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  • · Nachricht · Umsatzsteuer

    Steuerbefreiung für familientherapeutische Maßnahmen

    | Für die Leistungen einer Heilpraktikerin, die im Auftrag u.a. von Landratsämtern als Familientherapeutin für verschiedene Jugendämter im Wesentlichen organische, neurotische und symptomatische Störungen sowie Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen behandelt und im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß den Vorschriften der §§ 27 , 35 a SGB VIII (Fassung des Jahres 2008) direkt mit den jeweiligen Landrats- und Kreisjugendämtern abrechnet, kann die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystR (Richtlinie 2006/112/EG) in Anspruch genommen werden. Im Streitfall kommt es somit nicht darauf an, ob sich die Klägerin auf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG berufen kann ( FG München, 24.5.12, 14 K 3415/10 ). |

     

    Die Klägerin kann sich für die Steuerbefreiung ihrer Leistungen unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRl berufen. Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreien die Mitgliedsstaaten die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, von der Umsatzsteuer.

     

    Für die Inanspruchnahme der im UStG bisher nicht vollständig umgesetzten Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (vgl. unter anderem BFH 18.8.05, V R 71/03, BStBl II 06, 143) genügt es, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

     

    • zum einen, dass es sich um Leistungen handelt, die mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind, und
    • zum anderen, dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden.

     

    Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, da die Klägerin auf der Grundlage von § 35 a SGB VIII und nach Maßgabe entsprechender Leistungsvereinbarungen mit den örtlichen Leistungsträgern, insbesondere dem Sozialamt des Landkreises, tätig geworden ist.

     

    Leistungen der Fürsorge/sozialen Sicherheit

    Nach § 35 a SGB VIII haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn 1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und 2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Nach Absatz 3 dieser Regelung richten sich Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie die Art der Maßnahmen u.a. nach § 53 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (SGB XII), soweit diese auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden. Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen nach § 35 a Abs. 4 SGB VIII Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken.

     

    Einrichtung mit sozialem Charakter

    Da die Klägerin aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit Jugendämtern und Sozialbürgerhäusern tätig geworden ist und die erbrachten Leistungen direkt mit dem für Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zuständigen Leistungsträger für die betreffende Sozialleistung (§ 12 und § 27 SGB I), abgerechnet hat, genügt dies nach oben genannter Rechtsprechung für ihre Anerkennung als eine Einrichtung mit sozialem Charakter.

     

    Das Gericht weist darauf hin, dass der Begriff „Einrichtung” grundsätzlich weit genug ist, um auch private Einheiten mit Gewin-nerzielungsabsicht zu erfassen (EuGH, UR 2005, 486 Randnr. 35; vgl. auch EuGH 7.9.99 Rs. C-216/97, Gregg, Slg. 99, I-4947 Randnr. 17). Hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die Inanspruchnahme der betreffenden Befreiungen nicht ausdrücklich vom Fehlen eines Gewinnstrebens abhängig gemacht, kann das Streben nach Gewinnerzielung die Inanspruchnahme dieser Befreiungen nicht ausschließen (EuGH, UR 2005, 486 Randnrn. 40 und 43).

    Quelle: ID 36811290