· Nachricht · Umsatzsteuerfreiheit
Leistungen auf der Grundlage einer nicht individualisierten Sammelverordnung sind nicht befreit
| Eine für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG notwendige ärztliche Verordnung ist auch in Form einer Sammelverordnung denkbar, in der eine Heilmaßnahme für mehrere Patienten gleichzeitig verordnet wird. Aber auch eine solche Verordnung muss jeweils individuell patientenbezogen sein und setzt eine individuelle Untersuchung im Einzelfall voraus ( FG Köln 8.3.12, 10 K 2389/09, Rev. zugelassen). |
Die Klägerin, eine klinische Psychologin, führte in einer GbR mit einem Psychotherapeuten Seminare zur Raucherentwöhnung und Gewichtsreduktion sowie zum Stress-Management durch. Die Suchtherapien wurden aufgrund betriebsärztlicher Sammelüberweisungen durchgeführt. Die Sammelüberweisungen dienten gleichzeitig als Teilnehmerlisten für die Seminare. Sie enthielten Namen, Vornamen und meistens die Personalnummer der zu behandelnden Patienten. Die Teilnahme des Einzelnen am Seminar wurde von der Klägerin dokumentiert und an die auftraggebenden Betriebsärzte über die Teilnehmerlisten zurückgemeldet. Der Therapeut bestätigte nach dem Seminar dem jeweiligen Betriebsarzt die Durchführung der Maßnahme mit Nennung der Namen der Teilnehmer. Das FG Köln hält die Klage für unbegründet, denn die Leistungen waren nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Befreiung umfasst nur medizinisch individuell indizierte Leistungen
Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 umfasst ausschließlich medizinisch indizierte Leistungen gemäß ärztlicher Verordnung, sei es im Wege eines ärztlichen Auftrages einer Reha-Klinik, sei es durch individuelle ärztliche Verordnung. Deshalb sind Leistungen, die nicht aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer medizinischen Behandlung als Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden, nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei. Ebenso wenig liegt eine gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreite Heilbehandlung vor, wenn Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i.S. des § 20 SGB V erbracht werden, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich „den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen“ sollen (§ 20 Abs. 1 S. 2 SGB V; BFH 31.1.08, XI R 53/06, m.w.N.).
Heilbehandlung ohne Verordnung bei Suchterkrankungen
Eine „Heilbehandlung“ ohne ärztliche Verordnung kann nur angenommen werden, wenn die Nikotinsucht medizinisch belegbar unabhängig von der ärztlichen Verordnung im Einzelfall und dem Grad der Abhängigkeit als Krankheit anzusehen wäre und Maßnahmen der Entwöhnung daher generell Heilbehandlungscharakter hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall. So wird etwa das in Rauchwaren enthaltene Nikotin sozialrechtlich nicht als „Droge“ i.S. Abschn. D Ziff 1.3.1 der Psychotherapie-Richtlinien angesehen. Eine Entwöhnungsbehandlung von Rauchern ist danach kein Behandlungsverfahren i.S. der Psychotherapie-Richtlinien und zählt dementsprechend auch nicht zur Verhaltenstherapie in diesem Sinne. Eine solche kommt nur in Betracht zur Heilung und Besserung einer Krankheit. Ebenso wenig wird übermäßiger Alkoholkonsum sozialrechtlich für sich allein als Krankheit i.S. des 2. Buches der KVO gewertet, wenngleich auch eingeräumt wird, dass er zur Krankheit werden kann, wenn er so weit fortgeschritten ist, dass er den Verlust der Selbstkontrolle mit zwanghafter Abhängigkeit bedingt.
Aus alledem folgert das FG, dass das Bedürfnis nach Nikotin eben nicht unabhängig von der graduellen Ausgestaltung im Einzelfall bereits als Krankheit anzusehen ist. Die Qualifikation als Krankheit ist vielmehr abhängig davon, wie weit der Verlust der Selbststeuerungsfähigkeit im Einzelfall fortgeschritten ist. Dies festzustellen erfordert eine individuelle Untersuchung des Patienten und eine ärztliche Würdigung im Einzelfall.
Revision zugelassen
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob eine Suchterkrankung und damit die Qualifikation der Nikotinentwöhnung als Heilbehandlung unabhängig vom Grad des Verlusts der Selbststeuerungsfähigkeit im Einzelfall ohne individuelle Untersuchung des Patienten denkbar ist.