder die Gesellschaft selbst ein Recht auf Vorsteuerabzug für Investitionskosten haben, wenn die vor Gründung und Eintragung dieser Gesellschaft von den Gesellschaftern für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft getragen wurden (Investitionsumsatz).

     

    Zur Wahrung der Neutralität der Mehrwertsteuer ist der Vorsteuerabzug für Leistungsbezüge im Zusammenhang mit einem beabsichtigten Investitionsumsatz zu gewähren, auch wenn die Gesellschaft letztlich erst durch die Sachgründung und durch Erbringung der gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Sacheinlage (hier: in Form des Pkw) errichtet wurde. Insofern hat umsatzsteuerlich eine personenübergreifende Zurechnung in der Unternehmensgründungsphase zu erfolgen.

     

    Der Berechtigung zum Vorsteuerabzug steht es auch nicht entgegen, dass die Rechnung (hier: über den Pkw) an die Vorgesellschaft adressiert ist. Der EuGH (1.3.12, C-280/10) hat das als rein formalen Mangel gewertet, der nicht zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führt, weil dessen materielle Voraussetzungen erfüllt sind.

     

    Relevanz für die Praxis

    Bei einer juristischen Person können verschiedene Gründungsphasen unterschieden werden. In der Regel erfolgt die Gründung dreistufig. In der Zeit vor Abschluss des Gesellschaftsvertrags besteht die sog. Vorgründungsgesellschaft. Diese kann als GbR betrachtet werden, wobei deren einziger Zweck grundsätzlich die Vorbereitung der Tätigkeit der Kapitalgesellschaft ist. Wurde der Gesellschaftsvertrag anschließend notariell beurkundet, besteht die sog. Vorgesellschaft (Vor-GmbH). Sie ist notwendige Vorstufe zur Kapitalgesellschaft und eine Rechtsform eigener Art (sui generis) (vgl. Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, Stand: 13. Aufl. 9/2022, § 11 Rn. 30, m. w. N.). Erst nach Eintragung der Gesellschaft (§§ 11, 7 GmbHG) entsteht die juristische Person als solche. Die Rechtsprechung geht gesellschaftsrechtlich und ertragsteuerrechtlich von einer Identität zwischen der GmbH-Vorgesellschaft und der später eingetragenen GmbH jedenfalls dann aus, wenn die Eintragung im Handelsregister tatsächlich erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 2010 IV R 88/06, BFHE 228, 519, BStBl II 2010, 991).

     

    Auf das Umsatzsteuerrecht übertragen folgt hieraus die Berechtigung der GmbH zum Vorsteuerabzug auch aus Leistungsbezügen, die bereits die Vorgesellschaft bezogen und in Rechnung gestellt bekommen hat (vgl. Heidner in Bunjes, UStG, 23. Aufl. 2024, § 15 Rn. 57; Fleckenstein-Weiland in Wäger, UStG, 3. Aufl. 2024, § 15, Rn. 78; Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, Stand: 95. EL Juni 2022, § 15, Rn. 115).

     

    Beachten Sie | Insgesamt ist die Lösung zu begrüßen, dass der Vorsteuerabzug der GmbH gewährt wurde, obwohl die Rechnung auf Frau A lautete. Dennoch empfiehlt es sich in anderen Fällen, dass die (Vor-)GmbH selbst als Auftraggeber und Rechnungsempfänger auftritt und die (Sach-)Einlage gegebenenfalls auf anderem Wege erbracht wird. Auch hat das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt wurde, war bei Redaktionsschluss leider noch nicht bekannt.

    Quelle: ID 50573877