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  • · Nachricht · Verfahrensrecht

    Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist bei ressortfremden Grundlagenbescheiden

    | Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden, die nicht dem Anwendungsbereich der §§ 179 ff. AO unterliegen, bewirken eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO nur, wenn sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die betroffene Steuer erlassen worden sind ( BFH 21.2.13, V R 27/11 ). |

     

    Die Klägerin betrieb eine Ballettschule. Auf Antrag der Klägerin erteilte die Bezirksregierung im September 2004 der Klägerin eine Bescheinigung „gemäß § 4 Nr. 21 a bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vom 24. März 1999“, wonach die Ballettschule - je nach Studio mit unterschiedlichem Beginn in der Zeit zwischen 1971 bis 1995 - als Privatschule ordnungsgemäß auf einen Beruf als Ballettlehrer, Balletttänzer oder Musicaldarsteller vorbereite. Auf weiteren Antrag erteilte das Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Januar 2008 zudem eine Bescheinigung „nach § 4 Nr. 20 a UStG“ (gemeint ist § 4 Nr. 20 Buchst. b UStG mit Wirkung ab dem 1.1.73, wonach die Theater- und Schulaufführungen der Ballettschule die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG bezeichneten „öffentlichen Einrichtungen“ erfüllen. Die Klägerin beantragte daraufhin im September 2006 und im Februar 2008 die Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1972 bis 1992. Das FA lehnte dies ab und bekam vom BFH Recht.

     

    Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG (in der Fassung der Streitjahre 1972 bis 1992) sind u.a. die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Nach § 4 Nr. 20 Buchst. b UStG (in der Fassung der Streitjahre) sind befreit die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer, wenn die Darbietungen von den unter Buchst. a der Vorschrift bezeichneten Theatern, Orchestern, Kammermusikensembles oder Chören erbracht werden. Bei den für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 und Nr. 21 UStG erforderlichen Bescheinigungen der zuständigen Behörden handelt es sich um Grundlagenbescheide i.S. des § 171 Abs. 10 AO, die grundsätzlich Grundlage für eine Änderung bestandskräftiger Bescheide nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO sein können. Einer Änderung der bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide steht jedoch hier entgegen, dass die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer bei Erlass der Grundlagenbescheide der ressortfremden Behörde bereits abgelaufen war.

     

    § 171 Abs. 10 AO unterscheidet bei den die Ablaufhemmung auslösenden Bescheiden Feststellungsbescheide (§ 179 AO), Steuermessbescheide (§ 184 AO) und andere Verwaltungsakte (Grundlagenbescheide) bindend ist (Grundlagenbescheid). Grundlagenbescheide können von einer Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 AO) erlassen werden oder wie im Streitfall von einer anderen, ressortfremden Behörde.

     

    Bei ressortfremden Grundlagenbescheiden besteht im Anwendungsbereich des § 171 Abs. 10 AO eine Regelungslücke. Der BFH schließt diese Lücke, indem derartige Grundlagenbescheide ebenso wie die in § 171 Abs. 3, 4 bis 6, 9 und 13 AO ausdrücklich geregelten Sachverhalte nur dann eine Ablaufhemmung begründen, wenn die Bekanntgabe dieser Grundlagenbescheide noch vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist für die Steuer, für die der Grundlagenbescheid bindend ist, erfolgt. Der teleologischen Reduktion des § 171 Abs. 10 AO bei der Bekanntgabe ressortfremder Grundlagenbescheide steht die mit Wirkung ab 1.1.11 in Kraft getretene Neuregelung in § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 3 UStG nicht entgegen. Zwar gilt für die Erteilung der in § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG genannten Bescheinigung § 181 Abs. 1 und 5 AO entsprechend. Die erst nach den Streitjahren in Kraft getretene Neuregelung ist jedoch für die Beurteilung, ob nach der in den Streitjahren bis 1992 bestehenden Rechtslage eine Regelungslücke vorlag und ob der Gesetzgeber eine in den Streitjahren bestehende Regelungslücke für spätere Besteuerungszeiträume geschlossen hat, nicht von Bedeutung.

     

    Ohne Erfolg rügt die Klägerin, der Senat setze sich in Widerspruch zu „Regelungen im Anwendungserlass“ zu § 175 Abs. 1 S. 1 AO und den Umsatzsteuer-Richtlinien zu § 4 Nr. 21 UStG bzw. dem nachfolgenden Umsatzsteueranwendungserlass. Denn hierbei handelt es sich um norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, denen keine Rechtsnormqualität zukommt und die die Gerichte nicht binden.

    Quelle: ID 39784990