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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuerbefreiung

    Podologische Behandlung ist auch ohne ärztliche Individualverordnung umsatzsteuerfrei

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    Nach § 4 Nr. 14 UStG begünstigte Heilbehandlungen erfordern ein konkretes medizinisch-therapeutisches Ziel, um sie von nicht-begünstigter gesundheitlicher Allgemeinprävention abzugrenzen. Bei den von Gesundheitsfachberuflern durchgeführten Maßnahmen setzt dies nach Verwaltungsansicht eine ärztliche Individualverordnung voraus. Das FG Schleswig-Holstein (5.2.14, 4 K 75/12, Rev. BFH XI R13/14) hält das bei podologischen Behandlungsleistungen für entbehrlich.

     

    Sachverhalt

    Eine Podologen-GbR erbrachte vorwiegend medizinische Fußpflegeleistungen, im Streitjahr 2012 teilweise auf Grundlage ärztlicher Verordnung. Verordnungsfähig waren diese Maßnahmen bei Diagnose eines diabetischen Fußsyndroms und bei pathologischem Nagelwachstum. Sofern die ärztliche Verordnung fehlte, erfolgten die Behandlungen nach Aussage der Klägerin bei sonstigen „fußrelevanten“ Krankheitsbildern. Die Gesellschaft erklärte die aus Behandlungen ohne ärztliche Verordnung resultierenden Umsätze als umsatzsteuerfrei gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG, da eine ärztliche Verordnung nicht erforderlich sei. Während das FA dies mit Einspruchsentscheidung zurückwies, gab das FG der Gesellschaft Recht.

     

    Anmerkungen

    Die Gesellschaft hatte argumentiert, sie erbringe nachweislich keinerlei Leistungen im Grenzbereich zu Allgemeinprävention und Wellnessbehandlung, sodass individuelle ärztliche Verordnungen entbehrlich seien. Denn nach ihrer Dokumentation handele es sich bei ihren Patienten durchgängig um fußpflegerisch Behandlungsbedürftige oder zumindest um Risikopatienten mit konkretem Krankheitsbild. Bei den Risikopatienten stellten die medizinischen Fußpflegeleistungen „vorbeugende Maßnahmen“ zur Vermeidung von Infektionen bis hin zum Amputationserfordernis dar. Die fachkundige Nagelbearbeitung sei explizit im Leistungskatalog der Krankenkassen aufgeführt und ihr leistungsausführendes Personal könne aufgrund der examinierten Podologenausbildung den beruflichen Befähigungsnachweis führen. Ergänzend legte die Gesellschaft ein Privatgutachten vor.

     

    Das FG folgte der Sicht der Gesellschaft weitestgehend: § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG begünstige die humanmedizinischen Behandlungsleistungen der Ärzte und sonstigen Katalogberufler sowie arztähnlichen Heilbehandler, zu denen auch Podologen zählten. Die vom FA für den Nachweis der medizinischen Indikation ergänzend geforderte ärztliche Individualverordnung sei im Wortlaut dieser Vorschrift nicht vorgesehen. Der Nachweis sei nach Einschätzung des FG zur Vermeidung von Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten auch nur für den Grenzbereich zwischen medizinischer Heilbehandlung und Allgemeinprävention/Wellness (z.B. bei Ernährungsberatung oder therapeutischem Reiten) erforderlich. Vorliegend ergab sich dagegen auf Basis des von der Klägerin ergänzend zur individuellen Anamnese vorgelegten Privatgutachtens, dass die medizinische Indikation weit überwiegend auch ohne ärztliche Verordnung nachvollziehbar gegeben war, was das FG unter ausführlicher Befassung mit den vom Gutachter dargelegten fußpflegebezogenen Krankheitsbildern im Einzelnen auflistet. Demnach sah das Gericht den Nachweis der medizinischen Indikation auch ohne ärztliche Verordnung - von wenigen Ausnahmen abgesehen - als geführt an.

     

    Praxishinweise

    Die Verwaltung fordert seit jeher bei von Gesundheitsfachberuflern durchgeführten Behandlungen zum Nachweis der medizinischen Indikation eine ärztliche Individualverordnung. Hierzu hatte das BMF (19.6.12, IV D 3 - S 7170/10/10012, BStBl I 12, 682) klargestellt, bei der im Nachgang zu einer ärztlich verordneten Maßnahme erneut durchgeführten Anschlussheilbehandlung bedürfe es einer erneuten ärztlichen Verordnung.

     

    Dieses Erfordernis hatte bislang zwar auch die Rechtsprechung bestätigt (so BFH 10.3.05, V R 54/04; 30.1.08, XI R 53/06, 6.6.08, XI B 11/08; 4.10.12, XI B 46/12 12.2.14, V B 100/13 und FG Köln 8.3.12, 10 K 2389/09). Allerdings waren diese Entscheidungen in der Tat zu Behandlungsleistungen in der Grenzzone (Ernährungsberatung, therapeutisches Reiten, Fastenseminare, Raucherentwöhnung und Yogakurse) ergangen, sodass die Argumentation des FG nicht von der Hand zu weisen ist, jenseits dieser Grenzzonen-Behandlungen - und damit z.B. bei der medizinischen Fußpflege der Podologen - bedürfe es weder systemlogisch, noch nach dem Wortlaut des deutschen UStG oder der EG-Richtlinie der Regelattestierung durch einen Arzt.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Streitfall sah das FG den Nachweis vor allem durch die Fachbegutachtung als geführt an, was die Frage aufwirft, ob es eines solch aufwendigen Alternativnachweises in diesen Fällen überhaupt bedarf, denn dann wäre die ärztliche Verordnung der schon aus Kostengründen vorzugswürdigere Nachweisweg.

     

    Zudem hatte die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben (19.6.12 a.a.O.) ausdrücklich klargestellt, dass als ärztliche Verordnung im obigen Nachweissinne auch bei GKV-Patienten ein Privatrezept akzeptiert werde und ein solches nicht nur von Ärzten, sondern auch von Heilpraktikern ausgestellt werden dürfe. Begünstigte Gesundheitsfachberufler - soweit sie nicht ohnehin schon selbst eine Zusatzausbildung als Heilpraktiker haben (insofern reicht auch eine eingeschränkte, sektorale Heilpraktikererlaubnis; OFD Magdeburg 28.3.12, UR 12, 574) - sollten daher zur steuerlichen Beweisvorsorge ihre Patienten um Vorlage einer solchen Verordnung (ggf. in Form eines Privatrezepts) anhalten, um die fraglichen Teilerlöse unter der Bagatellgrenze des § 19 UStG zu halten. Soweit die Kleinunternehmergrenze durch vermeintlich umsatzsteuerpflichtige Behandlungsumsätze überschritten wird, sollten die Umsatzsteuerfestsetzungen in einschlägigen Fällen offengehalten werden, denn im o.a. Klageverfahren wurde inzwischen Revision eingelegt.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 144 | ID 42674206

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